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väterlicher, die andere Hälfte auf die Ascendenten mütterlicher Seite, so dass also z. B. der Grossvater väterlicher Seits, welcher allein überlebt, die eine ganze Hälfte der Erbschaft, die beiden Grosseltern mütterlicher Seits (falls hier noch beide Grosselterntheile überleben) zusammen nur die andere Hälfte der Erbschaft empfangen.

Ueberleben aber neben den Ascendenten auch vollbürtige Geschwister und Kinder von vorverstorbenen vollbürtigen Geschwistern den Erblasser, so werden diese Geschwister bezw. deren Kinder 9) neben den Ascendenten berufen. Ascendenten und Geschwister erben dann in capita (hier also wird unter den Ascendenten die väterliche und die mütterliche Linie nicht unterschieden): auf Jeden fällt ein gleicher Erbtheil. Kinder von vorverstorbenen vollbürtigen Geschwistern treten in die Stelle ihres vorverstorbenen parens ein (Repräsentationsrecht), und empfangen zusammen den Theil, welcher diesem zugekommen wäre (successio in stirpes).

3) Die dritte Klasse bilden halbbürtige Geschwister und Kinder von vorverstorbenen halbbürtigen Geschwistern, ohne Unterscheidung von consanguinei und uterini (oben S. 269), also auf Grund cognatischer halbbürtiger Geschwisterschaft. Es gilt unter den halbbürtigen Geschwistern gleiche Erbtheilung (successio in capita). Die Kinder vorverstorbener halbbürtiger Geschwister treten in die Stelle ihres parens ein (Repräsentationsrecht), und erben zusammen den Theil, welcher ihrem parens zugekommen wäre (successio in stirpes).

4) Die vierte Klasse bilden alle übrigen Seitenverwandten, welche nach der Nähe des Grades berufen werden. Die prätorische Beschränkung der Erbfähigkeit auf den sechsten bezw. siebenten Grad der Seitenverwandtschaft (oben S. 340) ist jedoch aufgehoben worden. Soweit die Seitenverwandtschaft überhaupt nachweisbar ist, kann sie, falls nur keine näheren Verwandten auftreten, geltend gemacht werden. Dabei gilt jedoch weder Repräsentationsrecht, der nähere Grad schliesst vielmehr schlecht

9) Die Letzteren nach Nov. 118 nur neben Geschwistern, nicht auch neben Ascendenten, nach Nov. 127 auch neben Ascendenten.

weg den ferneren aus, nach successio in stirpes: unter mehrere gleich nahe Seitenverwandte wird immer zu gleichen Theilen (in capita) getheilt.

Es gilt im Verhältniss der einzelnen Klassen successio ordinum: wird von der erstberufenen Klasse Niemand Erbe, sei es in Folge Todes (vor dem Erbschaftsantritt), oder Ausschlagung, so wird der nächstberufenen Klasse deferirt. Es gilt ferner in den einzelnen Klassen successio graduum: wird von dem nächstberufenen Grade Niemand Erbe, so wird dem nächstfolgenden Grade deferirt.

Durch die Nov. 118 (und Nov. 127) ist nur die Verwandtenerbfolge reformirt worden. Für die Erbfolge der Ehegatten blieb es bei der prätorischen bonorum possessio unde vir et uxor, sodass also auch nach justinianischem Recht der Ehegatte erst dann zur Erbschaft berufen wird, wenn Niemand von der Verwandtschaft Erbe wird. Auch durch den entferntesten Seitenverwandten wird der Ehegatte ausgeschlossen. Nur die dürftige (und undotirte) Wittwe hat nach justinianischem Recht neben den Verwandten ihres Mannes einen Anspruch auf den vierten Theil von dem Nachlass des (wohlhabenden) Ehemanns, neben mehr als drei Kindern aber nur auf eine Virilportion (also mit den Kindern zu gleichem Theil), und zwar so, dass sie, soweit sie ihre eignen Kinder beschränkt, nur Niessbrauch, nicht Eigenthum an ihrer Portion erwirbt, ein Recht, welches der dürftigen Wittwe auch durch Testament ihres Mannes nicht entzogen werden kann.

Die bonorum possessio unde vir et uxor ist zugleich der letzte Rest des einstigen prätorischen Intestaterbrechts, welches in das justinianische Recht hineinragt; im Uebrigen ist der Dualismus von hereditas und bonorum possessio für die Intestaterbfolge nicht mehr da. Er ist durch eine Entwickelung, welche das vom Prätor vertretene natürliche Erbfolgesystem des jus gentium zum Siege führte, innerlich überwunden worden.

Starb ein Hauskind, welches noch in der väterlichen Gewalt war, so wurde nach dem Recht vor der Novelle 118 das ganze Vermögen des Hauskindes (auch sein peculium castrense und quasi castrense) von seinem Vater jure peculii eingezogen, als ob es immer Eigenthum des Vaters gewesen wäre (oben

S. 298). Nach der Novelle 118 wird das Hauskind aber ebenso beerbt wie ein paterfamilias, also zunächst von seinen eignen Kindern. Nur dass das Erbtheil dieser Kinder des Hauskindes unter den Gesichtspunkt der bona adventicia fällt, so dass also dem Grossvater, als dem Inhaber der patria potestas auch über die Enkel, daran Niessbrauchs- und Verwaltungsrecht zufällt (oben S. 298). Auch in dieser Hinsicht stellt die Novelle 118 den Abschluss einer Jahrhunderte langen Entwickelung dar. Gleichzeitig ward das Cognationsprincip für das Intestaterbrecht, und mit der Beerbungsfähigkeit die volle Vermögensfähigkeit des Hauskindes durchgesetzt: dort wie hier war es die patria potestas, deren civilrechtliche Wirkungen vor den Anschauungen einer anderen Zeit verschwanden.

Nov. 118 pr.: Quia igitur omnis generis ab intestato successio tribus cognoscitur gradibus, hoc est ascendentium et descendentium et ex latere, quae in agnatos, cognatosque dividitur, primam esse disponimus descendentium successionem.

c. 1: Si quis igitur descendentium fuerit ei, qui intestatus moritur, cujuslibet naturae aut gradus, sive ex masculorum genere, sive ex feminarum descendens, et sive suae potestatis, sive sub potestate sit, omnibus ascendentibus et ex latere cognatis praeponatur.

c. 2: Si igitur defunctus descendentes quidem non relinquat heredes, pater autem, aut mater, aut alii parentes ei supersint, omnibus ex latere cognatis hos praeponi sancimus, exceptis solis fratribus ex utroque parente conjunctis defuncto Si autem plurimi ascendentium vivunt, hos praeponi jubemus, qui proximi gradu reperiuntur, masculos et feminas, sive paterni, sive materni sint. -

c. 3 pr.: Si igitur defunctus neque descendentes, neque ascendentes reliquerit, primos ad hereditatem vocamus fratres et sorores ex eodem patre et ex eadem matre natos, quos etiam cum patribus ad hereditatem vocavimus. His autem non existentibus, in secundo ordine illos fratres ad hereditatem vocamus, qui ex uno parente conjuncti sunt defuncto, sive per patrem solum, sive per matrem. Si autem defuncto fratres fuerint et alterius fratris, aut sororis praemortuorum filii, vocabuntur ad hereditatem isti cum de patre et matre this masculis et feminis, et quanticunque fuerint, tantam ex hereditate percipient portionem, quantam eorum parens futurus esset accipere, si superstes esset.

c. 3 §1: Si vero neque fratres, neque filios fratrum, sicut diximus, defunctus reliquerit, omnes deinceps a latere cognatos ad hereditatem

vocamus, secundum uniuscujusque gradus praerogativam, ut viciniores. gradu ipsi reliquis praeponantur.

c. 4: Nullam vero volumus esse differentiam in quacunque successione aut hereditate inter eos, qui ad hereditatem vocantur, masculos ac feminas, quos ad hereditatem communiter definivimus vocari, sive per masculi, sive per feminae personam defuncto jungebantur; sed in omnibus successionibus agnatorum cognatorumque differentiam vacare praecipimus.

L. un. C. unde vir et uxor (6, 18) (THEODOS.): Maritus et uxor ab intestato invicem sibi in solidum pro antiquo jure succedant, quotiens deficit omnis parentum, liberorum seu propinquorum legitima, vel naturalis successio, fisco excluso.

§ 99.

Die testamentarische Erbfolge.

Das Testament ist in seiner schliesslich vom römischen Recht ausgebildeten Gestalt das einseitige letztwillige Rechtsgeschäft der Erbeseinsetzung. Es ist einseitig (vgl. oben S. 92), denn es kommt allein durch den Willen des Testators zu Stande; eine etwaige Annahmeerklärung seitens des eingesetzten Erben ist weder nothwendig, noch relevant. Es ist letzt willig, denn es ist widerruflich, so lange der Testator lebt. Jedes zweite Testament ist nothwendig die Aufhebung des früheren; Niemand kann aus zwei Testamenten beerbt werden; rechtsgültig ist immer allein das letzte Testament. Aus diesem letzten Testament wird den eingesetzten Erben nothwendig die ganze Erbschaft deferirt, denn: Nemo pro parte testatus, pro parte intestatus decedere potest (oben S. 323). Nur der Soldat hat nach römischem Recht das Vorrecht, über einen Theil seiner Erbschaft testiren zu können 1). Der wesentliche Inhalt des Testaments ist die Erbeseinsetzung. Fehlt die Erbeseinsetzung, oder wird die Erbeseinsetzung durch Tod oder Ausschlagung der Erben oder sonst entkräftet, so ist das ganze Testament ungültig. Ohne gültige Erbeseinsetzung kein gültiges Testament. Aber das Testament kann ausser der Erbeseinsetzung noch andere letzt

1) Daher heisst es vollständig: Nemo ex paganis pro parte testatus u. S. W. Paganus ist der Civilist im Gegensatz zum miles.

willige Verfügungen enthalten: Freilassungen (oben S. 76), Vermächtnisse, Vormundschaftsernennungen, deren Gültigkeit dann von der Gültigkeit der Erbeseinsetzung abhängig ist.

Testamenti factio activa, d. h. die Fähigkeit, ein römisches Testament zu errichten, hat nur der vollkommen handlungsfähige civis Romanus paterfamilias. Der filiusfamilias kann nur über seine bona castrensia und quasi castrensia testiren, weil er in Bezug auf diese Güter paterfamilias ist. Der impubes, der furiosus, der prodigus ist wegen Handlungsunfähigkeit vom Testiren ausgeschlossen. Der pubes minor kann testiren, weil er vollkommen handlungsfähig ist (oben S. 100). Die Beschränkung der Frau (welche sui juris war), dass sie nur unter auctoritas ihres Geschlechtsvormundes testiren könne, fiel mit der tutela mulierum

hinweg.

Dagegen ist die testamenti factio passiva, d. h. die Fähigkeit, in einem Testament mit Erbeseinsetzung oder Vermächtniss bedacht zu werden, in der Vermögensfähigkeit nach jus civile (jus commercii), also für das justinianische Recht, welches den Gegensatz von jus civile und jus gentium nicht mehr kennt, schlechtweg in der gemeinen Vermögensfähigkeit, d. h. in der Persönlichkeit als solcher (oben S. 73) enthalten. Nur muss der eingesetzte Erbe im Moment des Todes des Erblassers mindestens als nasciturus existirt haben (vgl. oben S. 73 a. E.). Auch die juristischen Personen des öffentlichen Rechts (Staat, Kirche, Gemeinden) haben nach justinianischem Recht t. f. passiva; anderen juristischen Personen muss sie durch kaiserliches Privileg verliehen sein. Gewissen Personen ist durch positives Gesetz zur Strafe die Erbfähigkeit, und damit auch die t. f. passiva entzogen worden (unten S. 366).

Die Entwickelungsgeschichte, welche das römische Testament durchgemacht hat, ergiebt sich aus der folgenden Darstellung.

I. Das altcivile Recht kannte ursprünglich nur das Testament vor der Volksversammlung (calatis comitiis). Wahrscheinlich deshalb, weil die Erbeseinsetzung ursprünglich eine abgeschwächte Art der Adoption war 2), eine Adoption nämlich,

2) Für diese Ansicht vgl. jetzt die überzeugende Ausführung von Schulin in der oben S. 331 Note 1 citirten Abhandlung, insbesondere S. 50 ff.

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