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Wir wenden uns nun zu dem andern seltenen Falle, wo Jemand das Uebel, welches sonst in einer bestimmten Strafe liegt, als einen Vortheil für sich betrachtet, den er sich zu verschaffen strebt, und als dessen Mittel ihm das Verbrechen dienen soll, welches, wie er weiß oder glaubt, mit solcher gefeßlicher Folge verbunden ist. Seltener wird dieser Fall seyn, nicht nur, weil es einer besondern Gemüthsstimmung und Ansicht, besonderer Vorausseßungen in dem Subjekt bedarf, wenn Jemand, nicht wie in dem vorigen Fall das Vers brechen will, und nur die Strafe nicht scheut, sondern lettere suchte und ersteres nur begehen will, um seinen Zweck sicher zu erreichen, sondern auch deßhalb, weil es leicht andere Mittel giebt, die sich dem Subjekt darbieten, um dieselbe Folge für sich zu begründen, die er vermittelst der Strafgerechtig keit herbeiführen konnte. 3. B. wenn Jemand seines Lebens überdrüßig måre, wo der Selbstmord sicherer und auf jeden Fall schneller zum Ziele führt, als die Bewirkung der LebensVernichtung durch die strafende Gerechtigkeit. 14 b) Nun 14b) blieben freilich noch andere Fålle übrig, wo dem Individuum die Strafe, als eine Wohlthat, nicht im früher erwähn= ten Sinn der Moral, sondern in einem mehr äußerlichen, erscheinen kann, und er außer Stande ist, sie sich auf anderm Wege zu verschaffen, z. B. wenn ihm die Aufnahme in eine human eingerichtetete Gefangen-Anstalt, um seines LebensTM

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14b.) Der Selbstanklåger aus Lebensüberdruß und falschen Religionsbegriffen in Hißigs An nalen, 3. Hft. pag. 115 117. Jemand hatte sich (im Französischen) des Mordes schuldig angegeben. Indicten was ren gegen ihn, dennnoch war er ganz unschuldig. Er bekannte spåter er habe sich verurtheilen lassen, sich ein Verdienst vor Gott zu erwerben, er sey zwar ein großer Sünder, diesen Mord aber habe er nicht begangen. Er sey des Lebens műbe gewesen, und da es verboten sey, sich selbst ums Leben zu brins gen, so habe er sich dasselbe durch das Gericht absprechen lassen wollen." Ein ähnliches Raisonnement über das Verhältniß des unmittelbaren Selbstmordes zu dem auf diese andere Weise bes absichtigten s. in Klein's Annalen No.1.

Unterhalts willen, als ein Vortheil, gegenüber seinem bigherigen äußeren Lebenswandel, seiner Noth und Furcht vor Gefahren, wünschenswerth ist. Die Bewirkung dieser bei den Folgen Tod oder Versorgung ist es, worauf sich die Möglichkeit beschrånken wird, daß Jemand das Strafübel als Gut ansieht. Bei andern Urten z. B. den Ehrenstra= fen, körperlichen Züchtigungen, gänzlicher oder theilweiser Entziehung des Vermögens, wird sich der Fall nicht ereig= nen: daher sind auch vorzugsweise jene beiden Fälle von denen berücksichtigt, welche die Nothwendigkeit einer Strafverwandlung behaupten. Dennoch können unter Umstån= den, und mit Rücksicht auf bestimmte Verhältnisse des öffentlichen Rechts auch Strafübel anderer Art, von Jemand so gewünscht werden, daß er, bei einer Geneigtheit zum Gesetzs widrigen überhaupt, um ihrer theilhaftig zu werden, eine ftrafbare Handlung sich zu Schulden kommen läßt. Nehmen. wir an, Jemand, des Lebens in seinem Geburtsland überdrüßig, habe Luft sich nach einer Kolonie deportiren zu lassen, oder ein Individuum, dem die begonnene Ableistung feiner militairischen Verpflichtung låstig ist, welchem kein anderes Mittel zu Gebote stehe, sich von derselben frei zu machen, verübte eine Handlung, die, nach den militairischen Gesetzen, mit Ausstoßung aus dem Soldatenstande geahndet werden foll! Diese Fälle wollen wir gleich entscheiden, weil sie nicht wenig dazu beitragen, den richtigen Gesichtspunkt der Sache zu bestårken. In der Nöthigung zum Aufenthalt in einer Verbrecher-Kolonie (wir denken hier zunächst an diese Strafe, wie sie nach englischen Geseßen üblich ist), liegt ein Uebel, weil sie, wie die Strafe überhaupt 3wang, und Folge eines Verbrechens ist; sie hat aber unter andern noch zwei andere Seiten, wonach fie für die bürgerliche Gesellschaft und den Stråfling selbst einen Vortheil bewirken soll, nehmlich jene foll durch die Entfernung des Frevlers gesichert, und wenn er einst gebessert ist, eines brauchbaren Mitgliedes wiederum theilhaftig werden: dieser selbst soll zum Nußen der Gesell= schaft und zu seinem eignen Frommen wo möglich gebessert

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werden. Hålt nun Jemand ausnahmsweise diesen Vortheil so hoch, daß er, um ihn zu erreichen, sich nicht scheut, ein Verbrechen zu verüben, soll nun deshalb, weil er die wirklich, aber mittelbar vortheilhafte Anstalt, nicht als Uebel betrachtet, sie in Beziehung auf ihn nicht zur Anwendung kommen, da man doch aus seinem Benehmen ersicht, daß er der Befferung durch dieselbe recht bedarf, und daß geradë hier kein dringenderer Grund, als in andern Fållen obwaltet, ein Mißlingen zu fürchten? Sollen die Vortheile für die Gesellschaft, die zugleich bei dieser Strafart beabsichtigt sind, durch die Zufälligkeit der Ansicht des Individuums, aufgeho= ben werden? Die Ausstoßung aus dem Soldatenstande zur Strafe wegen Vergehen, ist eine entehrende ́Strafe für den Unwürdigen, aber sie soll auch zur Aufrechthaltung der Würde eines Standes dienen, der noch in höherm Grade als an= dere dem öffentlichen Dienst fich widmende Stånde, durch dußere Ehre für viele Beschwerden entschädigt werden soll. Wenn nun, nach dem eben Bemerkten, diese Art, den Be= schwerden des Dienstes zu entgehen, für Jemand kein Uebel ist, sondern vielmehr der Zweck seiner verbrecherischen Handlung, soll deshalb, nach der Meinung der Gegner, damit er nicht Vortheil von seiner Handlung habe, er, gegen das Gefet, und gegen die Ehre der Uebrigen, fortwährend im Dienst behalten werden? Hat diese Maaßregel nicht auch Bezie= hung auf die einzelnen Kameraden, die Ehre der Genossenschaft, das Besen des Dienstes ? Und, wenn ihn, wie andere, das Uebel verachtende Stråflinge, die Schande seiner That und Strafe trift, so ist das Uebel, so weit es erfordert wird, nicht vereitelt, und es bleibt im Uebrigen ganz zufällig, ob er mit den Folgen seiner That zufrieden ist, oder nicht.

Kehren wir aber zurück zu der allgemeinen Betrach= tung der Fälle dieser Art. Der Hauptgrund, warum feltener die Frage vorkommt, wie es zu halten sey, wenn Jemand die Strafe als Wohlthat ansieht, liegt darin, daß demjeni= gen, der nicht ganz schecht geworden ist, die Strafe über

haupt, schon darum, weil sie Folge des Verbrechens ist, als Uebel, als Gegenstand der Vermeidung erscheint, und sich also doch nicht so leicht Jemand blos deshalb zum Verbrechen entschließen wird, weil er dessen Folge wünscht. Wer sich nach dem Ende seiner Tage sehnt, verlangt doch nicht den Tod des Verbrechers, und wünscht nicht die Brandmar kung seines Gedächtnisses, der Dürftige, trågt leichter seine Bürde, als daß er mit Nichtswürdigen in Gemeinschaft, ein vielleicht minder beschwerliches Leben zu führen geneigt wåre! Aber, wenn es dennoch der Fall ist? Man muß annehmen, was die tägliche Erfahrung lehrt, daß die Furcht vor dem Strafübel, keineswegs abschreckend genug sich außert, denn es werden immer Verbrechen began= /gen, umgekehrt, wenn andere und bessere Gründe die mei sten Menschen von Gesehübertretungen abhalten, kann man sich auch beruhigen, es werde Jemand dadurch allein noch nicht zum Verbrecher werden, daß ihm dasjenige Gegenstand feiner Wünsche ist, was die Geseze als Mittel der Ahndung ihrer Verlegung aufgestellt haben. Ist aber Jemand so weit entfernt von dem Wege der Rechtlichkeit, daß ihn nicht, wie den andern Verbrechern, die Handlung selbst Gegenstand seines f. g. Begehrungs-Vermögens war, sondern nur das gleichgültige Mittel eines andern Zweckes, so kann man sich wohl zuweilen in Verlegenheit befinden, und hiercam leichteften auf die Nothwendigkeit einer Ausnahme kommen. Det Sinn dieser Ausnahme, wie sie behauptet wird, ist zwar keineswegs der, daß der Schuldige nun straflos, oder minder strafbar seyn solle, man will ein equivalent für die gesetzt liche, hier angeblich unanwendbare Strafart, ja wohl gar eine Schårfung; allein," sofern man die Todesstrafe für die schwerste hålt, und mit Recht 15) erhålt es den Anfchein, als låge in der Strafverwandlung zugleich eine Milderung, und dies ist besonders zu beachten, wegen des hier leicht mögli=

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15) Feuerbach Bibliothek des peinl. Rechts. Band II, St. L. No. 4.

chen Mißbrauchs, dem jene Theorie, welche die Verwandlung der beabsichtigten Todesstrafe in eine andere, die Freiheit beschränkende, zuläßt, ausgeseßt ist. Die Verlegenheit, deren wir gedacht haben, findet sich nehmlich bei den Vertheidigern der Theorieen, welche die Strafe hauptsächlich als Mittel eines bestimmten Zwecks betrachten, zu dessen Erreichung sie die Eigenschaft derselben als eines Lebels für den Einzelnen, auch in dem engsten Sinn fordern, in welchem nach unserer bisher ausgeführten Ansicht sie keineswegs dieses allgemein zu seyn braucht, obgleich sie es meist seyn wird. Also, wenn durch Androhung, Warnung, s. g. psychologi= schen Zwang, oder wenn durch die Vollstreckung, mittelst Prävention 2c. der Wille des gefährlich gewesenen Subjekts, von künftigen Gefeßübertretungen abgehalten werden soll, welche Wirkung, fragt man dann, soll von einer angekündigten Folge der Uebertretung erwartet werden, die der Mensch nicht zu meiden, sondern zu erstreben sucht? Ist es hier nicht zweckmäßig, dem Richter zu erlauben, durch eine im besondern Fall vorzunehmende Strafverwandlung, den Mangel der Gesetzgebung zu ergänzen, die in Berücksichtigung solcher ausnahmsweisen Möglichkeit dafür håtte sorgen sollen, daß jeder wisse, er werde in diesem Falle seine Absicht nicht erreichen, sondern in der Strafe, ein von ihm gefürchtetes Uebel, erleiden. Aber, haben denn in den andern Fållen, wo Jemand die Strafe nicht als einen Vortheil suchte, und das Verbrechen beging, diese Theorieen ihren Zweck erreicht? Und wenn sie auch auf andere, als den Verbrecher, ihren Zweck beziehen, läßt sich daraus allein die Rechtmäßig= keit der Abweichung darthun? Man mag es bedauern, wenn die Gesetzgebung in der Wahl der Strafübel nicht mit der ge= hörigen Umsicht vorging, aber wie ihre Bestimmungen ge= troffen sind, muß sie der Richter anwenden, da sie durch die ihm vorgeschriebenen Bestimmungen ihre Zwecke glaubt er reichen zu können, und ihm nicht das Recht zusteht, sich hier an die Stelle des Gesetzgebers zu sehen, denn es ist die Rede von dem Falle, wo das Strafgeset seiner eignen Thätigkeit

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