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Das jüngste römische Recht hat mit der Manus völlig gebrochen. Hier giebt es keine eheherrliche Gewalt mehr. Es ist eine Verkennung des historischen Ganges der Dinge, wenn man dies neuerdings geleugnet hat und behauptete, daß auch bei der s. g. freien Ehe eine Gewalt des Ehemannes über die Frau, wenn auch schwächerer Art als bei der alten Manusche, existire.2

Die Ehegatten stehen vielmehr in gegenseitiger, rechtlich anerkannter Abhängigkeit; der Ehemann aber hat die Führung der ehelichen Gemeinschaft.

Dies tritt in folgenden Säßen hervor:

1. Die Ehefrau nimmt den Namen und den Stand des Ehemannes an. Sie behält denselben auch nach Auflösung der Ehe bis zu etwaiger Wiederverheirathung.

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2. Sie theilt im Rechtssinne das Domizil des Ehemannes, auch wenn sie thatsächlich ihren Wohnort anderswo haben sollte. Sie hat ihm zu folgen. Dies selbst, wenn er das Domizil verlegt, sofern ihr nicht besondere Gründe zur Seite stehen."

Der Ehemann hat das interdictum de uxore exhibenda et ducenda gegen Dritte, welche ihm die Frau vorenthalten, und dies auch gegen den Vater der Frau oder deren Mutter."

Gegen die Frau hat der Mann nach römischem Rechte kein Klagerecht, um sie zum gemeinsamen Leben zu zwingen. Wohl aber steht nach gemeinem Rechte jedem Theile eine Klage auf Herstellung des ehelichen Lebens zu.'

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vgl. Gajus I. § 114, kann zur Bestimmung des Grundcharakters der manus kein Gewicht gelegt werden.

2) Brinz Bd. 2 S. 121.

3) 1. 13 C. de dignitatibus 12, 1.

4) 1. 65 D. de judiciis 5, 1, 1. 38 § 3 D. ad munic. 50, 1.

5) Die Frau kann nicht angehalten werden, mit ihrem Manne vagabundirend umherzuziehen. Wenn ihn aber Beruf oder andere gerechte Zwecke nöthigen, seinen Aufenthalt öfter zu wechseln, so hat sie ihm zu folgen. Mit dem Manne auch in fremde Lande zu ziehen, ist die Frau keineswegs unter allen Umständen rechtlich verpflichtet. Hat der Vertrag unter den Ehegatten Geltung, wonach der Mann das ursprüngliche Domicil nicht ohne Zustimmung der Frau verlegen darf? Die Praxis hält solche Verträge überwiegend für gültig, obgleich man sie von rein theoretischem Standpunkte als gegen das Wesen der Ehe gehend beanstandet. Doch werden sie nur mit der Einschränkung anzuerkennen sein, daß in der That berechtigte Interessen der Frau obwalten, z. B. wenn der Mann beim Weibe einfreit", welche ein Geschäft hat, dem er vorstehen soll. Der Vertrag ist nicht bindend, wenn Veränderungen der Umstände die Verlegung des Domicils räthlich machen. Vgl. Pfeiffer, praktische Ausführungen Bd. 5 S. 98.

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6) 1. 2 D. de liberis exhibendis 43, 30, 1. 11 C. de nuptiis 5, 4.

7) Windscheid Bd. 2 § 490 Anm. 2.

8) Vgl. C.P.O. §§ 568 und 774 Abs. 2, R.G. Bd. 6 S. 149, Bd. 5 S. 165, Bb. 15 S. 188.

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3. Die Ehefrau erwirbt dem Manne durch ihre häuslichen und gemeinen Dienste. Selbständiger gewerblicher oder künstlerischer Erwerb dagegen gehört ihr.

4. Nach gemeinrechtlicher Gewohnheit ist der Ehemann zur Alimentirung seiner Frau verbunden. 10

Die väterliche Gewalt über die Tochter erlosch nach römischem Rechte nicht durch deren Verheirathung. Dies ist aber nach gemeinem Rechte der Fall. Dagegen steht die Frau, wenn sie minderjährig ist, trog ihrer Verheirathung unter Vormundschaft.

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4. Erfordernisse sind der von beiden Seiten erklärte Wille, die Handlungsfähigkeit der Verlobten im allgemeinen 5 und deren Fähigkeit,

9) 1. 48 pr. D. de operis libertorum 38, 1. Es ist dies gemeine Praxis. 10) Ein klagbarer Anspruch der Frau gegen den Mann auf standesmäßigen Unterhalt wird von Theorie Windscheid Bd. 2 § 491- und Praxis anerkannt, obgleich er sich aus den römischen Quellen nicht begründen läßt.

1) Die Lehre von der Eingehung und Auflösung der Ehe wird meist nicht in den Pandekten, sondern im Kirchenrecht behandelt. Hierfür bestehen historische Gründe. Das heutige Recht kommt aber hierdurch in ein schiefes Licht. Eine gedrängte Behandlung ist zudem kaum zu entbehren, wenn eine Totalanschauung des wichtigen Institutes der Ehe gewonnen werden soll.

2) 1. 1 D. de sponsalibus 23, 1. Florentinus libro 3 institutionum: Sponsalia sunt mentio et repromissio nuptiarum futurarum. Mommsen_ ad h. 1. liest ftatt mentio" "conventio". Was soll aber die repromissio noch außer der conventio! Mentio deutet wohl auf die Werbung, welche durch Botschaft des Freiwerbers zu geschehen pflegte, und repromissio auf die Zusage der Braut beziehungsweise des Brautvaters. Ueber andere Erklärungen siehe Glück Bd. 22 S. 377. 3) Nach kanonischem Rechte unterschied man sponsalia de futuro und sponsalia de praesenti die Ehe.

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Verlöbniß

4) Die Verlobung muß eine bestimmte Person betreffen. Aeußert jemand zu drei Schwestern den Willen, eine von ihnen zu heirathen, so entsteht kein Verlöbniß, auch wenn eine oder alle das Jawort geben. Glück Bd. 22 S. 444.

5) Die Bestimmung der 1. 14 D. de sponsalibus 23, 1, wonach Kinder vom 7. Jahre an gültig verlobt werden konnten, wurde durch das kanonische Recht fest=

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wenigstens fünftig die Ehe mit einander einzugehen, endlich der Konsens der Eltern und Vormünder, sofern deren Einwilligung zum Abschlusse der Ehe gesetzlich einzuholen ist."

1. Ein wichtiges Problem ist die Frage der Form. Vieles spricht dafür, durch eine bestimmte Form das crnste Verlöbniß von bloßem Getändel abzuheben. Wo aber das Gesez eine Form verlangt, welche feinen festen Halt in der Volkssitte hat, werden die Formvorschriften bei Verlöbnissen, die auf Vertrauen beruhen, leicht unbeachtet bleiben.

In Rom geschahen die Verlöbnisse formlos; sie sind es nach gemeinem Rechte geblieben. Dagegen war die Beobachtung von Formen alte deutsche Rechtssitte und ist noch jezt vielfach in Partikularrechten Bedingung der Rechtsgültigkeit. Doch auch im Gebiete dieser Rechte find formlose Verlöbnisse häufig und bilden enge soziale und ethische Verhältnisse im Begriff der Verlobten und nach der öffentlichen Meinung. Soweit die Reichsgesetzgebung auf Verlöbnisse Bezug nimmt, sind daher solche formlose Verlöbnisse mitbetroffen. 10

2. Die Hauptfrage des Verlöbnißrechtes ist, ob und inwieweit die Erfüllung des Verlöbnisses staatlich erzwungen wird, und ob ein Entschädigungsanspruch aus dem Bruche des Verlöbnisses erwächst?

In dieser Hinsicht ist die Grundanschauung des römischen und des heutigen Rechtes verschieden.

Das klassische römische Recht verwarf jeden Zwang zur Vollziehung der Ehe 11 und gewährte dem verlassenen Theile auch keine Entschädigungsansprüche. Ja man erklärte sogar die auf den Bruch des Verlöbnisses gesezte Konventionalstrafe, als gegen die guten Sitten verstoßend, für nichtig.12 Denn die Ehe sollte Sache völlig freien Entschlusses sein. Gleichwohl ließ man später die Bekräftigung der Verlöbnisse durch

gehalten, cap. 4 X. de desponsatione impuberum 4, 2. Sie wird aber gleichwohl von manchen nicht ohne Grund für unpraktisch erachtet. Siehe Glück a. a. D. S. 419 Anm. 98.

6) 1. 9, l. 14, l. 16 D. de spons. 23, 1.

7) Dies Princip spricht die 1. 7 § 1 D. de sponsalibus 23, 1 aus. In Rom war hiernach der Konsens des paterfamilias der Verlobten nöthig. Derzeit ist das Reichsgesetz vom 6. Februar 1875 § 29 maßgebend.

8) 1. 4 pr. § 1, 1. 7 pr. D. de sponsalibus 23, 1.

9) Ueber die Geschichte des deutschen Verlöbnisses besteht eine reiche Litteratur. Vgl. namentlich Sohm, Eheschließung 1875; Friedberg, Verlobung und Trauung 1876, und Sohm, Trauung und Verlobung 1876.

10) Auf Verlöbnisse nimmt unter anderem Bezug: Strafgesetzbuch § 52 Abs. 2 und § 247, ferner Strafprozeßordnung § 51 Ziff. 1, § 57. Vgl. R.G in Strafsachen Bd. 10 S. 117.

11) 1. 1 C. de sponsalibus 5, 1.

12) 1. 134 pr. D. de V. O. 45, 1, 1. 2 C. de inutilibus stipulationibus 8, 38.

Arra zu. Der Geber der Arra, welcher an dem Nichtzustandekommen des Verlöbnisses die Schuld hatte, verlor sie, der Empfänger in Schuld hatte sie in doppeltem Betrage zu restituiren. 18 Die Strafe des Doppelten ist dem gemeinen Rechte fremd.

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Das gemeine Recht geht davon aus, daß der Rücktritt vom VerLöbniß nur aus guten Gründen zulässig sei.14 Der ohne solche Gründe Verlassene erhält gemäß kanonischen Rechtes 15 die actio matrimonialis oder ex sponsu.

Sie erstrebte nach altem gemeinen Rechte die zwangsweise Abschließung der Ehe, wobei man selbst vor einer Zwangskopulation nicht zurückschreckte. 16

Derzeit führt sie äußerstenfalls nur zur Entschädigung des grundlos Verlassenen. 17

3. Geschenke unter Verlobten sind zurückzuerstatten, wenn die Ehe nicht zu Stande fommt.18

Geschenke an die Braut verbleiben jedoch der Braut, sowie ihren Erben zur Hälfte, wenn das Verlöbniß durch den Tod eines der Verlobten vereitelt wird. Dies galt in Rom nur für Verlöbnisse, die durch einen Kuß besiegelt waren; 19 gemeinrechtlich gilt es für alle Verlöbnisse.20

13) 1. 5 C. de sponsalibus 5, 1.

14) Scheurl a. a. D. S. 386.

15) Vgl. die bei Schulte, Lehrbuch § 157 Anm. 15 angeführten Stellen.

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16) Böhmer, jus eccl. prot. tom. III L. IV T. I § 54, berichtet von einer Zwangskopulation, bei welcher der Verurtheilte sein Jawort nicht geben wollen, sondern sich vielmehr mit dem Bauch zur Erden gelegt und seinen Widerwillen beharrlich kontestiret". Es wurde gleichwohl fortgefahren und sein Konsens supplirt. Auch Erekutivstrafen durch Geld und Gefängniß kamen vor.

17) Als das angemessene ist anzusehen: Erstens es findet kein Zwang zur Eingehung der Ehe statt; zweitens, wer schuldhafterweise ein Verlöbniß bricht, hat den unschuldigen Theil schadlos zu halten. Dabei ist es billig, nicht bloß vergebliche Auslagen, welche der Kläger in Folge des Verlöbnisses aufgewendet hat, und die geminderte Aussicht der verlassenen Braut auf eheliche Versorgung in Betracht zu ziehen, sondern auch Genugthuung zu geben für den Kummer und die Schande, welche dem Verlassenen durch den Bruch des Verlöbnisses erwächst. Einer solchen Lösung neigt das gemeine Recht zu, ohne sie principiell zu proklamiren. Direkt auf Entschädigung kann der Verlobte nämlich nur klagen, wenn sich der Beklagte durch eine Heirath in die Unmöglichkeit versezt hat, die Ehe mit dem Kläger zu schließen. Hiervon abgesehen, läßt man nur Klage auf Abschluß der Ehe zu, wozu sich der flagende Verlobte seinerseits bereit erklären muß. Wenn dann der Beklagte die Ehe ablehnt, kommt es auch in diesem Falle zur Verurtheilung auf Entschädigung. Diese selbst wird nicht selten kärglich bemessen. Richtig ist nur, daß der Gewinn, welcher dem Kläger durch Erbschaften im Falle der Ehe mit dem Beklagten möglicherweise zugekommen wäre, nicht in Betracht gezogen wird. Etwaige Konventionalstrafen auf den Fall des Bruches des Verlöbnisses sind heutzutage klagbar, wenn der Promittent am Bruch des Verlöbnisses schuld ist, dagegen sind sie auch heute ohne Kraft, wenn der Prommittent aus guten Gründen zurücktrat.

18) 1. 16 C. de donationibus ante nuptias 5, 3.

19) Warum soviel Gewicht auf einen bloßen Kuß legen! Viele nehmen an,

§ 8. Die Form der Eheschließung.

Dem römischen Rechte genügte zur Eingehung der Ehe der Ehekonsens, d. h. der beiderseits erklärte Wille in den Ehestand zu treten. An eine Form war die Erklärung nicht gebunden, wenn auch meist die Ehe unter Feierlichkeiten eingegangen wurde. Die Einführung der Braut in das Haus des abwesenden Bräutigams als Hausfrau war daher zum Abschluß der Ehe ausreichend.1

Der bloße Ehekonsens reichte auch nach älterem kanonischen Rechte aus.2

Erst das tridentinische Koncil schrieb eine Form vor, nämlich die Erklärung der Eheschließung durch die Verlobten vor dem eigenen Pfarrer eines derselben und vor zwei Zeugen. In ähnlicher Weise verlangte die Sitte bei den Protestanten die Kopulation durch den Pfarrer.3

Das Reichsgesetz vom 6. Februar 1875 verweltlichte die Form. Hiernach ist wesentlich die persönliche Erklärung des Willens, sich mit einander zu verehelichen, durch die Nupturienten vor dem Standesbeamten in Gegenwart von zwei Zeugen und die mündliche Konstatirung des Eheschlusses durch den Standesbeamten.4 5

in Spanien habe ein besonderes Recht bezüglich des Kusses bestanden, welches in der citirten, an den vicarius Hispaniarum erlassenen Verordnung Anerkennung fände. So namentlich Spangenberg, Erörterungen I n. 9 und im Archiv für civ. Praxis Bd. 12 S. 269; Arndts 13. Aufl. § 413 Anm. 2. Es scheint aber, wie aus dem römisch-syrischen Rechtsbuch von Bruns und Sachau S 269 hervorgeht, in der antiken Welt allgemein ein Unterschied bestanden zu haben zwischen Verlobungen, bei welchen fich die Verlobten nicht früher als bei der Hochzeit kennen lernten, und Verlöbnissen, welche persönlich abgeschlossen wurden und die natürlich dann auch durch einen Kuß besiegelt wurden. Solche Verlöbnisse, bei welchen sich die Verlobten menschlich nahe getreten waren, hatten natürlich eine andere Bedeutung als die ersteren.

20) Die deutsche Praxis hat nie den Beweis des Kusses unter den Verlobten gefordert, den Kuß vielmehr „präsumirt“.

1) 1. 15 D. de condit. et dem. 35, 1. Ulpianus libro 35 ad Sabinum: Cui fuerit sub hac condicione legatum,,si in familia nupsisset" videtur impleta condicio statim atque ducta est uxor quamvis nondum in cubiculum mariti venerit, nuptias enim non concubitus, sed consensus facit 1. 5-7 D. de ritu nuptiarum 23, 2. Hafse, Güterrecht S. 96; Scheurl a. a. D. S. 40.

2) Vgl. Schulte, Lehrbuch des Kirchenrechts § 159. Bloßer Konsens genügt der katholischen Kirche noch heute für die Eheschließung in Territorien, in denen das Tridentinum nicht publicirt ist; zum Theil auch bei gemischten Ehen.

3) conc. Trident. sessio XXIV cap. 1. hinreichend ist jede Assistenz des Pfarrers, auch wenn sie erzwungen sein sollte.

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4) Reichsgesetz vom 6. Februar 1875 § 52. Keine Bedingung der Gültigkeit ist, daß der Standesbeamte der zuständige war. Es ist aber nothwendig, daß er innerhalb seines Amtsdistriktes fungirte. Wesentlich ist die Zuziehung von 2 Zeugen, welche fähig sind, das Verhandelte zu beobachten und zu verstehen. Sie sollen

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