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thum, welcher (in erkennbarer Weise) bewirkt, dass etwas Arderes erklärt als gewollt ist.

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Liegt jedoch eine unzweideutige Erklärung und eine unerkennbare Abweichung des inneren Willens von der Erklärung vor, so kann unter Umständen das Rechtsgeschäft trotzdem gültig sein. Der klassische Fall dieser Art ist die Mentalreservation, d. h. der Fall der einseitigen Absicht eines Paciscenten, etwas Anderes zu wollen als erklärt wird. Ebenso kann auch die unbeabsichtigte Abweichung des Willens von der Erklärung in solchem Fall unerheblich sein, d. h. trotzdem die erklärungsgemässe Haftung hervorbringen. Man denke z. B. an den Fall, dass Jemand in einer Wirthschaft Nahrungsmittel genossen hat und hinterher (vielleicht der Wahrheit gemäss) erklärt, er habe den Preis der genossenen Getränke oder Speisen für niedriger gehalten.

II. Die Erklärung ist die Mittheilung des rechtsgeschäftlichen Willens an den Anderen, welcher der Adressat der Willenserklärung ist. Nicht also jede Mittheilung, sondern nur die Erklärung an den anderen, am; Rechtsgeschäft Betheiligten (an die Zeugen beim Testament, an den Vertragsgegner bei Verträgen) erzeugt das Rechtsgeschäft. Die Form der Erklärung ist für einzelne Rechtsgeschäfte von der Rechtsordnung vorgeschrieben, welche dann nur in dieser bestimmten Form gültig errichtet werden können (z. B. das Testament). Solche Rechtsgeschäfte mit vorgeschriebener Form heissen formelle Rechtsgeschäfte. Die meisten Rechtsgeschäfte sind jedoch formlos, d. h. die Erklärung des Willens kann in beliebiger Form, schriftlich oder mündlich, durch einen Boten oder einen Brief, oder sonst wie, ja auch ohne direct in Worte gekleidet zu sein (sog. stillschweigende Willenserklärung) gültig vollbracht werden, es genügt für das formlose Rechtsgeschäft, dass der Wille irgendwie erklärt ist.

L. 3 D. de reb. dub. (34, 5) (PAULUS): In ambiguo sermone non utrumque dicimus, sed id dumtaxat, quod volumus. Itaque, qui aliud dicit quam vult, neque id dicit, quod vox significat, quia non vult, neque id, quod vult, quia id non loquitur.

L. 9 pr. D. de her. inst. (28, 8) (ULPIAN.): Quotiens volens alium heredem scribere alium scripserit in corpore hominis errans,

veluti 'frater meus', 'patronus meus', placet, neque eum heredem esse, qui scriptus est, quoniam voluntate deficitur, neque eum, quem voluit, quoniam scriptus non est.

L. 57 D. de O. et A. (44, 7) (POMPONIUS): In omnibus negotiis contrahendis, sive bona fide sint sive non sint, si error aliquis intervenit, ut aliud sentiat puta qui emit aut qui conducit, aliud qui cum his contrahit, nihil valet, quod acti sit.

§ 29.

Die Motive des Rechtsgeschäfts.

Die Beweggründe, aus welchen das Rechtsgeschäft hervorgeht, sind im Allgemeinen gleichgültig und also auch gleichgültig, ob der Handelnde durch das Rechtsgeschäft die Zwecke erreichte, welche er verfolgte (er hatte z. B. gedacht, das gekaufte Buch handle von Schiessgewehren, während es in Wirklichkeit von der „Gewere", d. h. von dem Besitz des deutschen Rechts, handelt). Falsa causa non nocet.

Ausnahmsweise aber sind die Motive dennoch relevant, und zwar in vier Fällen: in den Fällen des metus, des dolus, des sog. error in substantia, und der Schenkung.

I. Der Fall des metus ist der Fall eines durch (erhebliche) Drohung erzwungenen Rechtsgeschäfts. Die Drohung (sog. vis compulsiva, im Gegensatz zu der körperlichen Gewalt, vis atrox oder vis absoluta) war auf den Abschluss dieses Rechtsgeschäfts gerichtet, z. B. auf die Eigenthumsübertragung oder auf die Ausstellung eines Zahlungsversprechens. In solchem Fall ist das Rechtsgeschäft nach römischem Civilrecht gültig und vollwirksam zu Stande gekommen; der Prätor aber giebt dem Bedrohten Rechtsmittel, um die Wirkungen des erzwungenen Rechtsgeschäfts zu beseitigen: die actio quod metus causa (eine Rückforderungsklage gegen Jeden, welcher gegenwärtig aus dem erzwungenen Rechtsgeschäft bereichert ist) und die exceptio quod metus causa (eine Einrede, falls ich aus dem Rechtsgeschäft verklagt werde). Auch kann propter metum die in integrum restitutio (§ 43) ertheilt werden.

L. 1 pr. D. quod met. c. (4,2): Ait Praetor: QUOD METUS CAUSA GESTUM ERIT, RATUM NON HABEBO.

L. 14 § 3 D. eod. (ULPIAN.): In hac actione non quaeritur, utrum is, qui convenitur, an alius metum fecit: sufficit enim hoc docere, metum sibi illatum vel vim, et ex hac re eum, qui convenitur, etsi crimine caret, lucrum tamen sensisse.

II. Der Fall des dolus ist der Fall des durch absichtliche Täuschung (Betrug) seitens des Vertragsgegners hervorgebrachten Rechtsgeschäfts. Der eine Paciscent ist durch den anderen Paciscenten betrogen worden. Auch in solchem Fall war das Rechtsgeschäft nach Civilrecht gültig und vollwirksam, aber der Prätor gab gegen den Betrüger Rechtsmittel, um die Wirkungen des Rechtsgeschäfts aufzuheben die (jedoch nur subsidiär, wenn keine andere Klage zuständig ist, gegebene) actio de dolo (nur gegen den Betrüger selbst, bezw. gegen dessen Erben, nicht gegen den Dritten, welcher aus dem Geschäft einen Vortheil hat), um allen Schaden aus dem Geschäft ersetzt zu verlangen (wozu nach Umständen auch das Rückgängigmachen des Geschäfts gehören kann), und die exceptio doli, um sich gegen die Klage des Betrügers (oder seines Rechtsnachfolgers) aus dem Geschäft zu vertheidigen. Auch giebt es eine in integrum restitutio propter dolum (§ 43).

L. 1 § 1 D. de dolo (4, 3): Verba autem edicti talia sunt: QUAE DOLO MALO FACTA ESSE DICENTUR, SI DE HIS REBUS ALIA ACTIO NON ERIT ET JUSTA CAUSA ESSE VIDEBITUR, JUDICIUM DABO.

III. Der sog. error in substantia ist ein Irrthum über eine wesentliche Eigenschaft des Vertragsgegenstandes, über eine solche Eigenschaft, welche die Sache für den Verkehr zu einer anderen macht (ein vergoldetes Gefäss wird für ein massiv goldenes, Essig für Wein, eine Sklavin für einen Sklaven gehalten). Der Gegenstand des Vertrags ist individuell bezeichnet. Beide Parteien meinen genau das gleiche Individuum. Der Consens über den Vertragsgegenstand (consensus in corpore) ist da. Der Fall des sog. error in substantia ist also der Gegensatz des sog. error in corpore (wo beide Theile einen verschie denen Vertragsgegenstand im Auge haben, also der Consens fehlt). Aber der eine Paciscent setzt (in erkennbarer Weise) bei dem Vertragsobject eine wesentliche Eigenschaft voraus (vielleicht indem der Andere es gleichfalls nicht besser weiss, und daher auch ohne Betrug von Seiten des Andern), welche dem

Gegenstande abgeht. Sein Irrthum ist ein Irrthum im Motiv, ein Irrthum, welcher den nöthigen Willen, den Consens, d. h. das Rechtsgeschäft hervorbringt, gerade wie in den vorigen Fällen der metus, der dolus. Das Rechtsgeschäft ist da, und der Grundsatz lautet auch hier, dass das Rechtsgeschäft gültig und vollwirksam ist (falsa causa non nocet). Aber ausnahmsweise kann, wenn der error in substantia entschuldbar war, das zweiseitig obligatorische Rechtsgeschäft (z. B. der Kauf) auf Grund eines solchen error in substantia von Seiten des Irrenden angefochten werden. Der error in substantia ist also bei weitaus den meisten Rechtsgeschäften (z. B. Tradition, Verpfändung, Schenkungsversprechen, Depositum, Commodat u. s. w.) für die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts unerheblich, wie überhaupt die Motive unerheblich sind. Er ist erheblich nur bei obligatorischen Rechtsgeschäften mit gegenseitigem Leistungsversprechen (Kauf, Miethe u. dgl.), und zwar nicht als ob dieselben nichtig wären, auch nicht als ob ein besonderes Rechtsmittel zu ihrer Anfechtung gegeben wäre, sondern lediglich insofern ein solcher error in substantia kraft der bona fides, welche jene Rechtsgeschäfte regiert, nothwendig die Wirkungen derselben modificiren muss (nach Civilrecht, d. h. ipso jure, nicht erst nach prätorischem Recht). Wenn ich entschuldbarer Weise eine Flasche Gift gekauft habe, wo ich erkennbarer Weise eine Flasche Wein kaufen wollte, so verlangt die bona fides, welche den Kauf regiert, dass ich nicht schlechtweg zur Zahlung des Preises verurtheilt werde, sondern Auflösung des Kaufvertrags fordern kann, falls nicht auf Seiten des Anderen Umstände vorliegen, welche diese Behandlung des Falls als unbillig erscheinen lassen. Aus dem Kauf wird eben, wie überhaupt aus solchen zweiseitig obligatorischen Geschäften, nicht schlechtweg das Versprochene, sondern vielmehr nur (aber auch Alles) geschuldet, was die bona fides, d. h. Treue und Glauben im Verkehr, mit sich bringt (§ 63).

IV. Schenkung (donatio) ist die Vermögenszuwendung aus Liberalität. Schon das altrömische Recht hatte (durch die lex Cincia v. J. 204 v. Chr.) die Schenkungen beschränkt. Im Justinianischen Recht gelten für die Vermögenszuwendung, welche schenkungshalber gemacht wird, um dieses Motivs willen folgende Rechtssätze:

1) Die Schenkung unter Ehegatten ist nichtig.

2) Die Schenkung bedarf, wenn sie ein gewisses Mass überschreitet, zur Gültigkeit für das Plus, der gerichtlichen Insinuation, d. h. der Erklärung des Schenkungswillens vor Gericht. Das Mass ist von Justinian auf 500 solidi (4666 M. 67 Pf.) angesetzt worden.

3) Das Geschenkte kann wegen groben Undankes (Lebensnachstellung, grobe Injurien) zurückgefordert werden.

Die mortis causa donatio, d. h. die Schenkung, welche erst dadurch definitiv wird, dass der Beschenkte den Schenkgeber überlebt, steht in Bezug auf die namhaft gemachten Rechtssätze und auch noch in mancher andern Hinsicht nicht unter Schenkungsrecht, sondern unter Vermächtnissrecht (§ 105).

L. 1 pr. D. de donat. (39, 5) (JULIAN.): Donationes complures sunt. Dat aliquis ea mente, ut statim velit accipientis fieri, nec ullo casu ad se reverti, et propter nullam aliam causam facit, quam ut liberalitatem et munificentiam exerceat: haec proprie donatio appellatur.

§ 1 I. de donat. (2, 7): Mortis causa donatio est, quae propter mortis fit suspicionem: cum quis ita donat, ut, si quid humanitus ei contigisset, haberet is, qui accepit: sin autem supervixisset, qui donavit reciperet, vel si eum donationis poenituisset, aut prior decesserit is, cui donatum sit. Hae mortis causa donationes, ad exemplum legatorum redactae sunt per omnia ; a nobis con

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stitutum est, ut per omnia fere legatis connumeretur Et in summa, mortis causa donatio est, cum magis se quis velit habere quam eum, cui donatur, magisque eum, cui donat, quam heredem

suum.

$ 30.

Die Clauseln des Rechtsgeschäfts.

Die normalen Wirkungen des Rechtsgeschäfts können durch Nebenberedung der Parteien modificirt werden. Darin besteht das Wesen des clausulirten Rechtsgeschäfts. Drei Arten von Clauseln sind von besonderer Bedeutung: Bedingung (conditio), Termin (dies) und Auflage (modus).

I. Die Bedingung ist eine zukünftige ungewisse Thatsache, von deren Eintritt die Parteien die Wirkungen des Rechts

Sohm, Institutionen.

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