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fallenden allgemeinen Universitäts-Statuten (p. 69 ff.), jedoch mit der ausdrücklichen Bemerkung, jene ersteren seien i. J. 1498 abgeändert worden, und er füge sie nur ob memoriam bei. Das bestimmte Jahr jedoch, in welchem die philosophische Facultät ihre Statuten feststellte und vom Herzoge bestätigt erhielt, gibt Mederer gelegentlich anderswo (Vol. I, p. 5) als das Jahr 1478 an, und indem er sich hierüber auf das Autographum beruft, müssen wir wohl an diesem Datum festhalten, wenn auch im Abdrucke der Statuten bei einer speciellen Bestimmung über Examinations-Gebühren einmal (p. 92) mitten im Texte die Jahreszahl 1493 erscheint (denn solches muss durch spätere Einfügung erklärt werden).

Aus diesen Statuten nun geht die Trennung der Facultät nach via antiqua und via moderna auf das Unzweideutigste hervor, und zwar ist es gerade diese Ausdrucksweise (oder altera via, oder quaelibet via, oder quisque in sua via, oder in eadem via u. dgl.), welche constant an all den zahlreichen Stellen durch die ganzen Statuten hindurch gebraucht wird. Wir ersehen, dass der Bestand der Zweitheilung auch mit Einschluss von Feindseligkeiten als. ein vorgefundener vorausgesetzt und sonach das Nebeneinanderbestehen zweier Collegien (consilia) statutarisch festgestellt wird (p. 70: Verum cum in eadem facultate et antiquorum et modernorum via habeatur ideove ex huiusmodi viis inter studentes differentiae suboriantur, volumus, quod facultas habeat duo consilia, unum de antiqua, alterum de via moderna; itaque ad quodlibet eorum omnes magistri eiusdem viae universitatique incorporati, et nulli alii, recipiantur u.s.f.). Und nur eine ganz folgerichtige Durchführung dieser einmal angenommenen Trennung war es, dass somit innerhalb der Einen Facultät zwei Decane gewählt wurden (p. 71 f.), zwei Facultäts-Matrikeln bestanden (p. 81), zweierlei Promotionsacte stattfanden (p. 71, bes. p. 74, auch p. 90 f.), zweierlei Eide der Facultäts-Mitglieder festgestellt waren (p. 80), zwei

Decanats-Kassen geführt wurden (p. 74), auch zwei Siegel, das eine mit der Umschrift Sigillum antiquorum facultatis artisticae und das andere mit der Umschrift Sigillum modernorum facultatis artisticae in Anwendung kamen (p. 71), endlich auch das Strafrecht, soweit den zwei Decanen ein solches zustand, sich nur auf die Studenten je ihrer via erstreckte (p. 86). Paritätisch jedoch war die Scheidung allerdings gemeint, denn nicht bloss war den Studenten, welche in die Matrikel der einen via sich eingeschrieben hatten, ausdrücklich der Uebertritt in die andere via offengelassen (p. 81), sondern es sollten auch die zwei Decane Woche um Woche bei den gewöhnlichen Magister-Dissertationen sich einander ablösen (p. 73). Darum mag es wohl auffallen, dass bei einigen Bestimmungen der Statuten nur die via moderna allein genannt ist; so betreffs des Seelengottesdienstes für die verstorbenen Mitglieder (p. 70), betreffs des rechtzeitigen Thorschlusses der Bursen (p. 70 und 83), betreffs der Ferien am Schlusse der Fastenzeit (p. 82); aber eine eigentlich exempte Stellung zeigt die via moderna höchstens nur darin, dass in ihr die armen Studirenden von Honorarien und Promotions-Gebühren befreit sind (p. 82 und 92). Jedoch lässt uns die Urkunde selbst über ein solches Hervortreten der via moderna (auch die Eidesformel ist nur für sie angegeben, p. 80) ebenso sehr im Unklaren, wie über den Grund, warum nirgends die via antiqua für sich allein

erwähnt sei.

Hingegen erhielt eine andere einzelne Stelle der Statuten, welche ganz entschieden die Parität der beiden viae ausspricht, für die Chronikschreibung der Universität eine folgenreiche Bedeutung. Nämlich offenbar um Rangstreitigkeiten abzuschneiden, wird unter der Ueberschrift,,De locatione promovendorum" die Bestimmung gegeben, dass die Mitglieder der zwei viae in ihren Plätzen eine alternirende Reihenfolge einzunehmen haben; und bei dieser Gelegenheit nun

steht statt des üblichen Wortes „,antiqui“ hier der Ausdruck ,,realistae," während,,moderni" unverändert beibehalten wird (p. 92: Volumus, baccalaureos, licentiatos atque magistros promovendos utriusque viae alterna habere loca, sic quod primo alicuius viae unus primum teneat locum, secundum alterius viae primus, tertium alterius viae secundus, et sic consequenter iuxta interpositionem realistarum inter modernos, donec unius viae numerus maior expletus fuerit u. s. f.). Im Hinblicke nun auf diese Stelle der Statuten konnte Rotmar, welcher bekanntlich als ältester Chronist unserer Universität die Geschichte derselben zu schreiben begann, dazu veranlasst werden, bei dargebotener Gelegenheit den geläufigeren Gegensatz des Realismus und Nominalismus in die Geschichts-Erzählung zu verflechten. Er berichtet nämlich von Streitigkeiten, welche zwischen den zwei viae i. J. 1478 (also noch in dem nämlichen Jahre, in welchem die Statuten festgestellt worden waren) ausbrachen und durch persönliches Eingreifen des Herzogs Ludwig ihre Schlichtung dahin fanden (am Montag nach Reminiscere 1478), dass fortan die ungetheilte Facultät nur Einen Decan, Eine Kasse u. s. f. haben sollte, und die opinio oder secta nicht mehr in Betracht kommen dürfe. Zu Anfang nun dieser Erzählung gebraucht er (I, p. 16), und zwar sehr vorsichtig, die Worte: Duae tum temporis erant apud Ingolstadienses philosophorum sectae, una realium, altera modernorum seu nominalium, ut arbitror; divisi igitur inter se quotidianis digladiabantur contentionibus u. s. f., wobei die Worte,,ut arbitror" wohl zu beachten sind, d. h. Rotmar fand in den Statuten für antiqui den Ausdruck,,Realisten", und,,meinte" nun, die moderni müssten wohl die Nominalisten gewesen sein. Hatte er aber einmal diese Ansicht gefasst, so konnte er leicht beim Jahre 1498, in welchem die Streitigkeiten in der Facultät durch Schuld der Realisten abermals entbrannten, kurzweg von einer nova pugna inter reales et nominales sprechen

1 p. 53). Und noch weit mehr durfte Mederer, welcher päter die Rotmar'schen Annalen ergänzte und fortsetzte, in einer gelegentlichen Anmerkung den Gegensatz der beiden viae mit jenem zwischen Realismus und Nominalismus sofort identificiren (I, p. 5: Ipso hoc anno - d. h. 1472 dupli

dis viae magistros adfuisse reperio, antiquae ac modernae, id est geminam philosophorum sectam, realium ac nominalium).

Somit sind alle Diejenigen sehr entschuldbar, welche (wie z. B. Raumer, Gesch. d. Pädag. IV, p. 24) annahmen, die philosophische Facultät zu Ingolstadt sei durch den Parteigegensatz der Realisten und Nominalisten in zwei Facultäten zerrissen worden. Aber richtig ist dies darum doch nicht. Wenn die Geschichte der Logik schon im 12. Jahrh. eine sehr bunte Mannigfaltigkeit logischer Parteistellungen nachweisen konnte, und im 14. und 15. Jahrh. auf Grundlage der bekannt gewordenen aristotelischen und arabischen Literatur sich die Menge zahlreicher Abstufungen noch steigert, so erscheint es von vornherein als unwahrscheinlich, dass kurzweg der Gegensatz zwischen Realisten und Nominalisten jene Trennung verursacht habe, denn dazu hätte vor Allem damals feststehen müssen, wer denn Realist und wer denn Nominalist sei. Wir können unmöglich glauben, dass im Stiftungsjahre der Universität sich sofort gleichsam ein Realisten - Häuptling neben einem Nominalisten - Häuptling etablirt habe, und dann die ganze Facultät in die zwei Lager auseinandergetreten sei. So lässt sich schon von vornherein vermuthen, dass nicht die formelle Auffassung der Universahen, sondern weit eher ein sachliches und inhaltliches Moment die Ursache der Spaltung gewesen sein müsse.

Ich bin überzeugt, dass bereits Rotmar (gestorben i. J. 1581) die wirkliche Lage der Sache nicht mehr kannte, da dieselbe in einer Literatur liegt, welche seit 1510-1520 völlig ausser Uebung gekommen war, und noch viel weniger konnte Mederer (im letzten Drittel des vorigen Jahrh.) etwas

steht statt des üblichen Wortes,,antiqui" hier der Ausdruck ,,realistae," während,,moderni" unverändert beibehalten wird (p. 92: Volumus, baccalaureos, licentiatos atque magistros promovendos utriusque viae alterna habere loca, sic quod primo alicuius viae unus primum teneat locum, secundum alterius viae primus, tertium alterius viae secundus, et sic consequenter iuxta interpositionem realistarum inter modernos, donec unius viae numerus maior expletus fuerit u. s. f.). Im Hinblicke nun auf diese Stelle der Statuten konnte Rotmar, welcher bekanntlich als ältester Chronist unserer Universität die Geschichte derselben zu schreiben begann, dazu veranlasst werden, bei dargebotener Gelegenheit den geläufigeren Gegensatz des Realismus und Nominalismus in die Geschichts-Erzählung zu verflechten. Er berichtet nämlich von Streitigkeiten, welche zwischen den zwei viae i. J. 1478 (also noch in dem nämlichen Jahre, in welchem die Statuten festgestellt worden waren) ausbrachen und durch persönliches Eingreifen des Herzogs Ludwig ihre Schlichtung dahin fanden (am Montag nach Reminiscere 1478), dass fortan die ungetheilte Facultät nur Einen Decan, Eine Kasse u. s. f. haben sollte, und die opinio oder secta nicht mehr in Betracht kommen dürfe. Zu Anfang nun dieser Erzählung gebraucht er (I, p. 16), und zwar sehr vorsichtig, die Worte: Duae tum temporis erant apud Ingolstadienses philosophorum sectae, una realium, altera modernorum seu nominalium, ut arbitror; divisi igitur inter se quotidianis digladiabantur contentionibus u. s. f., wobei die Worte,,ut arbitror" wohl zu beachten sind, d. h. Rotmar fand in den Statuten für antiqui den Ausdruck,,Realisten", und,,meinte" nun, die moderni müssten wohl die Nominalisten gewesen sein. Hatte er aber einmal diese Ansicht gefasst, so konnte er leicht beim Jahre 1498, in welchem die Streitigkeiten in der Facultät durch Schuld der Realisten abermals entbrannten, kurzweg von einer nova pugna inter reales et nominales sprechen

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