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3. Der arrogirte Unmündige hat, falls ihn der Adoptivvater ohne genügenden Grund aus der Gewalt entläßt, einen persönlichen Anspruch auf ein Viertheil des Nachlasses des Adoptivvaters, s wenn dieser vor der Mündigkeit des früheren Adoptivkindes stirbt."

8

Diese f. g. quarta divi Pii bildet zwar kein Erbrecht, kann aber mittels einer actio familiae erciscundae als gesetzliches Vermächtniß eingeklagt werden. 10

§ 138. D. Das Recht des Fiskus und juristischer Personen auf vakante Erbschaften.

1. Durch die lex Papia Poppaea unter Augustus erhielt die Staatskasse - der Fiskus ein Successionsrecht in vakante Erbschaften, d. h. in solche, die weder einen Testaments, noch einen Intestaterben fanden.1

Der Zweck des Gesezes war vornehmlich, dem Staate eine Einnahmequelle zu eröffnen. Daher galten folgende Säße:

a) Der Fiskus hat die Schulden des Erblassers nur bis zum Belaufe der Erbschaftsaktiven zu berichtigen. Dies also auch, wenn er nicht rechtzeitig ein gehöriges Inventar errichtet hat.

b) Verkauft der Fiskus die Erbschaft als Ganzes, so liegen dem Käufer die Erbschaftsschulden ob, der Fiskus seinerseits wird durch den Verkauf frei.8

Das Recht des Fiskus ferner galt als ein außerordentliches. Um deswillen bestimmte man:

a) daß der Fiskus die in einem destituten Testamente des Erb

8) Quarta divi Pii oben Bd. 3 § 30 Anm. 7. § 3 I. de adopt. 1. 11, 1. 22 pr. D. de adoptionibus 1, 7, 1. 2 pr. C. eod. 8, 47. Schröder, Notherbenrecht Bd. 1 6. 552.

9) Vangerow Bd. 1 § 252 Anm. 3 S. 470.

10) 1. 2 § 1 D. fam. erc. 10, 2, 1. 1 § 21 D. de coll. bon. 37, 6, 1. 8 § 15 D. de inofficioso test. 5, 2. Einen anderen Fall, in welchem ein Nichterbe etwas aus der Masse mit dem fam. erc. judicium utile herausnimmt, siehe in 1. 1 § 9 D. de dote praeleg. 33, 4.

1) Gajus Inst. II § 150, Ulpian. fragm. XXVIII § 7 Tit. Cod. de bonis vacantibus 10, 10. Die Litteratur siehe bei Danz, Geschichte des römischen Rechtes 2. Aufl. Bd. 2 § 184; siehe ferner Keller, Institutionen S. 275, Pernice, Labeo Bd. 1 S. 348.

2) 1. 1 § 1, 1. 11 D. de jure fisci 49, 14. R.G. Bd. 7 S. 152.

3) 1. 1 C. de her. vel act. vend. 4, 39, l. 54 D. her. pet. 5, 3, 1. 41 D. de jure fisci 49, 14.

lassers angeordneten Vermächtnisse auch dann zu entrichten habe, wenn eine Kodicillarklausel nicht zugefügt ist; 4

4.

b) eine kurze Verjährung des Anspruches binnen 4 Jahren von dem Augenblicke an gerechnet, in welchem es objektiv feststeht, daß die Erbschaft vakant ist."

Manche Schriftsteller wollten diese Eigenthümlichkeiten dadurch erklären, daß sie den Fiskus als privilegirten Okkupanten des Nachlasses, und nicht als Universalsuccessor des Erblassers auffaßten. Hierin fand man namentlich den Grund der beschränkten Haftung des Fiskus für die Erbschaftsschulden. Doch die Idee eines privilegirten Okkupationsrechtes ist zwar dem deutschen Rechte geläufig, den Römern aber ganz fremd.

Vielmehr ist der Fiskus in der That Universalsuccessor des Erblassers, so daß er eine besondere Art von Erbrecht hat.7

Er erwirbt dasselbe nicht von selbst, sondern nur dadurch, daß er es in Anspruch nimmt.s

2. Gewisse juristische Personen gehen in Folge besonderen Privilegs dem Fiskus vor:

a) Kirchen haben das Vorrecht auf den vakanten Nachlaß der bei ihnen angestellten Geistlichen;"

b) dasselbe Recht hat das Regiment bezüglich seiner Soldaten;" c) gewohnheitsrechtlich steht den Armen- und Verpflegungsanstalten

4) 1. 96 § 1 D. de legatis I, 1. 2 § 1 D. de alimentis leg. 34, 1, 1. 14 D. de jure fisci 49, 14.

5) 1. 10 D. de temp. praescr. 44, 3, 1. 1 § 2 D. de jure fisci 49, 14. Jn Rom wurde die Verjährung durch die Delation seitens eines Angebers beim Fiskus unterbrochen, welcher die Einziehung betrieb. Das heutige Verfahren ist ein anderes. Die Unterbrechung geschieht derzeit durch Erhebung der Klage gegen die Okkupanten.

6) Die Okkupationstheorie vertheidigte Blume im rhein. Museum für Jurisprudenz Bd. 4 n. 6 S. 212. Dagegen siehe Vangerow Bd. 2 § 564. Von der Beantwortung hängt namentlich die Entscheidung der Frage ab, welcher Fiskus die erblosen Güter zu beanspruchen hat, wenn der Nachlaß in verschiedenen Territorien liegt. Die Anhänger der Okkupationstheorie geben den verschiedenen Staatskaffen der belegenen Sachen das Okkupationsrecht, die Vertheidiger der Universalsuccession schreiben dem Fiskus des leßten Wohnortes des Verstorbenen das Recht auf den Gesammtnachlaß zu.

7) Die Klage des Fiskus hat den Charakter einer hereditatis petitio. 1. 20 §§ 6 und 7 D. de her. pet. 5, 3. Vgl. auch Ulpian. fragm. tit. XXVIII § 7. 8) Der Fiskus erwirbt nicht ohne seinen Willen. Zwar scheint hierauf 1. 1 § 1 D. de jure fisci 49, 14 zu deuten, vgl. aber Dernburg, Kompensation S. 317 Anm 2. Erfordert wird die vindicatio seitens des Fiskus - vgl. 1. 50 D. pr. D. de manumissis testamento 40, 4 - d. h. die Inanspruchnahme durch Besißergreifung oder Klage.

9) 1. 20 C. de episcopis 1, 3, nov. 131 cap. 13.
10) 1. 2 C. de hereditatibus decurionum 6, 62.

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ein Erbrecht an dem vakanten Nachlaß, der von ihnen verpflegten Personen zu. 11 12

Drittes Kapitel.

Die Kollation.

§ 139. Die Grundgedanken der Kollation.1

Die Kollation entwickelte sich bei der Intestaterbfolge der Descendenten, und ist grundsäglich eine Ergänzung dieser Intestaterbfolge geblieben.

Allerdings ist sie im späteren Rechte auch für den Fall vorgeschrieben, daß der Erblasser seine Descendenten, die seine nächsten Intestaterben wären, testamentarisch zu Erben cinseßt. Doch dies entspringt nur der Vermuthung, daß der Erblasser seine Descendenten so halten wollte, wie wenn sie Intestaterben geworden wären. Hierin liegt also nur etwas abgeleitetes.

Die Intestatsuccession der Descendenten bezweckt deren gleiche Behandlung. Um deswillen wird der Nachlaß der Ascendenten unter seine Kinder, beziehungsweise die Kindesstämme gleich getheilt. Aber damit allein ist die Gleichheit unter den Kindern nicht ausreichend durchgeführt. Dies geschicht erst durch die Kollation.

a) Die ältere Kollation hatte ihren Grund in der Verschiedenheit der Erwerbsfähigkeit der Descendenten während des Lebens des pater familias.

Sic hing auf das engste mit der alten Familienverfassung zusammen, wonach alles, was die Hauskinder erwarben, dem Hausvater gehörte, während die aus dem Hause herausgetretenen Kinder für sich erwarben.

b) Die neucre Kollation bezweckt Ausgleichung wegen Vorempfanges von dem gemeinsamen Erblasser.

11) Glück, Intestaterbfolge S. 761 ff.

12) In Folge Privilegiums konnten in Rom auch Stadtgemeinden das Recht auf den vakanten Nachlaß ihrer Bürger haben. Diokletian hob dies auf. 1. 1 C. h. t. 10, 10. Partikularrechtlich besigen aber in Deutschland die Städte häufig dieses Recht, worin ein Nachklang ihrer alten Gerichtsbarkeit liegt.

1) Die Hauptwerke sind von Fein, das Recht der Kollation 1842 und von Leist bei Glück, Serie der Bücher 37 und 38 Bd. 3 S. 201 ff. Dort siehe die Litteratur. Dazu Kohler, Abhandlungen I n. 6 „Die römisch-rechtlichen Grundlagen der Kollation“.

Oft erhalten nämlich einzelne Descendenten in Fällen des Bedürfnisses, z. B. bei ihrer Verheirathung, von ihren Ascendenten Zuwendungen, welche anderen Descendenten nur deswegen nicht zu Theil wurden, weil das gleiche Bedürfniß bezüglich ihrer bei Lebzeiten des Erblassers noch nicht eingetreten war. Die hierdurch entstehende Ungleichheit soll die neuere Kollation aufheben.

§ 140. Die ältere Kollation.1

1. Die ursprüngliche Art der Kollation war die der Emancipirten. Danach mußten die emancipirten Kinder des ErbLassers, was sie zur Zeit des Todes ihres Vaters im Vermögen hatten, mit den sui ihres Vaters theilen, wenn sie neben ihnen erbten.

Diese Kollation entsprang dem prätorischen Edikte. Als nämlich der Prätor neben den sui, welchen nach Civilrecht die Intestaterbschaft ihres Hausvaters allein zustand, dessen emancipirte Kinder mittels bonorum possessio in den Nachlaß berief, empfanden dies die sui als Verlegung ihres durch die 12 Tafeln verbricften exklusiven Rechtes. Hierfür sollte ihnen eine Entschädigung mittels der Kollation zu Theil werden, welche ihnen die Emancipirten leisten mußten.3

Diese Kollationspflicht hatte aber auch einen tieferen Grund. Nach der alten Familienverfassung gehörte alles, was der suus bei Lebzeiten des Vaters erwarb, dem Vater, fand sich also regelrecht in dessen Nachlaß. Daher nahm der Emancipirte von diesem Erwerbe einen Theil, wenn er den Vater mitbeerbte. Es war nur folgerecht, daß dann auch seinerseits der Emancipirte dem suus Theil an dem gönnte, was er selbst bis zum Tode des Vaters erworben hatte, und was sich in dem Nachlasse hätte finden müssen, wenn er in der Gewalt geblieben wäre.

Deshalb befahl der Prätor den Emancipirten, welche die bonorum possessio agnoscirten, Kaution zu Gunsten der sui, welche durch

1) Tit. Dig. de collatione bonorum 37, 6, de dotis collatione 37, 7, Tit. Cod. de collationibus 6, 20.

2) Dies durch bon. poss. contra tabulas, vgl. unten § 144 und unde liberi. 1. 1 pr. D. h. t. 37, 6.

3) 1. 10 D. h. t. 37, 6, 1. 1 § 13 D. de conj. cum emanc. 37, 8, Schmidt in Bekkers Jahrb. Bd. 4 S. 114.

4) Coll. leg. Mos. et rom. XVI, 7.

sie verkürzt wurden, mittels deren sie Kollation ihres Vermögens, wic auch dessen, was sie ihm dolos entfremdet hatten, versprachen.5 6

Diese Kautionsleistung an die sui war nicht Bedingung der bonorum possessio der Emancipirten, denn deren Ertheilung durfte keinen Aufschub erfahren,78 und die sui waren nicht immer zur Hand. Aber sie war eine an sie geknüpfte Auflage, also daß im Falle des Ungehorsams des Emancipirten Verweigerung der Erbschaftsklagen und Ueberweisung seiner Erbportion an die Miterben eintrat."

Mit der alten Familienverfassung mußte die Kollation der Emancipirten dahinschwinden.

Denn diese Kollation betraf Vermögenstheile nicht, welche der Emancipirke für sich erworben hätte, wenn er Hauskind geblieben wäre. 10 Da nun im jüngsten Rechte das Hausfind alles für sich erwirbt, was nicht vom Vater herkommt, so hatte der Emancipirte schließlich nur zu konferiren, was er von seinem Vater hatte.11

Aber auch der lezte Rest dieser Kollation verlor sich, als die Novelle 118 die bonorum possessio unde liberi verdrängte. Denn

5) Lenel, edictum S. 275 denkt sich — im wesentlichen unzweifelhaft richtig die Fassung des Ediktes so: Inter eos, quibus ita bonorum possessio data erit, ita collationem fieri jubebo, ut hi, qui în potestate morientis non fuerint, his, qui in potestate morientis fuerint, recte caveant, se quidquid moriente patre in bonis habuerint dolove malo fecerint, quominus haberent, boni viri arbitratu collaturos esse.

6) Die Emancipirten hatten nur den sui zu konferiren. In Folge dessen kam es zu einer ungleichen Behandlung der Kinder, wenn mehrere Emancipirte vorhanden waren, welche zu konferiren hatten, 1. 1 § 24 D. h. t. 37, 6. Ulpianus libro 40 ad edictum: Portiones collationum ita erunt faciendae: ut puta duo sunt filii in potestate, unus emancipatus habens trecenta: ducenta fratribus confert, sibi centum: facit enim iis partem, quamvis is sit, cui conferri non solet. quod si duo sint filii emancipati habentes trecena et duo in potestate, aeque dicendum est singulos singulis, qui sunt in potestate, centena conferre, centena retinere, sed ipsos invicem nihil conferre. dotis quoque collatio in eundem modum fiet, ut quicumque confert, etiam suam personam numeret in partibus faciendis. Den suis wird nur konferirt, wenn ihnen durch die Dazwischenkunft der emancipati ein Nachtheil entsteht, l. 1 § 5 D. h. t. 37, 6.

7) 1. 3 pr. D. h. t. 37, 6.

8) Verlangte das Edikt gleich „cautio", so genügte doch auch unmittelbare Theilung des Vermögens des Emancipirten, ja daß sich die Emancipirten bereit erklärten, so viel von der väterlichen Erbschaft weniger zu empfangen, als der suus bei der Kollation zu beanspruchen hat, 1. 1 §§ 11 und 12 D. h. t. 37, 6.

9) 1. 1 § 10, § 13 D. h. t. 37, 6, 1. 2 § 9 D. eod.

10) 1. 1 § 15 D. h. t. 37, 6.

11) 1. 21 C. h. t. 6, 20. Daß der Emancipirte auch die beim Tode seines Vaters bei ihm noch vorhandenen Revenuen seines Vermögens zu konferiren hatte, welches ohne die Emancipation adventicium geworden wäre und im väterlichen Nießbrauche gestanden hätte, ist in den römischen Quellen_nicht bezeugt, wenn es auch die späteren Byzantiner annahmen. Vangerow a. a. D. Š. 385.

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