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geschäft aufgenommen wird bedeutet die Kraft, welche das Vermögen im Fall des Todes vor dem Untergange rettet, und damit Erbrecht und Erbfolge hervorbringt.

Die Form aber, welche die römische Jurisprudenz der Erbfolge gegeben hat, ist die der Universalsuccession. Das heisst: das Vermögen wird als Ganzes erhalten, mit seinen Rechten, mit seinen Schulden, und als Ganzes geht es auf den (oder die) Erben über. Durch diese Idee der Universalsuccession hat das römische Erbrecht die ihm innewohnende geistige Ueberlegenheit über das deutsche Erbrecht gewonnen, welche dann nach der Reception zum Sieg der römischen Erbrechtsbegriffe über die deutschen geführt hat. Das deutsche Erbrecht ist über den naiven Standpunkt der Urzeit, welcher die einzelnen Stücke des Nachlasses auf die Erben vertheilt (Standpunkt der Singularsuccession) nicht hinausgekommen. Das römische Recht, kühner vorangehend, hat von der Singularsuccession, welche auch hier den Ausgangspunkt gebildet hat, den Fortschritt zur Universalsuccession gefunden. Hier wird das Vermögen nicht nach reellen Theilen auf die Erben verzettelt. Das Vermögen bleibt vielmehr eine Einheit. Jedem Erben fällt grundsätzlich das ganze Vermögen zu. mehrere Erben eintreten, und daher concursu partes fiunt, so theilt sich die Erbschaft unter sie nach ideellen (aliquoten) Theilen. Kein Erbe kann eine Sache (ein einzelnes Nachlasstück) erben. Eine Erbfolge giebt es nur in das Vermögen, in die Gesammtheit von Rechten und Schulden, welche der Erblasser hinterlässt.

Wenn

Die praktische Bedeutung der Universalsuccession liegt auf dem Gebiet der Schuldennachfolge, und sicher war hier der Punkt, von welchem aus das römische Recht zu der Idee der Universalsuccession gelangte, um mittelst derselben die Welt des Erbrechts zu erobern. Theilt man den Nachlass nach einzelnen Stücken, so entsteht die schwerwiegende Frage: wo werden die Schulden bleiben? Die Erbfolge mit Singularsuccession gefährdet die Erbschaftsgläubiger. Ganz anders, wenn die Gesammtheit von Rechten und Pflichten als Einheit auf die Erben übergeht: der Erbe wird als Alleinerbe mit dem ganzen Vermögen die ganze Schuld; er wird als Theilerbe mit einem aliquoten Theil des Vermögens auch einen aliquoten Theil der Schuld überkommen

(wenn die Schuld nämlich theilbar ist; sonst werden alle Erben solidarisch, also jeder auf das Ganze haften).

Aber es bleibt noch eine Frage übrig. Haftet der Erbe nur mit der Erbschaft für die Schulden des Erblassers, oder haftet er auch mit seinem eignen Vermögen? Für den Standpunkt eines Erbrechts mit Singularsuccession ist nothwendig die erste Alternative gegeben. Die Idee der Universalsuccession schliesst nicht nothwendig die zweite Alternative in sich, aber sie lässt sie als möglich erscheinen, und für das römische Erbrecht ist es charakteristisch, dass es seine Idee von der Universalsuccession gerade im Sinne der zweiten Alternative ausgebildet hat: der Erbe haftet nach römischem Recht für die Schulden des Erblassers auch mit seinem eigenen Vermögen. Also: er haftet, wie wenn diese Schulden von ihm selber contrahirt wären. Oder, noch deutlicher ausgedrückt: er haftet gerade so, als ob er der Erblasser selbst wäre.

Hiermit ist das Wesen der römischen Universalsuccession ausgesprochen. Die römische Erbfolge ist weder Nachfolge in einzelne Rechte oder Schulden (Singularsuccession), noch auch blosse Nachfolge in das Vermögen als Einheit (Universalsuccession im weiteren Sinne des Worts), sie ist vielmehr zunächst und an erster Stelle Nachfolge in die vermögensrechtliche Persönlichkeit des Erblassers (Universalsuccession im Sinn des Erbrechts). Das heisst der Erbe gilt für das Privatrecht (für Eigenthumsverhältnisse, Schuldenverhältnisse u. s. f.) so als ob er der Erblasser wäre. Als Erbe ist er vielmehr der Erblasser, und darum berechtigt gleich dem Erblasser und verpflichtet gleich dem Erblasser. Er ist (als Erbe) ununterscheidbar von dem Erblasser. Folglich der Erblasser ist für das Privatrecht nicht todt, er lebt vielmehr in der Person des Erben. Das römische Privatrecht hat die privatrechtliche Persönlichkeit, den Eigenthümer, den Schuldner, unsterblich gemacht. Die Unsterblichkeit der Vermögensrechte sowie der Schulden, deren materieller Grund, wie wir gesehen haben, in der Tragkraft der Familie liegt, erscheint in der durchsichtig klaren Ideengestaltung des römischen Rechts formell als die blos logische Consequenz der Unsterblichkeit ihres Inhabers.

Damit ist zugleich der volle Gegensatz zwischen Universal

succession (in dem vollen Sinn des Worts, wie er vom römischen Erbrecht entwickelt worden ist) und Singularsuccession klargestellt. Die Singularsuccession, die Nachfolge in ein einzelnes Vermögensstück, bedeutet Wechsel des Subjects für das gleiche Rechtsverhältniss, die Universalsuccession aber Erhaltung des Subjects: das Wesen der Universalsuccession ist, keine Succession (Reihenfolge der Subjecte für das nämliche Rechtsverhältniss), sondern Continuation zu sein: es bleibt für das nämliche Rechtsverhältniss das nämliche Subject. In diesem Sinne ist die Universalsuccession Persönlichkeitsnachfolge, die Singularsuccession blosse Rechtsnachfolge. Den praktischen Unterschied aber spricht der Satz aus: die Singularsuccession lässt grundsätzlich nur Rechte, nicht Schulden, die Universalsuccession des Erbrechts aber auch die Schulden übergehen, und zwar mit der Wirkung, dass sie eigne Schulden des Erben werden: der Contrahent (der Erblasser) steht jetzt in der Person des Erben vor den Gläubigern.

Das Interesse, durch welches das römische Erbrecht fortentwickelt worden ist, war das Interesse der Erbschaftsgläubiger. Aber das Interesse der Gläubiger war mit dem Interesse des Schuldners selbst identisch. In demselben Augenblick, in welchem der Schuldner (kraft des Erbgangs) unsterblich wird, ist er creditfähig geworden. Jetzt giebt es einen Credit, welcher der Person gegeben werden kann (Personalcredit), denn die Person des Schuldners wird, auch wenn sie sterben sollte, nicht verschwinden die Existenz seiner Persönlichkeit ist für das Privatrecht über die Zufälle dieses Lebens hinausgehoben worden.

In diesem Sinne ist das Wesen der Erbfolge die Universalsuccession, d. h. die Nachfolge in die vermögensrechtliche Persönlichkeit des Verstorbenen.

L. 62 D. de R. I. (50, 17) (JULIAN): Hereditas nihil aliud est quam successio in universum jus, quod defunctus habuerit. Ebenso GAJUS in 1. 24 D. de V. S. (50, 16).

cum

L. 37 D. de adq. her. (29, 2) (POMPONIUS): Heres in omne jus mortui, non tantum singularum rerum dominium succedit, et ea, quae in nominibus sint, ad heredem transeant.

Sohm, Institutionen.

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§ 96.

Delation und Acquisition des Erbrechts.

Der Delationsgrund benennt den Erben für den Einzelfall; der Acquisitionsgrund macht zum Erben.

I. Das römische Recht kennt drei Delationsgründe: den Rechtssatz, welcher zur Intestaterbfolge, das Testament, welches zur testamentarischen Erbfolge, den Rechtssatz in Widerspruch mit dem Testament, welcher zur Notherbfolge beruft (vgl. oben S. 318). Die testamentarische Erbfolge geht der Intestaterbfolge vor, die Notherbfolge der testamentarischen. Die Notherbfolge macht nicht immer das ganze Testament ungültig die Notherbfolge kann also unter Umständen mit der testamentarischen Erbfolge concurriren, und der Erblasser dann zum Theil aus dem Testament, zum Theil kraft Rechtssatzes (gegen das Testament) beerbt werden. Dagegen schliessen die testamentarische und die Intestaterbfolge nach römischem Recht sich gegenseitig aus. Wer ein Testament macht, kann nicht für einen Theil seines Vermögens testiren, so dass er für einen andern Theil von seinen Intestaterben beerbt würde. Mag von vorneherein im Testament den eingesetzten Erben nicht die ganze Erbschaft zugewandt sein, oder mag nachträglich durch Ausschlagen der Erbschaft oder Tod (vor dem Erbschaftserwerb) ein Theil der Testamentserben hinwegfallen, immer wird auf die Testamentserben die ganze Erbschaft vertheilt; die freien (oder freigewordenen) Theile der Erbschaft accresciren den Testamentserben nach Verhältniss ihrer Erbportion. Erbeseinsetzung ist Einsetzung auf das ganze Vermögen. Nicht der Wille des Erblassers (dass der Eingesetzte z. B. nur ein Viertel der Erbschaft haben solle), sondern nur die Concurrenz von Miterben vermag ihn zu beschränken. Der Erblasser mag unter mehreren Miterben die Art ihrer gegenseitigen Beschränkung (ihre Quoten) frei bestimmen, er kann aber nicht bewirken, dass der Erbe durch den blossen Willen des Erblassers auf einen Theil der Erbschaft beschränkt sei, die Erbeseinsetzung ist auch in diesem Sinne eine successio in universum jus defuncti, gewiss nicht ohne geschichtlichen Zusammenhang mit der Thatsache, dass auch bei den Römern, wie bei den Griechen und Deutschen, das Testament aus der Adoption hervorging (unten S. 348 a. E.): die

Adoption wirkt aber ihrer Natur nach für das ganze Vermögen des Adoptirenden. Daher der Rechtssatz: Nemo pro parte testatus, pro parte intestatus decedere potest.

L. 151 D. de V. S. (50, 16) (TERENTIUS CLEMENS): Delata hereditas intelligitur, quam quis possit adeundo consequi.

L. 39 D. de adq. her. (29, 2) (ULPIAN): Quamdiu potest ex testamento adiri hereditas, ab intestato non defertur.

L. 7 D. de R. I. (50, 17) (POMPONIUS): Jus nostrum non patitur, eundem in paganis et testato et intestato decessisse: earumque rerum naturaliter inter se pugna est, testatus et intestatus.

II.

Die Acquisition des Erbrechts erfolgt nach römischem Recht in dreifach verschiedener Weise:

1) Die sui heredes, d. h. die agnatischen Descendenten des Erblassers, werden ipso jure Erben, ohne ihren Willen, ja gegen ihren Willen. Sie sind heredes sui et necessarii. In ihrem Erbrecht lebt das alte Familieneigenthum fort. Ihr Anrecht, welches sie schon (nach älterer Rechtsanschauung) bei Lebzeiten des Erblassers besassen, wird jetzt nur frei durch den Wegfall des Erblassers. Es handelt sich für sie nicht so sehr um Erwerb, als vielmehr um blosse Verwandlung ihres schon (in der Idee) bestehenden Miteigenthums neben dem Erblasser im Alleineigenthum. Darum bedarf es für sie einer Antretungshandlung nicht: der Delationsgrund ist für sie zugleich Acquisitionsgrund. Ja, auch die Ablehnung ist ihnen nach Civilrecht versagt: sie vermögen die Thatsache nicht zu ändern, dass sie als Familienglieder bereits „Eigenthümer" (heredes) 1) des hinterlassenen Vermögens sind. Erst der Prätor gab den sui heredes das beneficium abstinendi, d. h. das Recht, sich durch Willenserklärung der Erbschaft zu entschlagen. Obgleich der suus dann nach Civilrecht Erbe blieb, war er doch von prätorischen Rechtswegen nicht Erbe, und versagte der Prätor den Erbschaftsgläubigern die Klage gegen ihn. Durch Ausübung des Erbrechts aber (immiscere se hereditati) ging das beneficium abstinendi verloren. So waren auch die sui nach prätorischem Rechte vor die Wahl gestellt, ob sie die Erbschaft annehmen (durch immiscere), oder ausschlagen wollten (durch abstinere). Die alte Idee des Familieneigenthums war damit an diesem Punkte beseitigt.

1) Herus, heres heisst dominus, Herr, Eigenthümer.

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