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Damit ist aber, wie es scheint, das Oralfideikommiß unpraktisch ge= worden.

vor:

Theorie und Praxis früherer Jahrhunderte nahmen auch an, daß sich der Erblasser in seinem Testamente die Befugniß zu form losen Nachzetteln codicilli confirmati in futurum behalten könne. Da aber die Kodicillarform für Kodicille jeder Art vorgeschrieben ist, so wird dies mit Recht neuerdings verworfen. 5

Drittes Kapitel.

Die allgemeinen Grundsähe der lehtwilligen Verfügungen.

I. Der lehte Wille und seine Erklärung.

§ 76. Bestimmtheit des Willens.

Die Verfügungen von Todeswegen müssen das Produkt des eigenen bestimmten Willens des Erblassers sein.1

Das bezieht sich nicht auf die Vorbereitung derselben. Dritte können dem Erblasser Vorschläge machen, den Testamentsentwurf für ihn schreiben, ja ausarbeiten. Indem ihn der Erblasser persönlich nach genommener Kenntniß solennisirt, macht er sich seinen Inhalt zu eigen. Es ist auch nicht ausgeschlossen, daß der Erblasser beim Testamentsgeschäfte selbst Hülfe und Beistand Dritter in Anspruch nimmt.

Die getroffenen Anordnungen aber müssen selbständige sein.
Dabei ist zu unterscheiden:

a) Nicht gestattet ist dem Erblasser, Dritten die Verfügung über seinen Nachlaß testamentarisch zu übertragen, ihnen hierbei, wie man jagt, carte blanche zu geben. Derartige allgemeine

der Geltendmachung des justinianischen Dralfideikommisses. Vgl. weiter Einführungsgesez zur C.P.D. § 14 Ziff. 2.

4) Insbesondere vertrat diese Ansicht J. H. Böhmer disp. de codicillis absque testibus validis Hal. 1707, dann auch exerc. ad Pand. V, 78.

5) Fein bei Glück Bd. 45 S. 96. Anders Kräwell im Archiv für civ. Praxis Bd. 43 n. 3 S. 78, Bd. 46 n. 4. Dagegen aber Chop ebendaselbst Bd. 44 n. 12 S. 335 und Windmüller Vd. 45 n. 15.

1) Ulpian, fragm. XXII § 4 „certum consilium debet esse testantis".

2) 1. 32 pr. D. de hered inst. 28, 5. Gajus libro 1 de testamentis ad edictum praetoris urbani: Illa institutio „,quos Titius voluerit" ideo vitiosa est,

Vollmachten entsprechen den Bedürfnissen des Verkehres für Geschäfte unter Lebenden. Anders bei Geschäften von Todeswegen. Denn für die Beerbung besteht ohnehin eine allgemeine geschliche Ordnung. Dem Erblasser ist zwar freigelassen, seinen lezten Willen in concreto an deren Stelle zu sehen; wenn er selbst aber nicht etwas zu bestimmen weiß, so behält es mit Recht sein Bewenden bei der geseßlichen Erbfolge.

Die Zulässigkeit einer allgemeinen Vollmacht, nach dem Tode des Erblassers dessen Nachfolger zu bestimmen, könnte auch zu erheblichen Mißbräuchen führen, da oft nicht zu ermitteln wäre, ob der Beauftragte dabei den ihm kund gethanen Intentionen des Erblassers, dessen Vertrauen er zu erschleichen wußte, nachkommt oder entgegenhandelt.

Das kanonische Recht und der mittelalterliche Gebrauch theilte diese Bedenken nicht und verstattete vielmehr, Dritten die Verfügung über den Nachlaß anheimzustellen.3 Aber die neuere Praxis hat dies nicht angenommen, vielmehr an den entgegenstehenden Bestimmungen des römischen Rechtes festgehalten.

b) Es fragt sich weiter, ob bestimmte Anordnungen testamentarisch an die Zustimmung Dritter geknüpft werden können; 3. B. eine Frau, gewohnt, stets ihrem Manne zu folgen, testirt während dessen Abwesenheit im Felde bei plößlich ausbrechender Krankheit: „Ich vermache mein Vermögen dem N., wenn mein Mann damit einverstanden ist."

Eine alte römische Rechtsregel lautete, daß die Testamente durch sich selbst bestehen müßten, und erklärte insbesondere Erbeseinsehungen unter der Bedingung des Wollens Dritter für nichtig. Aber in der Kaiserzeit umging man diese Regel. Man ließ nämlich zu, leztwillige Dispositionen an Handlungen Dritter zu knüpfen, welche, an sich irrelevant, nur den Zweck haben, die Willenszustimmung auszudrücken. Hiernach wäre oben gedachte Anordnung gültig, falls sie stylisirt wäre, wenn mein Mann an den N. ein „Ja“ schreibt.*

quod alieno arbitrio permissa est: nam satis constanter veteres decreverunt testamentorum jura ípsa per se firma esse oportere, non ex alieno arbitrio pendere.

3) cap. 13 X. de testamentis 3, 26. Innocenz III.: Qui extremam voluntatem in alterius dispositionem committit, non videtur decedere intestatus. Manche behaupten, es habe sich nur um ein besonderes Gewohnheitsrecht von Geistlichen gehandelt, welches Innocenz III. anerkannte, keineswegs aber um einen allgemeinen Rechtssag, vgl. namentlich Vangerow Bd. 2 § 432. Das ist unrichtig. Es galt im Mittelalter vielmehr allgemein als zulässig, daß der Erblasser seinem Testamentsvollstrecker überließ, nach seinem Ermessen das Seelgeräth“ auszurichten, überhaupt nach seinem Befinden über den Nachlaß zu verfügen, Stobbe Pr. Recht Bd. 5 S. 264.

4) 1. 69 D. de hered. inst. 28, 5. Pomponius libro 7 ad Quintum Mucium:

Ulpian erklärte beides aber mit Recht für gleichbedeutend und erkannte Zuwendungen unter der Bedingung des „Wollens" Dritter Das ist als praktisches Recht anzusehen.5

an.

Das vollends ist kaum zweifelhaft, daß man eine leztwillige Verfügung in das vernünftige Ermessen Dritter stellen kann.® 7

c) Die ältere Jurisprudenz schloß aus der Anforderung eines bestimmten Willens des Erblassers, daß er eine „,incerta persona“ nicht honoriren dürfe, d. h. eine solche, deren Individualität sich der Erblasser nicht konkret vorstellen kann. Ungültig war daher unter anderem ein Vermächtniß zu Gunsten des künftigen Schwiegervaters des noch unverlobten Sohnes des Erblassers. Justinian hat dies aufgehoben.s

Etwas anderes ist es, daß der Erblasser, welcher eine juristische Person schaffen und zum Erben einsehen will, dieselbe so genau charakterisiren muß, daß sie in das Leben treten kann."

Si quis Sempronium heredem instituerit sub hac condicione si Titius in capitolium ascenderit" quamvis non alias heres esse possit Sempronius nisi Titius ascendisset in Capitolium et hoc ipsum in potestate sit repositum Titii: quia tamen scriptura non est expressa voluntas Titii, erit utilis ea institutio; atquin, si quis ita scripserit, si Titius voluerit Sempronius heres esto" non valet institutio. quaedam enim in testamentis si exprimantur effec tum nullum habent, quando, si verbis tegantur, eandem significationem habeant, quam haberent expressa, et momentum aliquod habebunt. Ebenso Mode: stinus in der 1. 52 D. de cond. et demonstr. 35, 1, welcher hinzufügt: „inde dictum est; expressa nocent, non expressa non nocent“.

5) Ulpianus libro 9 ad Sabinum. 1. 1 pr. D. de leg. II: In arbitrium alterius conferri legatum, veluti condicio, potest: quid enim interest „si Titius in Capitolium ascenderit" mihi legetur an si voluerit", ebenso in 1. 46 § 2 D. de fideic. libert. 40, 5 und in 1. 43 § 2 D. de leg. I. Die Versuche Ulpians Entscheidungen mit den in der Anm. 4 abgedruckten Stellen in Uebereinstimmung zu bringen siehe insbesondere Vangerow Bd. 2 § 432 Anm. 1, Windscheid Bd. 3 § 633 Anm. 17 sind gescheitert, wie noch neuerdings Unger in Jherings Jahrbüchern Bd. 25 S. 334 überzeugend dargethan hat. Unger freilich will die Ansicht Ulpians im justinianischen und heutigen Rechte verworfen wissen. Mit Unrecht. Denn entweder bestehen gute innere Gründe, um Verfügungen ungültig zu erklären, die von der Zustimmung Dritter anhängig sind; dann muß dies durchgeführt werden, mag es direkt oder indirekt verfügt sein, oder es bestehen solche Gründe, wie in der That der Fall ist, nicht; dann muß man die Geltung ohne Rücksicht auf die gebrauchte Formel anerkennen.

6) 1. 1 § 1 D. de leg. II, 1. 11 § 2 D. de leg. III.

7) Vermächtnisse können nicht in die bloße Willkür des Erben, wohl aber in dessen sachgemäßes Ermessen gestellt werden, 1. 11 § 7 D. de leg. III, 1. 46 § 3 D. de fideicommissariis libert. 40, 5.

8) Ulpian. fragm. XXII § 4; § 25, § 27 J. de leg. 2, 20 und die restituirte 1. un. C. de in certis personis 6, 48.

9) Vgl. oben Bd. 1. § 63 a. E.

§ 77. Die Willenserklärung.

1. Bezüglich der Willenserklärung besteht ein tiefgreifender Unterschied zwischen dem klassischen und dem justinianischen Rechte.

In der alten Zeit knüpfte sich die Honorirung im Testamente an bestimmte Formeln. Insbesondere mußte die Erbeseinsehung mit den Worten,,heres esto" oder ,,heredem esse jubeo" geschehen,1 nicht minder waren die Legate an ihre specifischen Formeln, z. B. „do lego" oder „,damnas esto dare" gebunden.2

Die Vorzüge dieses Systems lagen darin, daß die Wahl der Formel unmittelbar volle Klarheit darüber verbreitete, welche Rechtsstellung der Honorirte erhalten sollte. Aber freilich sezte es voraus, daß die besondere Bedeutung der einzelnen Formeln in dem nationalen Bewußtsein lebte. Seit dies nicht mehr der Fall war, mußte es hart erscheinen, daß der Wille des Erblassers wegen des Vergreifens in unverstandenen Formeln hinfällig werde. Jezt verordnete daher Konstantin II., daß jede Erklärung zur Erbeseinsehung genüge, wenn der Wille des Erblassers zu derselben erhelle, und gab ähnliche Bestimmungen für die Vermächtnisse. Daraus mußten sich einschneidende Umgestaltungen des früheren Rechtes nothwendig ergeben.*

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Unter anderem war alter Rechtssaß, daß man aus dem Inhalt einer Bedingung eine Er beseinsehung nicht entnehmen könne, ,,positus in condicione non est positus in dispositione". War z. B. geschrieben: „Wenn mein Bruder nicht mein Erbe sein will, sollen meine Neffen meine Erben sein", so galt der Bruder nicht als er-.

1) Gajus Inst. II § 117: Sollemnis autem institutio haec est: Titius heres esto: sed et illa jam comprobata videtur: Titium heredem esse jubeo: at illa non est comprobata: Titium heredem esse volo: sed et illae a plerisque inprobatae sunt: Titium heredem instituo, item: heredem facio.

2) Oben Bd. 3 § 64.

3) 1. 15 C. de testamentis 6, 23. Constantinus ad populum: Quoniam indignum est ob inanem observationem irritas fieri tabulas et judicia mortuorum, placuit ademptis his, quorum imaginarius usus est institutioni heredis verborum non esse necessariam observantiam utrum imperativis et directis verbis fiat an inflexa. Nec enim interest, si dicatur „heredem facio" vel instituo" vel volo" vel „mando" vel „cupio" vel „esto" vel „erit" sed quibuslibet confecta sententiis, quolibet loquendi genere formata institutio valeat, si modo per eam liquebit voluntatis intentio, nec necessaria sint momenta verborum, quae forte seminecis et balbutiens lingua profudit. a. 339. Die Verordnung gehört den Söhnen Konstantins M. an, nach J. Gothofredus dem Konstantius, vgl. Krüger zu dieser Stelle.

4) 1. 21 C. de legatis 6, 37, ursprünglich ein Bestandtheil der in 1. 15 C. de testamentis oben Anm. 3 benußten Verordnung Konstantins.

Dernburg, Pandekten. III.

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nannt. Das ist veraltet, denn jede, auch die indirekt ausgesprochene Erbeseinsehung genügt."

2. Bezüglich der Bezeichnung der Person des Honorirten und des ihm zugewandten waltete schon seit der klassischen Zeit Freiheit, so daß insbesondere der Honorirte nicht mit Namen genannt sein muß, vielmehr beliebig bezeichnet sein kann."

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3. Falsche Bezeichnungen - falsa demonstratio - schaden nichts,s wenn nur die Identität nicht zweifelhaft ist."

Ist die Identität des Honorirten nicht mit Sicherheit zu er= mitteln, so ist die Verfügung wirkungslos. So namentlich, wenn mehrere gleichen Namen führen und ungewiß bleibt, wer gemeint war. Denn es kann dann keiner darthun, daß er der Honorirte sei. 10

4. Unkräftig ist die Honorirung, wenn sie im Sinne des Testators noch nicht vollendet ist.11

5) 1. 19 D. de her. inst. 28, 5, 1. 16 § 1 in fine D. de vulgari et pup. sust. 28, 6, vgl. freilich 1. 86 D. de her. inst. 28, 5. Für Fideikommisse galt der Saß nicht, vgl. R.G. Bd. 2 S. 113.

6) Viele neuere wollen diese Folge der Verordnung Konstantins nicht aner: kennen. Vgl. aber Vangerow Bd. 2 § 449 Anm. 1, Windscheid Bd. 3 § 546 Anm. 11. Unverständig wäre es natürlich, umgekehrt den Sah als allgemeinen aus zusprechen „positus in condicione est positus in dispositione". Es fragt sich eben, was der Erblasser in concreto gewollt hat.

7) 1. 9 § 8 D. de her. inst. 28, 5 Bloße Bezeichnung durch ein Schimpfwort genügt nicht, z. B. der Spizbube von meinem Neffen. Es wäre wenig an ständig für einen der Neffen, das Prädikat für sich in Anspruch zu nehmen, noch schlimmer, wenn eine Konkurrenz mehrerer um dasselbe einträte.

8) falsa demonstratio non nocet" § 30 J. de legatis 2, 20, 1. 49 § 3 D. de her. inst. 28, 5, 1. 33 pr. 1. 72 § 8 D. de cond. et dem. 35, 1.

9) 1. 4 C. de testamentis 6, 23, 1. 7 § 1 C. de legatis 6, 37, § 29 J. de legatis 2, 20. Nach 1. 7 § 2 D. de suppellect. leg. 33, 10, 1. 4 pr. D. de legatis I war freilich erfordert, daß bei Vermächtnissen das nomen appellativum der vermachten Sache korrekt gebraucht werde. Aber auch dies kann der 1. 21 C. de legatis 6, 37 gegenüber keine Geltung mehr beanspruchen. Wenn also z. B. der Erblasser gewohnt war, seinen Weinvorrath „seine Bibliothek“ zu nennen, und er vermacht seine Bibliothek“ einem Zechbruder, während er Bücher überhaupt nicht be sigt, so ist das Vermächtniß des Weinvorraths nach heutigem Rechte gültig. Vgl. übrigens Leonhard, Irrthum S. 330, Eisele in Jherings Jahrb. Bd. 23 S. 18, namentlich S. 38.

10) 1. 10 pr. 1. 28 D. de rebus dubiis 34, 5.

11) Das Testament ist noch nicht zu Stande gekommen, weil es noch unvollständig war - 1. 29 pr. D. de hered. inst. 28, 5 wenn der Erblasser nach einer Erbeseinsehung noch Erben ernennen wollte, ja wenn er vor der beabsichtigten Ernennung von Substituten verstummte, 1. 25 D. de hered. inst. 28, 5. Da gegen ist das bloße Unterlassen der beabsichtigten Zufügung von Vermächtnissen in der Regel nicht geeignet, die Geltung der Erbeseinsehungen in Frage zu stellen. Vangerow Bd. 2 § 433. Wollte der Erblasser erweislich der Erbeseinsehung unmittelbar noch eine Bedingung zufügen und wurde der Testirakt unterbrochen, so ist die Einsehung nichtig, denn die unbedingte Einsetzung war nicht gewollt, die gewollte bedingte ist nicht erklärt. hat aber der Erblasser den Erben „unter später

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