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bei der ersten Verhandlung des Rechtsstreits der „Eigenthümlichkeit derselben, wonach die thatsächliche Verletzung des klägerischen Rechts, die widerrechtliche Anmassung des Besitzes, überhaupt der Besitz des Beklagten, obgleich Voraussetzung der Klage, doch nicht als Fundament derselben zum Ausdruck kam." Genau dieselbe Eigenthümlichkeit hat die formula petitoria, auch hier kommt, wie die Worte S. P. rem d. q. a. c. j. Q. A'. A. esse zeigen, der Besitz des Beklagten nicht als Fundament der Klage, sondern nur in der condemnatio mittelbar in der Clausel nisi arbitratu tuo restituet zum Ausdruck. Da nun im Formularprocess sicherlich hier nicht Gleichheit der Parteirollen bestand, so kann die angebliche Gleichheit der Parteirollen in der Legisactio nicht für etwas der bemerkten Eigenthümlichkeit Entsprechendes erklärt werden. Die Legisactio, heisst es weiter, stellt den reinen Rechtsstreit den Conflict zweier hypothetisch gleich berechtigter Willen dar, der vollständig nur da vorhanden ist, wo Beide das Eigenthum derselben Sache für sich in Anspruch nehmen". Wenn man überhaupt (in Absicht auf Eigenthumsbehauptung) von einem Willensconflict reden kann, so scheint mir ein solcher Conflict nicht minder vollständig vorhanden zu sein, wenn der Bejahung des Eigenthums von der einen, die Verneinung des Eigenthums von der andern Seite entgegengestellt wird. Sollte aber auch ein solcher Conflict nur bei beiderseits erfolgter Eigenthumsbehauptung vollständig gegeben sein, so erhebt sich die Frage, warum einen so vollständigen Conflict heischen, da doch seine Nothwendigkeit eine Mehrheit von Uebelständen erzeugt. - Nach Dernburgs Ansicht (Heidelberger Krit. Zeitschr. 1, 466) lag dem Verfahren bei der 1. a. sacr. in rem folgende Anschauung zu Grunde. „Eigenthum gibt dem Berechtigten unbedingte Herrschaft

über eine Sache und damit die Befugniss sich derselben ohne Weiteres zu bemächtigen, falls er ausser Besitz ist; denn der blosse Besitz eines andern entbehrt in früherer Zeit eines jeden Rechtsschutzes als solcher." Gegen diese Sätze, besonders gegen den letzten, welcher auch von Anderen anerkannt wird, habe ich Nichts einzuwenden. Aber aus dem, was hier von Eigenthum und einem Berechtigten gesagt ist, folgt nicht:,,Der angebliche Eigenthümer bedarf da her ursprünglich keiner Klage, seine Eigenmacht ist gerechtfertigt. Nur wenn der Gegner selbst Eigenthumsrecht behauptet und sich darauf gestützt mit Gewalt widersetzt, ist die Obrigkeit veranlasst einzuschreiten". Denn es kann nur die Eigenmacht des wirklichen, nicht auch die des angeblichen Eigenthümers gerechtfertigt sein; wird also die Wirklichkeit des Eigenthums vom Besitzer bestritten und demgemäss die Eigenmacht des angeblichen Eigenthümers mit Gewalt abgewehrt, dann ist die Obrigkeit veranlasst einzuschreiten. Jedenfalls darf, weiter, daraus dass der Besitz nicht geschützt ist, nicht geschlossen werden, dass demjenigen, der mit Behauptung von Eigenthm ihn sich eigenmächtig anmasst, das Eigenthum zugesprochen wird, wenn sich der Besitzer ohne Behauptung von Eigenthum zur Wehr setzt; denn dann würde die Eigenmacht mit einem Rechte prämiirt. Von einer solchen Ordnung (besser Unordnung) geht wohl Karlowas LAen 73) apriorische Begründung der Nothwendigkeit der Eigenthumsbehauptung aus:,,dem Angriff des Klägers darf nun der Gegner nicht etwa bloss ein Läugnen des klägerischen Rechts entgegensetzen, ein solches würde dem auf die Rechtsbehauptung sich stützenden vindicere und dem darin liegenden Versuch einer Besitzergreifung gegenüber machtlos sein."

§ 18.

Das von Gaius (IV 16) beschriebene Verfahren ist das Verfahren bei einer in rem actio (si in rem agebatur ... in jure vindicabantur), insbesondere das einer Eigenthumsklage, wie sich aus der ersten Behauptung des Klägers ersehen lässt. Ulpian, 25 p D 44,7, sagt: In rem actio est, per quam rem nostram, quae ab alio possidetur, petimus: et semper adversus eum est qui rem possidet. Dass Gaius anderer Meinung gewesen, kann wegen IV 51: si rem aliquam a possidente nostram esse petamus, id est, si in rem agamus ... vgl. 36 þ D 6,1, nicht angenommen werden, und dass, wenn Ulpian von der in rem actio sagt semper adversus eum est qui rem possidet, dies jemals nicht so gewesen, darf ohne Zeugniss nicht angenommen werden. Der Grundsatz, dass die in rem actio wider den Besitzer, also dem Nichtbesitzer wider den Besitzer zusteht, ist unabhängig von der Gestalt des der constitutio judicii vorausgehenden Verfahrens, es gehört vielmehr zu dem römischen Begriffe der in rem actio welche, aus den Zwölftafeln zu schliessen, schon in der Wiege des römischen Rechts gelegen hat es gehört zu diesem Begriffe, dass nicht Jedermann, sondern nur derjenige, der die Sache in Händen hat, der Klage dessen zu stehen braucht, der diese Sache kraft seines Eigenthums in die Hände zu bekommen verlangt. Gehört es zum Wesen der in rem actio, dass der Besitzer der rechte Beklagte, somit in jus zu Vocirende ist, dann muss, einerlei wie man über die Art der Vertheidigung des Beklagten, ob man Eigenthumsbehauptung durch ihn als möglich, oder aber als nothwendig denkt, unrichtig sein der von Du Roi (Archiv f. d. civ. Praxis 6, 264)

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erfundene und von Zimmern (d. röm. Civ. Proc. S. 108) und Wetzell (Vindic. 46) angenommene Satz, dass bei beginnendem Streit Niemand als Besitzer angesehen werde; wenn Einer als Besitzer einer Sache von einem Anderen belangt wird, so hört er dadurch, dass er nebst der Sache in jus kommt, nicht auf ihr Besitzer zu sein. Daher ist auch unrichtig die von Wetzell aus jenem Satze gezogene Consequenz: Wie also ist die Erklärung der Streitabsicht anders als in der Art möglich, dass jeder Theil selbst Eigenthümer oder Erbe zu sein behauptet und dadurch das Recht des andern an diesem Gegenstande läugnet", wie sie auch nicht durch die dort angezogene Stelle des Ps. Asc. in Verr. II 1,115 bewiesen wird. Wäre aber auch der Satz richtig, so könnte doch die Streitabsicht noch in anderer Weise erklärt werden; wenn nämlich Wer in jus vocirt hat mit Eigenthumsbehauptung, um sich der Sache zu bemächtigen, Hand an sie legt, dann kann der in jus vocatus seine Streitabsicht auch dadurch erklären, dass er zu demselben Ende ebenfalls Hand anlegt, und aber des Ersteren Recht zur Bemächtigung durch Verneinung in Abrede und in Frage stellt. Unzutreffend ist nach Obigem auch Rudorffs Ausdruck und Begründung (RG. 2, 130), dass In der rei vindicatio . . . beide Rechtsbehauptungen als Rechtfertigungen der Besitzanmassung positive" seien, insofern die Auffassung gestattet ist, dass der in jus vocirte Besitzer, welcher durch sein Erscheinen in jure nicht aufhört Besitzer zu sein, sich den Besitz nicht erst anzumassen brauche, vielmehr nur der gewaltsamen Anmassung des Nichtbesitzers mit Gewalt entgegentrete; zur Rechtfertigung dessen aber bedarf es einer positiven Rechtsbehauptung nicht. u. § 25. Mit dem angegebenen für keine Zeit abläugenbaren Wesen der in rem actio

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stimmt anch nicht überein der Ausdruck

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Agerius und Numerius beide Klagen in rem" bei Bekker, Akt. 1, 208, insofern wenn wirklich Agerius in rem klagt, er als Nichtbesitzer wider den Besitzer klagt, hierdurch aber es unmöglich ist, dass auch Numerius in rem klage. Aus dem obigen Grundsatze folgt ferner bezüglich der von Ihering, Geist § 52 N. 115 für den alten Process angenommenen Möglichkeit, dass der Besitzer der Sache, um sich der Angriffe des Gegners zu erwehren, die vindicatio anstellte, dem Nichtbesitzer also die Rolle des Contravindicanten zufiel", dieses: wenn der nichtbesitzende Beklagte, der den Kläger im Besitz gestört, des Klägers Eigenthum nicht in Abrede stellen will, dann schweigt er auf des Klägers Eigenthumsbehauptung stille; dann kann er schwerlich ein sacramentum einbüssen und dem Kläger wird höchstens das nicht bestrittene Eigenthum zugesprochen. Oder aber, der nicht besitzende Beklagte (in jus vocatus) ist gesonnen des Klägers Eigenthumsbehauptung zu verneinen, oder gar selber Eigenthum zu behaupten das steht Beides auch heutzutage dem Nichtbesitzer frei. Wenn aber die Streitsache wirklich oder repräsentirt in jure gegenwärtig ist und Agerius legt unter Berufung auf sein Eigenthum Hand an sie, dann kann er gemäss dem obigen Grundsatze für den Eigenthumsstreit nicht als Besitzer angesehen werden, sollte er auch den repräsentirten fundus mit seiner Sklavenschaar umstellt und besetzt haben. Der scheinbar widersprechende Satz non enim videtur possessioni renuntiasse, qui rem vindicavit (12 § 1 D 41,2) wird erklärt durch denjenigen, den er zu begründen bestimmt ist. Numerius dagegen, der mit oder ohne Eigenthumsbehauptung der Gewalt mit Gewalt entgegentritt, muss für den Eigenthumsstreit als Besitzer angesehen werden, ist also in der Lage, den Agerius sein

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