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Oeffentl. Sitzung der k. Akademie der Wissenschaften zur Feier ihres 104. Stiftungstages

am 28. März 1863.

Nach der Rede des Vorstandes Herrn Geh. Raths Baron von Liebig

,,Ueber Francis Bacon von Verulam,"

welche im Verlage der Akademie besonders erschienen ist, gedachten die drei Herren Classen-Secretäre der jüngst verstorbenen Mitglieder der Akademie.

a) Der Secretär der 1. Classe Herr M. J. Müller:

Anton Günther.

Als im vorigen Jahrhundert im protestantischen Deutschland aus den tiefsten Quellen des nationalen Geistes eine eigenthümliche grossartige Poesie und Philosophie sich entwickelte und ein höheres Leben in allen Gebieten des Denkens und Fühlens erwachte, schlug die Flamme des Genius bald auch in den katholischen Theil unseres Vaterlandes herüber und entzündete und erwärmte die edelsten Naturen. Man begann auch hier sich den nördlichen Brüdern als eines Wesens zu fühlen und reichte ihnen die Hände über die durch empirisch-religiöse Vorstellungen aufgebaute Scheidewand. Von da an datirt jenes energische Gefühl der einheitlichen Nationalität, welches zwar ursprünglich auf geistiges Wirken sich bescheiden musste, aber nicht lange Zeit nachher auch auf praktische Verhältnisse sich auszudehnen begann und hoffentlich bald seine letzten Triumphe feiern wird. Die

durch Kant und seine grossen Nachfolger eingeleitete und fortgesetzte Bewegung fand unter den Katholiken ernste und begeisterte Anhänger und Mitstreiter, selbst unter den Geistlichen regte sich ein löblicher Eifer, die durch deutsche Philosophie gewonnenen Resultate sich eigen zu machen und zu verarbeiten. Unter diesen ist mit Auszeichnung zu nennen der vor wenigen Wochen in hohem Alter zu Wien verstorbene Anton Günther, auswärtiges Mitglied unserer Akademie. Er hat sich durch seine Publicationen, die nicht ohne Originalität und Geist verfasst sind, einen wohlverdienten Rang unter den philosophischen Forschern der Gegenwart errungen. Die höchste Auctorität, die es für einen katholischen Geistlichen giebt, hat seine Arbeiten verworfen. Rom, eine hochconservative Macht, kann und wird nie anerkennen, selbst noch in den schwächsten Productionen deutscher Philosophie tingirt ist; denn das Element, was diese charakterisirt, ist absolute Freiheit des Geistes.

was

Jacob Geel.

von

Seit der Gründung der Universität zu Leyden, welche mitten in die Kämpfe gegen die spanische Tyrannei fällt, ja als Belohnung der heldenmüthigen Stadt für ihr tapferes Ausharren in einer grauenvollen Belagerung von Wilhelm dem Oranier geboten wurde, hat es dort neben einer Reihe ausgezeichneter Gelehrten in allen Fächern des Wissens und Forschens nie an trefflichen Philologen gefehlt, ja in manchen Epochen konnte sie als die Metropole der griechischen, römischen und orientalischen Literaturpflege angesehen werden. Sie zog auch, trotzdem dass das kleine Holland nie einen Mangel an tüchtigen Kräften besass, neid los bedeutende Geister aus dem Ausland herbei; denn das geistige Leben ist an keine Heimat gebunden und invidiöse Begeiferung fremder Talente ist bloss Merkmal verkommener Seelen. Wie schon in den ersten Jahren des Bestehens der Universität

uns der Name des gigantischen Italieners Josephus Justus Scaliger entgegenleuchtet, so fanden dort zu unserer Väter Zeit die Deutschen Ruhnken, Creuzer, der deutsche Schweizer Wyttenbach frohe Aufnahme und ungestörten gesegneten Wirkungskreis. Ein Abkömmling dieser grossen Philologenschule ist der im vorigen Jahre verstorbene Jacob Geel, auswärtiges Mitglied unserer Akademie, ausgezeichnet als Gelehrter und als Bibliothekar der berühmten Sammlung jener Universität, unter welchem Titel auch ich persönlich ihm den Tribut dankbarer Erinnerung schulde. Gediegenes Wissen, genaue Beobachtung, besonnene Forschung zeichnen ihn, wie die ganze holländische Schule aus, wozu bei ihm noch ein feiner Geist trat, der die trockene Materie belebte. Verschiedene Schriftsteller des Alterthums fanden in ihm einen trefflichen Erklärer, Euripides, Theokrit etc. und besonders Dio Chrysostomus; auch weihte er seine Zeit der Herausgabe wichtiger Papiere von Hemsterhuys und Ruhnken und beschrieb als Bibliothekar die seit 1741 erworbenen Schätze der Bibliothek, die er so vortrefflich verwaltete und mit der grössten Humanität dem Studium der Gelehrten zur Disposition stellte.

b) Der Secretär der 2. Classe Herr von Martius:

Die mathematisch - physikalische Classe hat seit unserer letzten öffentlichen Sitzung vier Mitglieder verloren. Das Leben und Wirken dieser verdienstvollen Männer zu schildern würde das heutige Zeitmaass nicht gestatten; wir beschränken uns daher auf die allerwesentlichsten Thatsachen.

Carl Ludwig Rümker, Director der Sternwarte und Navigations-Schule zu Hamburg. Nur selten hat unsere Akademie Veranlassung, das Leben eines deutschen Seemannes zu feiern, denn selten erprobt sich deutsche Gelehrsamkeit und Forschungstrieb auf dem Weltmeere. Rümker ist am

28. Mai 1788 zu Neubrandenburg geboren, wo sein Vater Mecklenburg-Strelitz'scher Hofrath, ein angesehener Staatsdiener war. Nach den Gymnasialstudien am grauen Kloster zu Berlin widmete er sich dem Baufache und machte die Prüfung als Preussischer Bauconducteur. Aus Preussen, welches ihm nach dem Tilsiter Frieden keine Aussichten darbot, gieng er nach Hamburg, dann nach England in den Seedienst. Zuerst Midshipman auf einem Schiffe der ostindischen Compagnie, dann im Dienste von Kauffarthei-Schiffen besuchte er fast alle Weltgegenden. 1812 trat er in die k. englische Marine ein; er machte als Offizier der Flotte im Mittelmeere und als Lehrer der Navigation am Bord des Admiral-Schiffes Albion unter Penrose den Schluss des französischen Krieges mit, er war unter Exmouth i. J. 1816 bei dem Bombardement von Algier. Die Bekanntschaft mit Baron v. Zach zu Genua leitete ihn auf literärische Arbeiten, zumal Beobachtungen von Sternbedeckungen und geographische Ortsbestimmungen im Mittel Meere. Im J. 1817 nahm er den Abschied und wurde Director der Hamburger Seeschule; aber schon 1821 begleitete er General Sir Thomas Brisbane, den neuernannten Gouverneur von New South Wales, in diese ferne Colonie, wo er 9 Jahre lang die von seinem Freunde gegründete Sternwarte zu Paramata bei Sydney leitete. Dort beobachtete er die erste vorausberechnete Wiederkehr des Enkeschen Kometen und constatirte dessen kurze Umlaufszeit; er bestimmte die dortige Länge des einfachen Secunden-Pendels und machte viele Beobachtungen am südlichen Fixsternhimmel. Diese sind theils im Kataloge von Brisbane, theils in dem von ihm selbst 1832 zu Hamburg herausgegebenem enthalten. 1830 war er nach Hamburg zurückgekehrt, das Directorium der Navigations-Schule von Neuem zu übernehmen. Sein biederes Seemanns-Wesen, sein ebenso wohlwollender und geduldiger als energischer Charakter, die Klarheit seiner Unterrichtsmethode erwarb jener Anstalt seltenes

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Ansehen und eine in Deutschland noch nicht erlebte Blüthe. Sie hatte 1836 sechzig Schüler, 1857 zweihundert und fünfzig. Rümkers zuerst 1843 herausgegebenes Handbuch der Schifffahrtskunde hat bereits drei starke Auflagen erlebt. Seine Sternbeobachtungen werden von den Astronomen wegen einer ausserordentlichen Genauigkeit gerühmt. Zahlreiche Beobachtungen von Kometen und den kleinen Planeten stellte er zumal mit einem fünffüssigen parallaktisch montirten Refractor unseres Fraunhofers an; mit einem Repsoldischen Meridiankreise unternahm er eine sorgfältige Bestimmung aller schwächeren, im Fernrohre desselben noch sichtbaren Fixsterne. Der Rümkersche, 15,000 Sterne aufführende Katalog wurde 1854 mit der goldnen Medaille der Londoner astronomischen Gesellschaft ausgezeichnet. Airy nennt dieses, mit so einfachen Hilfsmitteln geschaffene Werk eines einzelnen Mannes, der in strengen Nachtwachen beobachtete, bei Tage in den vom Schuldienst freien Stunden rechnete, ein bewunderungswürdiges Muster. Die letzten 6 Jahre lebte Rümker wegen asthmatischer Beschwerden in dem milderen Klima von Lissabon, wo er am 21. Dec. 1862 bei ungeschwächter Geisteskraft das Zeitliche gesegnet hat. Die Offiziere der britischen Station im Tagus haben ihn als ehemaligen Kameraden und Inhaber der britischen Kriegsmedaille auf den Campo Santo der Estrella - Kirche getragen. Unser College ruht neben dem englischen Dichter Fielding, der dort i. J. 1754 gestorben ist.

An demselben Tage mit Rümker starb zu Wien Dr. Carl Kreil, Director der k. k. Central-Anstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus, Mitglied der k. Akademie der Wiss. u. Prof. der Physik an der Universität. Am 4. November 1798 zu Ried in Oberösterreich geboren, in dem liberal geleiteten Stifte zu Kremsmünster gründlich unterrichtet, absolvirte er zu Wien die Jurisprudenz, ward dann unter Littrow d. ä. Eleve für Astronomie an der Wiener Stern

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