Page images
PDF
EPUB

"

"

Kläger an den Beklagten gerichtet wird. Es ist wider die römische Auffassung des processualischen Verhältnisses von Kläger und Beklagten, dass der Kläger den Beklagten zur Angabe seines Erwerbsgrundes auffordert, und noch mehr wider dieselbe, dass nicht auch umgekehrt die gleiche Aufforderung seitens des Beklagten an den Kläger gerichtet wird. Diesem Bedenken begegnet Huschke (Multa S. 430) durch die Versicherung: (es) wurde von dem, der zuerst vindiciert hatte, und dann gewiss auch umgekehrt vom Gegner durch die Frage postulo anne dicas, qua ex causa vindicaveris? und die Antwort des Anderen jus peregi, sicut vindictam imposui constatirt . . ." und sagt in der zugehörigen Note 207: Dieses lässt freilich unser jetziger Text von Gai. 4, 16 nicht erkennen, aber nur in Folge einer Auslassung des Abschreibers, die man nicht vollständig ergänzt hat. Man liest jetzt: qui prior vindica(verat, ita alterum interroga)bat. Schon an sich wahrscheinlicher fiel aber folgende ganze Zeile aus: vindica(verat, ita adversarium et rursus post is alterum interroga)bat". Dieser Conjectur hat Huschke durch Aufnahme in die dritte Ausgabe seiner Jur. Antej. eine grosse Verbreitung gesichert. Diese Conjectur ist eine zu beklagende kritische Verirrung, hervorgegangen aus dem Verlangen des carmen amabaeum, die Gleichseitigkeit oder die Symmetrie, welche die legis actio sacramento in rem nun einmal darstellen sollte, auch wirklich dargestellt zu sehen. Die kritischen Grundsätze, welche Huschke in seiner Schrift: Zur Pandektenkritik" zum Heil und Dank der Wissenschaft vorgetragen und grossentheils auf die Kritik dreier Digestenbücher alsbald angewandt und erfolgreich bewährt hat, leiden im Wesentlichen auch auf die Kritik des Gaius Anwendung. Bei der obigen Conjectur sind

"

[ocr errors]
[ocr errors]

sie nicht leitend gewesen. Unter Benutzung der dabei befolgten Methode mache ich mich anheischig Jedermann nach seinen Bedürfnissen einen neuen Gaius herzustellen, ohne ihm vom alten Etwas wegzunehmen. Die frühere Aenderung des überlieferten Textes rührt von Göschen her. Heffter a. a. O. bemerkt dazu: Fateor, hoc expectari. Si tamen ex superioribus verbum dicebat repetamus, etiam Codicis scriptura defendi potest, welche er selbst im Text gibt. Auch ohne solches Herüberdenken, mit Hinzudenken ist auszukommen, wenn man nach vindicabat interpungirend Gaius bei Schilderung des Processdramas grössere Lebhaftigkeit zutraut und das Imperfect vindicabat nicht historisch, sondern so versteht: Wer zuerst vindicirte", womit nicht die folgende Thätigkeit gemeint, sondern gleichsam der Name der Person im Stück angegeben wäre. Mehr empfiehlt sich Göschens Aenderung, obzwar vindicaverat, interrogabat als ausreichend genehmer ist und interrogabat nicht sehr zu postulo passt, als welches auf Fordern, nicht auf Fragen geht. Am meisten empfiehlt sich, was von befreundeter Seite vorgeschlagen wird, zu lesen: qui prior vindica (bat dice) bat, da sich hierbei die Verderbniss des Textes am besten erklärt und ferner eine Parallele zu dem nachfolgenden deinde qui prior vindicaverat, dicebat gewonnen wird. Huschkes Vorschlag dagegen ist zu verwerfen, einmal aus dem in § 7 angeführten Grunde; ferner weil, wenn Gaius von vindica bis bat beide Parteien hat auffordern lassen, er nicht fortfahren kann ille respondebat. Denn es ist weder ille am Platze, weil man nicht weiss, Wer damit gemeint ist, noch kann Gaius wieder in das chronologische Referiren verfallen, sondern muss in Einem vom Respondiren beider Theile sprechen, was wiederum nicht mit ille geschehen kann. Drittens ist, was Huschke eine

ganze Zeile nennt, soviel ich sehe, mehr als eine Zeile, auch wenn man die übliche Abkürzung berücksichtigt, wodurch auch das argumentum ad hominem wegfällt. Endlich wird, wie sich zeigen soll, durch den neuen Vorschlag nicht blos der wahre Sinn verdunkelt, sondern auch ein unwahrer eingeführt.

Durch die Frage Postulo. . . und die Antwort Jus... wird nach Huschke (s. das den citirten Textworten Folgende) constatirt, dass diese publicistischen Besitzanmassungen (vindicationes) vom Einen und vom Anderen nicht selbstständig für blossen Processbesitz (pro possessore) und ohne Rücksicht auf einen Rechtsstreit, sondern nur zur Geltend machung seines Eigenthums oder sonstigen Rechts (ex causa pro suo) und zwar wider dessen Bestreitung geschehen seien." Hierbei ist sehr zu billigen, dass Aufforderung zu Angabe der causa ex qua Einer vindicavit und entsprechender Bescheid nicht als Anfrage und Antwort über den Erwerbsgrund des behaupteten Eigenthums aufgefasst werden. Dies allein stimmt zu dem für die Formeln vorauszusetzenden alten Sprachgebrauch (o. § 8); hier mag noch bemerkt werden, dass selbst von den classischen Juristen vindicare ex aliqua causa, nur ein einziges Mal (4 § 29 D 44,4) für die Eigenthumsklage anstellen aus einem Grunde gesagt wird, da sie sonst petere sagen. Das richtige Verständniss des vindicaveris der Formel findet sich auch z. B. bei Danz, der sacrale Schutz 162, Puntschart, a. a. O. S. 241 unten, 242 oben. Dagegen ist die obige Ausführung Huschkes in zwei Beziehungen nicht zu billigen: 1. Wenn der Kläger auftritt mit den Worten hunc ego hominem e. j. Q. meum esse ajo und sofort mit Wort und Werk die vindicatio folgen lässt, dann ist damit schon constatirt, dass diese publicistische Besitzanmassung“ (vin

[ocr errors]

dicatio) von ihm nicht selbständig für blossen Processbesitz (pro possessore) und ohne Rücksicht auf einen Rechtsstreit, sondern nur zur Geltendmachung seines Eigenthums oder sonstigen Rechts" geschieht; und dies ist auch vom Standpunkt Huschkes unbestreitbar, wonach die Correspondenz von vindicatio und Rechtsbehauptung noch durch sicut dixi ausgesprochen wird. Daraus folgt aber mit Sicherheit, dass für eine vom Beklagten an den Kläger zu richtende Aufforderung zur Angabe der causa, aus der dieser vindicaverit überall kein Raum ist; damit fällt zugleich die Möglichkeit einer Antwort, und einer auf diese zu bauenden Behauptung Quando tu injuria vindicavisti. (o. § 14). 2. Durch die Antwort des Beklagten Jus feci sicut vindictam inposui wird nicht constatirt, dass seine vindicatio. nur zur Geltend machung seines Eigenthums oder sonstigen Rechts" geschehen sei; sondern das jus feci hat einen anderen Sinn. Jus feci statt jus peregi ist erst durch Studemund gelesen worden, daher Huschke a. a. O. diese Lesart noch nicht hat benützen können. Ebenso konnte auch von Puntschart nur die frühere zu Grunde gelegt werden. Weil nach seiner Ansicht (vgl. S. 240/1. 316/7) das vindicare vorgenommen werden kann, um ein eigenes Recht auszuüben, oder aber, um einem Anderen die Ausübung seines Rechts zu bestreiten (was mit der Antwort jus tibi negavi erklärt werde) so sei nothwendig die Frage nach dem Motiv des vom Contravindicanten vorgenommenen Vindicationsactes, weil dieser ausdrücklich zu erklären hatte, ob er diesen Act vornehme, um ein eigenes Recht auszuüben, oder, um seinem Gegner blos die Ausübung seines Rechts zu bestreiten. Hiernach bleibt aber noch die Frage zu beantworten, welches Interesse der Kläger daran hat der Ungewissheit über die Bedeutung des durch den Beklagten

[ocr errors]

vorgenommenen vindicare enthoben zu werden, und ferner, wie so er noch im Ungewissen, also in der Lage zu fragen sein kann, wenn doch der Beklagte nach Puntscharts Annahme der „actio duplex" gemäss vor seinem vindicare Eigenthum behauptet hat. S. 239/40.

§ 25.

Der zu Ende von § 24, unter 2. behauptete andere Sinn von jus feci, nebst anderem in den §§ 8. 14 vorläufig Behauptetem wird durch folgende, zugleich ergänzende Recapitulation festgestellt. -Der Kläger tritt auf mit der positiven Rechtsbehauptung Hunc ego hominem e. j. Q. meum esse ajo s. s. c. s. d. und lässt unmittelbar darauf die vindicatio mit Wort und Werk folgen. Dass es ihm nicht um wildes Dreinschlagen, um rechtlose Besitzerlangung, sondern um Einhaltung des Rechtsweges zu thun ist, zeigt er dadurch, dass er mit seinem Gegner vor den Magistrat gekommen ist, noch mehr dadurch, dass er vor seiner vindicatio sich auf das jus Quiritium beruft. Das vindicare ist Gewalt zeigen in Rede und That, um die körperliche Macht über das Object zu erlangen, mit dem man durch die That in Berührung kommt, oder die körperliche Macht eines Anderen davon abzuwehren. Auf dem Wege Rechtens und dem Besitzer einer Sache als solchem (d. i. nicht z. B. dem Diebe) gegenüber kann ein Anderer sich nur dann des Besitzes unterwinden durch vindicatio, wenn er ein Recht an der Sache zu haben behauptet und nur auf dem ausgesprochenen Grunde eines solchen ihm (vermeintlich, vielleicht auch wirklich) zustehenden Rechts. Die causa ex qua vindicat der Kläger ist mit der Behauptung Hunc ego hominem e. j. Q. meum esse ajo ausgesprochen. Ihn

« PreviousContinue »