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Athene nach dem homerischen Mythos aus dem Haupte des Zeus emporgestiegen, so lässt sie dennoch ein anderer Mythos von dem Autochthonen Alalkomenos auferziehen (тρaqñvaι héуovor) 1). Der Gott Pan war von den Nymphen, vorzüglich von der Sinoe ernährt und gepflegt worden 2). Ueberall treten die Nymphen in solcher Function als Vermittlerinnen ein, nehmen die neugebornen Götter und Göttinnen auf, und gewähren ihnen die erste Pflege. Hiermit scheint das Prädikat derselben 'Oμnvía in Verbindung gebracht werden zu müssen 3). So stehen die Nymphen als holde, Gedeihen und Wachsthum spendende Wesen zwischen der Götter- und Menschenwelt. Sie selbst ehlichen Söhne der Flussgötter, belehren und bilden ihre Lieblinge unter den Sterblichen, verbreiten Cultur und sind überall die segnenden, heilbringenden Potenzen, eben so weit von der Majestät nnd Macht der höheren Gottheiten, als von der Ohnmacht und Bedürftigkeit der Menschen entfernt. Allein von einem Unterrichte, welchen sie den jungen Gottheiten gewährt hätten, ist nirgend die Rede. Der neugeborne Apollon, welchem Themis Nectar und Ambrosia gereicht, erwählt sich sogleich seinen Beruf, Lyra und Bogen, ohne Unterricht erhalten zu haben 4). Die Gabe der Weissagung hat ihm Zeus verliehen 5). So verstehet es Hermes sogleich das von ihm gefertigte Saiteninstrument zum Spiel zu gebrauchen und ertheilt selbst dem Apollon darin Unterricht, welcher aber nur das Werk eines Augenblickes ist. Er ist sogleich vollendet und die Kunst begriffen 6). So hat der Mythos als ein äusserliches jedoch nothwendiges Moment nur das Toqo aus dem Bereiche des Irdischen auf die Götterwelt übertragen, ohne jedoch die eigentliche Erziehung und Bildung durch Unterricht zur Bedingung zu machen. Die göttliche Urkraft bedarf solcher dem Sterblichen nöthigen Hülfsmittel nicht. Sie

wird sie bei Apollon Rhod. III, 861. genannt. Vgl. Diodor. V, 72., wo sie zugleich τὴν τῶν νηπίων παιδίων θεραπείαν καὶ τροφάς τινας ἁρμαζούσας τῇ φύσει τῶν βρεφῶν ausübt.

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4) Hymnus auf Apollon v. 130 ff.

5) Hom. Hymn. auf Hermes v. 471.

*) Hom. Hymnus auf Herm. 465. 474.: σοί δ' αὐτάγρετόν ἐστι δαή

μέναι,

ὅττι μενοινᾷς. Vgl. v. 501 f.

Krause, Geschichte d. Erz.

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entfaltet sich sogleich mit dem Eintritt in den organischen Leib, welcher ihr nur als symbolische Hülle dient 1).

§. 2.

Anderer Art und von anderem Inhalte ist der Mythos, wenn es sich um Göttersprösslinge handelt, von sterblichen Frauen erzeugt, obwohl auch hier nicht selten Nymphen, Horen und andere weibliche ernährende Gottheiten hinzutreten. Den Aristãos, den stattlichen Sprössling des Apollon und der Kyrene, soll Hermes den Horen und der Gäa bringen, damit sie ihm Nectar und Ambrosia reichen und Unsterblichkeit verleihen mögen 2). Dagegen wird Herakles von der Alkmene, ganz einfach wie ein gewöhnlicher Anakten-Sohn ohne göttliche Beihülfe auferzogen, wovon uns Theokritos ein anmuthiges, jedenfalls älteren Mythen und Dichtungen entlehntes Gemälde entworfen hat 3). Mit seinem Zwillingsbruder Iphikles wird er von der zärtlichen Mutter auf einen ehernen Schild gelegt und durch ein Wiegenlied zum Schlafen gebracht. Als er in das Knabenalter getreten, ertheilen ihm laut des Mythos Linos und Eumolpos Unterricht in dem,

1) Wenn aber dennoch hie und da auch ein raidɛvɛw von einem jungen Gotte gebraucht wird, so gehört dies entweder dem bereits erwähnten euhemeristischen System an, oder einem nicht rein gehaltenen Mythos mit späteren Zusätzen, oder es soll auch in dem naidevei nur die leibliche Pflege und Abwartung angedeutet werden. So Ptolemãos bei Photios bibl. Cod. 190. p. 147. Bekk: ws å iv Koity τάφος λεγόμενος τοῦ Διὸς Ὀλυμπίου τοῦ Κρητός ἐστιν, ὃς παρὰ τοῦ Κράτ του λαβὼν τὸν Δία ἔτρεφέ τε καὶ ἐπαίδευε τὰ θεῖα· ἀλλὰ γὰρ βάλλει ὁ Ζεὺς τὸν τροφέα καὶ διδάσκαλον κεραυνῷ κτλ. Hier ist das euhemeristische System leicht wahrzunehmen. Eine Allegorie ist es bei Mart. Capella 1, 7. p. 26 f. ed. Kopp: voluit saltem Entelechiae ac Solis filiam postulare, quod speciosa quam maxime magnaque deorum sit educata cura. Dass jedoch auch in educatie der Begriff oft nicht über die Abwartung und Ernährung hinausgehet, zeigt Cicero p. Sext. Roscio Amer. c. 23.: cum etiam feras inter sese partus atque educatio et natura ipsa conciliet.

2) Pindar Pyth. IX, 62-66. Bei Cicero in Verrem IV, 57. 128. wird Aristäos als Sprössling des Liber bezeichnet: Aristaeus qui (ut Graeci ferunt, Liberi filius) inventor olei esse dicitur, una cum Libero patre apud illos eodem erat in templo consecratus. Allein hier sind jedenfalls die Worte: ut Graeci ferunt, Liberi filius, ein eingeschobenes Glossema aus den Worten Libero patre entstanden. Vgl. Tim. Zumpt zu dieser Stelle des Cicero (Verr. orat. ed. maior. p. 786.). 3) Theokrit Idyll. XXIV, 1 sqq.

was in der mythisch heroischen Zeit zur Ausbildung des Geistes gehört (γράμματα, Saitenspiel ἐν φόρμιγγι). In der Gymnastik so wie in Waffenübungen wird er ebenfalls von bewährten Heroen unterwiesen 1), worauf wir weiter unten zurückkommen werden. Aehnlich war die Erziehung bei anderen Göttersprösslingen, wie bei Perseus, Kastor und Polydeukes, bei welchen sich die von der Gottheit überkommene Urkraft bald in dieser bald in jener Eigenschaft bewährte. Allein der Erziehung und Ausbildung bedürfen sie nicht weniger als die von sterblichen Heroen und Anakten gebornen Sprösslinge. Achilleus, der Thetis Sohn, wird von Cheiron sorgfältig erzogen. Wir treton nun an die Erziehung der heroischen Zeit überhaupt.

S. 3.

Die Erziehungselemente des heroischen Zeitalters der Hellenen waren einfach, gleichartiger Natur, dem Charakter des Volks entsprechend und daher eine sichere Grundlage für Jahrtausende. Sie bezweckten die Tüchtigkeit des nach aussen wirkenden Mannes in Wort und That, die Befähigung sowohl allein als in Gemeinschaft mit Anderen sich geltend zu machen, seine Freiheit und seine Rechte zu wahren und die Familie zu sichern. In diesem Gleise folgt der Sohn dem Vater, der Enkel dem Sohne. Die überkommene Sitte wird treu bewahrt. In Betreff des weiblichen Geschlechtes sind die Anforderungen noch einfacher. Dieselben erzielen nur eine gewisse ethische Haltung und einige wenige im häuslichen Kreise zu übenden Fertigkeiten. Ausserhalb des Hauses hat das Weib keinen Beruf, keinen Wirkungskreis, wenn nicht etwa festliche Opfer oder andere religiöse Handlungen ihre Gegenwart erfordern. Uebrigens concentriren sich alle Lichtpunkte des häuslichen Lebens, wie es sich im homerischen Heldenepos abspiegelt, in den stattlichen Palästen der Anakten, unter welchen sich natürlich je nach dem Umfange der Besitzungen bedeutende Abstufungen zeigen. Im häuslichen Walten schimmert überall ein fast patriarchalischer Charakter durch. Allgemeine und öffentliche Handlungen finden nur in wichtigen gemeinsamen Berathungen und grossen Unternehmungen Statt,

1) Theokrit 1. c. v. 103 ff. v. 132. heisst es: dɛ μèv Họaxkja φίλα παιδεύσατο μάτηρ; also hatte die Mutter einen wesentlichen Antheil an seiner Erziehung.

besonders in Heerfahrten zu Lande und zu Wasser, welche dann einzelnen Heroen Gelegenheit darbieten sich durch Kühnheit, Thatkraft und Stärke auszuzeichnen und dadurch zu den Hauptpersonen gemeinsamer grosser Thaten zu werden. Der eigent liche Staat mit gegliederten Gemeinden, mit einer Abstufung der Stände und so weiter ist noch nicht ins Leben getreten, sondern liegt noch im Keime seiner ersten Entwickelung, Es gibt bereits Fürsten und Volk, Anakten und Demos, aber eben so wenig völkerrechtliche Bestimmungen des einen Demos zum anderen, noch positive Souveränitäts-Rechte des Anax zu dem Demos, zwischen welchen auch noch die Vornehmsten im Demos, die quovo, eine wichtige Stelle behaupten. Oft ist der Anax nur der hervorragendste unter ihnen, wie Alkinoos bei den Phäaken, Odysseus unter den Vornehmsten von Ithaka und Kephallene. Derjenige behauptet die stärkste Souveränität, welcher die grösste materielle Macht besitzt. Nestor's Weisheit und Alter würden wenig oder gar nichts entscheiden, stünde ihm nicht eine starke materielle Macht zu Gebote. Eine andere Garantie als die Macht des Besitzes ist nicht gegeben. Das Verhältniss des Anax zum Demos im Allgemeinen ist aristokratischer Natur, ursprünglich durch überwiegenden Besitz und auch wohl durch persönliche Tapferkeit oder andere Eigenschaften hervorgerufen, bleibt aber in vieler Beziehung locker, ohne durchgreifende allgemein gültige Bestimmungen, ohne scharfe Abgrenzung gegenseitiger Rechte und Verpflichtungen 1). Der Stamm, Stammver

1) Ein merkwürdiges Verhältniss des Anax zu dem von ihm beherrschten oder mit ihm in irgend einem Connex - Verhältnisse stehenden Demos tritt uns in dem Verhalten des Menelaos entgegen, welcher nach seiner eignen Aussage im Sinne gehabt hatte, dem Odysseus, sobald er zurückgekehrt sein würde, eine Stadt einzuräumen, um ihn hier sammt seinen Ithakesieгn (лãoi laoioi, wahrscheinlich nur diejenigen, welche mit ihm gegen Troia gezogen waren) anzusiedeln, damit er stets mit ihm zusammenkommen und sich beide gegenseitig erfreuen könnten (Od. IV, 178 ff.). "Er wollte ihm aber nicht etwa eine schon leer gewordene Stadt übergeben, sondern erst eine für ihn leer machen (μίαν πόλιν ἐξαλαπάξας, αἳ περιναιετάουσιν, ἀνάσσονtai szμoi avto): ob dies gerecht oder ungerecht sei, wird hier mit keinem Worte erwähnt, auch nicht, ob wenigstens die mit Gewalt Vertriebenen anderweitige Wohnsitze erhalten sollen oder nicht. Es zeigt sich also hier ein Werk reiner Machtvollkommenheit nach eigner Willkür. Es wird auch nicht erwähnt, ob es etwa eine Strafe oder Widervergeltung für erlittenes Unrecht sein sollte. Homer mochte

wandtschaft und die Familie bedingen noch die äussere Form der zusammenlebenden Menschenvereine und somit die Grundsätze, die Art und Weise der Erziehung. Darum ist auch Abstammung von mächtigen, tapferen, edlen Männern ein natürlicher Vorzug, welcher höhere Ansprüche begründet. Es ist daher ein bittres Geschick, wenn ein Mann von solcher Abstammung vom Schicksale verfolgt sich untergeordneten Verhältnissen fügen und einem Anderen dienen muss, wie Eumäos, der Sohn eines Fürsten, welcher von Phönikiern entführt und an Laertes verkauft, von diesem erzogen wird und dann dem Odysseus und Telemachos als Hirt der Schweine Dienste leistet 1). Dagegen wird es auch anerkannt, wenn der Sohn den Vater oder die Ahnen überhaupt an persönlicher Tüchtigkeit übertrifft, wie der Mykenäer Periphetes seinen Erzeuger Kopreus 2), oder wenn er ihm wenigstens gleich kommt, wie Diomedes dem Tydeus 3). Der Mann aus dem duos stehet natürlich den Anakten und den Qoto in jeder Art von Bildung nach und seine äussere Erscheinung ist im Verhältniss zu jenen einfach und geringfügig. In Betreff des Charakters, der ehrbaren Gesinnung, der Ehrfurcht gegen die Götter u. s. w., kann er jenen nach dem Verhältniss seiner Sphäre gleich kommen. Seine Bestimmung ist jedoch eine andere und er bedarf nicht gleicher Ausrüstung.

Sein Beruf erstreckt sich gewöhnlich nur auf die einfachsten von den Bedürfnissen des Lebens hervorgerufenen Beschäftigungen, Ackerbau, Viehzucht, Jagd, Schiffahrt. Handel, Gewerbe und Künste stehen noch auf ihrer ersten Entwickelungsstufe und beginnen sich weiter und weiter zu entfalten. Auch dient der Snuóτns als Krieger, wenn der Anax die zu seinem Geleit gehö

sich übrigens die Städte seines eignen Zeitalters vorstellen, wenn er von denen zur Zeit des Nestors redet und dieselben ɛvqvayviai nennt.

1) Odyss. XV, 413 ff. Das Bittere seines Verhältnisses wird jedoch dadurch gemildert, dass er eine gewisse Selbständigkeit hat. Ihm stehen Knechte zu Gebote: er hat seine eigene Wohnung, seinen Haushalt, darf sich von der Heerde ein Schwein schlachten, u. s. w. 2) I. XV, 641 f. τοῦ γένετ ̓ ἐκ πατρὸς πολὺ χείρονος υἱὸς ἀμείνων παντοίας ἀρετάς, ἠμὲν πόδας ἠδὲ μάχεσθαι.

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3) II. V, 125 f. IV, 400. 405 ff. V, 800 ff., wo Athene zu ihni re. det, und durch den Vorwurf, dass er dem Tydeus wenig ähnlich sei, ihn zu neuen Kriegsthaten entflammt. So reizt ihn Agamemnon durch Vergleichung mit seinem Vater Tydeus von neuem zum Kampfe, II. IV, 365-400.

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