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durch das Vindiciren. Der Beklagte, welcher Besitzer ist, vindicirt nicht, um Besitzer zu werden, sondern um Besitzer zu bleiben, sich wider des Klägers Anmassung im Besitz zu erhalten. Während sich das Possessorium darum dreht, danach fragt, entscheidet, Wer Besitzer sei, uter possideat 1 § 3 D 43,17. 35 D 41,2 die quaestio, uter ex litigatoribus possidere et uter petere debeat (Ga. IV 148) ist nicht die quaestio des Possessoriums - will im Vindicationsstreit der Eine Besitzer werden, der Andere Besitzer bleiben, dagegen Wer Besitzer sei, ist von ihnen nicht bèstritten. Hiermit stimmt völlig überein, dass Gaius (IV 16) sagt: Postea praetor secundum alterum eorum vindicias dicebat, id est interim aliquem possessorem constituebat. Der Prätor constituirt zum Besitzer, macht also zum Besitzer (§ 20) vgl. Val. Max. VII 7, 5, er decretirt Wer interimistisch Besitzer sein soll, vgl. Liv. 3, 46: jus eo die se non dicturum neque decretum interpositurum; a M. Claudio petiturum, ut decederet jure suo vindicarique puellam in posterum diem pateretur, Appius verleiht hier nicht den Besitz, ferner Ga. II 164: cernere est quasi decernere et constituere. Da nun der Prätor nicht einen der streitenden Theile als Besitzer declarirt (vgl. Ga. III 123 praedicat palam et declaret, et de qua re satis accipiat..), seine Verfügung nicht eine Entscheidung darüber ist, Wer Besitzer sei, so kann (da auch keine andere Verfügung berichtet wird) der seiner Verfügung vorausgehende Streit nicht ein Streit darüber sein, Wer Besitzer sei. Es hat also auch Ps. Ascon. in Verr. II, 1, 115, welcher sagt: Lis vindiciarum est, cum litigatur de ea re apud praetorem, cujus incertum est, quis debeat esse possessor, Recht dass er nicht sagt quis sit possessor, und nicht Unrecht dass er sagt quis debeat esse possessor, wenn er sich

denkt, dass die Ungewissheit Dessen beseitigt wird, interimistisch durch die Vindicienertheilung, oder definitiv durch das richterliche Urtheil.

§ 20.

Ist nach dem im vorigen Paragraphen Ausgeführten der des Prätors Vindicienertheilung vorausgehende Streit, nicht ein Streit darüber, Wer von beiden Streitenden Besitzer sei, macht aber das uter possideat das Wesen des Possessoriums aus, dann kann nicht richtig sein die von vielen Schriftstellern geäusserte Meinung, dass die legis actio sacramento in rem ein Possessorium enthalten habe, welches später dem Petitorium getrennt vorausgegangen sei. Der Prätor spricht nicht aus, Wer Besitzer ist, er spricht aus Wer Besitzer sein soll, er macht eine Partei zur Besitzerin, und nach Gaius' allgemeinem Ausdruck aliquem, sei es den, welcher schon bisher Besitzer war, der dann Besitzer von Prätors wegen wird, sei es den, welcher noch nicht Besitzer war, der dann Besitzer und zwar Besitzer von Prätors wegen wird. Da ferner die Behauptung, mit welcher der Kläger den Process eröffnet, hunc ego hominem e. j. Q. meum esse ajo die Behauptung eines petitor ist, auch der Beklagte z. B. von Cicero als ille unde petebatur bezeichnet wird, so ist der der Vindicienertheilung vorausgehende Streit nicht nur aus dem angegebenen, sondern auch aus dem Grunde kein Possessorium, weil er ein Petitorium ist. Denn da nach naturalis ratio das Petitorium non potest institui, nisi ante exploratum fuerit utrius possessio sit, auf welche Feststellung das Possessorium ausgeht, so ist mit der Behauptung hunc ego hominem . . . ein Possessorium ausgeschlossen. Ihering (Grund d. Besitzesschutzes, 2. A.

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S. 72. 73), welcher erkannt hat, dass der Prätor in der Ertheilung der Vindicien freie Hand hatte, also wenn es ihm gut schien, auch dem Nichtbesitzer den Besitz zusprechen durfte, sieht dennoch in der Vindicienertheilung für die ältere Zeit die einzige Form des Possessoriums und findet, dass Letzteres ein integrirendes Moment des Petitoriums gebildet habe. Wenn weiter die Vindicienertheilung die Bedeutung der Entscheidung eines Possessoriums gehabt hätte, so hätte sie nicht wohl mehr Statt finden können zu der Zeit als die interdicta retinendae possessionis bestanden, wann ein Interdictenverfahren über uter possideat entschieden hatte: Gaius aber erklärt so allgemein postea praetor secundum alterum eorum vindicias dicebat, dass nicht angenommen werden kann, die Vindicienertheilung habe im Legisactionenverfahren welches, wie gesagt, doch auch von den Interdicten erlebt worden ist zu einer Zeit, oder unter Umständen nicht Statt gefunden. Wie es sicher ist, dass Vindicienertheilung und interdicta retinendae possessionis auch gleichzeitig gelebt haben, so ist wohl möglich, was Ihering a. a. O. für unmöglich zu erklären scheint, dass die letzteren neben jener existirt haben in dem Sinn, dass einer sacramenti actio in rem ein Interdictenverfahren vorausging, und dass sie mit einer Vindicienertheilung ausging. Die ursprünglichen Aufgaben beider Einrichtungen decken sich nicht, sie sind nicht beide Formen des Possessoriums, es kann also nicht mit Bezug darauf geltend gemacht werden: eine solche Cumulation zweier demselben Zweck dienstbarer Rechtsmittel für die älteste Zeit hat alle historische Analogie gegen sich." Die Vindicienertheilung hat schon vor den Zwölftafeln bestanden (ob. S. 31) und ihr Ursprung darf wohl in einer Zeit gedacht werden, in der es noch keinen Besitzesschutz

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gab, welchem Mangel sie dann an einem Theil abzuhelfen bestimmt waren. Das in rem agere ist nur möglich, wenn eine Person als petitor, die andere als possessor auftritt. Insofern ist also im Augenblick, wo der Streit vor den Magistrat kommt das Besitzverhältniss klar, ein Theil hat sich entschieden (freiwillig oder nicht, gegen Entgelt oder unentgeltlich) zu petere und den anderen besitzen zu lassen. Nach dem Urtheil ist die auctoritas rei judicatae von Gewicht auch in einer Zeit, wo es keinen Besitzesschutz gibt. Aber nach Schluss des Verfahrens in jure bis zur res judicata ist der Besitzstand gefährdet. Wird der Besitz auch sonst nicht geschützt, nicht vor dem Beginn des Processes und nicht nach dessen Beendigung durch Urtheil, so muss doch in der Zwischenzeit (interim) der Friede gesichert sein, das verlangt schon die Würdé des Rechtsstreits, der begonnen hat. Hier interponirt nun der Magistrat seine auctoritas (wie der Prätor bei den decreta und interdicta (Ga. IV 139) und umgibt mit derselben den Besitz, den er einem der Litiganten verleiht. Es darf angenommen werden, dass er seine Verfügung aufrecht erhält nicht nur gegenüber der Partei, der er den Besitz nicht verliehen hat, sondern auch gegenüber Jedermann, der sich den magistratisch constituirten Besitzer im Besitz zu stören untersteht. Dem Dritten gegenüber hat die magistratische Verfügung den Zweck, den Erfolg des Processes zu sichern, der gefährdet ist, wenn ein Dritter sich ungestraft in den Besitz setzen kann. Im Verhältniss der Parteien hat sie den Zweck zu verhüten, dass sich vor dem Urtheil ernsthaft wirklich (einerlei von Wem ausgehend) wiederhole, was im Angesicht des Magistrats symbolisch" vorgenommen worden ist, das vindicere. Das Verhältniss der Vindicienertheilung zu den interdicta retinendae possessionis ist

danach dieses. Die Entstehung der Vindicienertheilung setzt einen Zustand voraus, in welchem der Besitz nicht durch jene Interdicte geschützt ist. Die Vindicienertheilung sorgt für Schutz des Besitzes nur während des Petitoriums, sie lässt daher einem weiter gehenden Schutz, wie ihn die Interdicte gewähren, Raum. Da sie nicht die Frage entscheidet, Wer von Zweien Besitzer sei, und demgemäss nicht zur Entscheidung der Frage führt, uter possidere et uter petere debeat, so kann die Entscheidung der ersteren Frage dem Interdictenverfahren anheimfallen und demgemäss die Entscheidung der zweiten Frage als Grund der Einführung der Interdicte Uti possidetis und Utrubi angegeben werden Ga. IV 148. Der Schutz, den diese Interdicte gewähren, greift weiter, als der mit der Vindicienertheilung verbundene, er begreift auch diesen. Dass darum zu der Zeit, als es diese Interdicte gab, und zumal wann ein Interdictenverfahren der Legisactio vorausgegangen war, die Vindicienertheilung nicht vorkam, ist eine Annahme, welche überhaupt nicht statthaft ist, und insbesondere darum nicht, weil der Prätor durch die Vindicienertheilung auch etwas Anderes erreichen konnte, als nur einen durch seine Autorität für die Dauer des Processes gesicherten Besitzstand, wie solchen auch die Interdicte zu erhalten vermochten. Er konnte nämlich die Vindicien auch einem Anderen ertheilen, als demjenigen, welcher vielleicht nach vorausgegangenem Interdictenverfahren vor ihm als Besitzer aufgetreten war, er konnte sie dem Kläger ertheilen, welcher nach den Grundsätzen des interdictum Utrubi nicht der potior gewesen, ihm aber doch mehr den Eindruck des Eigenthümers machte, dem danach die Früchte der Sache unmittelbar zuzuwenden, den nicht erst auf den Ersatz durch den besiegten Beklagten

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