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Das Vermögen zu denken kann keine Eigenschaft von dieser Art seyn: denn alle seine Eigens schaften find offenbar Wirkungen des Denkvermögens, oder feßen dasselbe voraus. Die Zusammensetzung und Anordnung der Theile erfordert ein Vergleichen und Gegeneinanderhalten dieser Theile; und die Erscheinungen sind nicht sowohl in den Sachen außer uns, als in unserer VorStellung anzutreffen. Beide Arten find also Wirkungen der Seele, und können das Wesen derselben nicht ausmachen. Daher kann aus undenkenden Tbeilen kein denkendes Ganzes zusammenge= fegt werden.

Auch der andere Theil des Beweises erfor derte eine weitere Ausführung. Es hat Weltwei se gegeben, die den Atomen der Körper dunkle Begriffe zugeschrieben, woraus denn, ihrer Meinung nach, in dem Ganzen klare und deutliche Begriffe entspringen. Hier war zu beweisen, daß dieses unmöglich sey, und daß wenigstens einer von diesen Atomen so deutliche, so klare, so les bendige u. f. w. Begriffe haben müßte, als der ganze Mensch. Ich benugte zu diesem Behufe den Saz, den Hr. Ploucquet so schön ausge-. führt: daß viele geringere; Grade z uz sammen keinen stärkern Grad ausmachen. Es giebt nehmlich eine Größe der

Menge (quantitas extensiva), die in der Menge der Theile besteht, aus welcher sie zusam mengesezt ist; und eine Größe der Kraft (quantitas intensiva), die auch Grad genannt wird. Wenn mehrere Theile hinzukommen, so nimmt die Größe der erstern Art zu; aber der Grad erfordert eine innerliche Verstärkung, keine größere Ausbreitung. Man gieße lauliches Waffer zu laulichem Waffer; so wird die Menge des Waffers, aber nicht der Grad der Wärme vers mehrt. Viele Körper, die sich mit einer gleichen Geschwindigkeit bewegen, machen, wenn sie zu= sammenhaugen, eine größere Masse, aber keine größere Geschwindigkeit aus. Der Grad ist in jedem Theile so groß, als in dem Ganzen, daher kann die Menge der Theile den Grad nicht veräns dern. Wenn dieses geschehen soll; so müssen die Wirkungen der Menge in Eine conzentrirt wers den, da denn an innerer Stärke so viel gewonnen werden kann, als die Ausdehnung abgenommen hat. So können viele schwache Lichter eine Stelle stärker beleuchten, viele Brennspiegel einen Körper stärker in Brand segen. Je mehr Merkmaale ein und eben daffelbe Subject an einem Gegenstande wahrnimmt, desto klarer wird die Borstellung dieses Subjects von diesem Gegenz stande. Es folgt hieraus sehr natürlich, daß alle

dunkle Begriffe der neben einander seyenden Atos men zusammen keinen deutlichen, ja nicht einmal einen minder dunkeln Begriff ausmachen können, wenn sie nicht in einem Subjecte conzentrirt, von eben demselben einfachen Wesen gesammelt und gleichsam übersehen werden.

Die mehrsten Gründe meines dritten Gesprächs sind aus Baumgartens Metaphyfik und Reimarus vornehmsten Wahrheiten der natürlichen Religion ents lehnt. Von den Beweise aus der Harmonie unserer Pflichten und Rechte habe ich bereits in dem Vorberichte erinnert, daß ich ihn noch nirgend gefunden habe. Ich sehe dabei voraus, daß die Todesstrafen in gewiffen Fällen Rechtens find. Nun scheint aber der Marquis Beccaria, in feiner Abhandlung von den Verbrechen und Strafen, diesen Sag in Zweifel zu ziehen. Da dieser Weltweise der Meinung ist, daß sich das Recht zu strafen einzig auf den gesells schaftlichen Vertrag gründe, woraus denn die Unrechtmäßigkeit der Todesstrafen freilich folgt; so habe ich die Meinung selbst, in dieser Auflage, in einer Anmerkung (S. 203) zu widerlegen gesucht. Der Marquis selbst kann fich nicht entbrechen, die Todesstrafe in einigen Fällen für unvermeidlich zu halten. Er will zwar

eine Art von Nothrecht daraus machen; allein das Nothrecht muß sich auf eine natürliche Bes fugniß gründen, sonst ist es bloße Gewaltthätigkeit. überhaupt ist wohl der Sag nicht in Zweis fel zu ziehen, daß alle Verträge in der Welt kein neues Recht erzeugen; sondern unvollkommene Rechte in vollkommene verwandeln. Wenn also die Befugniß zu strafen nicht in dem Rechte der Natur gegründet wäre; so könnte solche durch keinen Vertrag hervorgebracht werden. Gesezt aber, das Recht zu strafen sey, ohne Vertrag, ein unvollkommenes Recht, wiewohl ich dieses für ungereimt halte; so verliert mein Beweis dens noch nichts von seiner Bündigkeit: denn vor dem Richterstuhle des Gewissens sind die unvollkommenen Rechte eben so kräftig, die unvollkommes nen Pflichten eben so verbindlich, als die vollskommenen. Ein unvollkommenes Recht, iemanden am Leben zu strafen, sest wenigstens eine unvolls kommene Obliegenheit voraus, diese Strafe zu leiden. Diese Obliegenheit wäre aber ungereimt, wean unsere Seele nicht unsterblich wäre.

*) In der Neuen Bibliothek der Schönen Wissenschaften (B. VI.) fins det sich eine ausführliche Anzeige und Beurtheilung

*) (Was nun folgt, ist erst in der dritten Auflage hinzugeset worden. Man f. die Einleitung S. XXI.)

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des Phädons, die vortrefliche Anmerkungen ens thält. Die Gedanken über den philosophischen Dialog, die der Recensent vorausschickt, können zum Muster dienen, wie ein Kunstrichter sich als Sachverständigen rechtfertigen sollte, bevor er meistert. Daselbst wird wider den Beweis von der Eollision der Pflichten erinnert, daß er einen Zirkel enthalte.,, Daß es eine Pflicht sey, wird gefagt (S. 331), für irgend jemanden der Erhal tung unsers Lebens zu entsagen, wiffen wir ja nirs gend anders her, als weil wir höhere Endzwecke als das Leben zu kennen glauben; würde dieses als ein Irrthum bewiesen, so fielen jene Pflichten weg, und mit ihnen zugleich der Widerspruch. Ich glaube hiedurch auf keinerlei Weise widerlegt zu feyn. Der Beweis kann verschiedene Wege nehmen, die ohne Zirkel zum Ziele führen. Einmal gehe man von der Berbindlichkeit zum geselligen Leben aus. Diese kann unabhängig von der Unsterblichkeit. der Seele erwiesen werden, gründet sich also, wie alle moralische Wahrheiten, auf metaphysische Säge. Der Ausführung hievon wird man mich hoffent lich überheben, da sie mich offenbar zu weit führen würde, und diese Säße von andern schon hinlänglich bearbeitet worden sind. Nun kann keine menschliche Gesellschaft bestehen, wenn das Ganze nicht in gewiffen Fällen das Recht hat, das Leben

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