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durch formales Versprechen des Schuldners zu begründen, fiel der stipulatio (unten § 67) zu, welche vielleicht ursprünglich an die Fiction eines Darlehns, insofern also gleichfalls an das nexum anknüpfte.

Wie mit der mancipatio fiduciae causa die Grundlage für die späteren negotia bonae fidei, so war mit dem nexum Grundlage und Vorbild für die negotia stricti juris (die streng einseitig obligirenden, das Ermessen des Richters ausschliessenden) Rechtsgeschäfte gegeben.

§ 12.

Die Anfänge des jus gentium.

Selbstverständlich gab es in Rom von jeher neben den feierlichen, mit der Rechtskraft des jus civile ausgestatteten Rechtsgeschäften, auch zahllose Verkehrsgeschäfte, welche ohne jegliche Form abgewickelt wurden. Es verstand sich von selbst, dass unzählige Käufe einfach durch Hin- und Hergeben von Waare und Preis, auch gewiss häufig Darlehen durch einfache Hingabe der Geldsumme geschlossen wurden u. s. w. Es gab einen formlosen Kauf, eine formlose Tradition (Uebergabe der Waare zum Zweck des Eigenthumsübergangs), ein formloses Darlehn und dergleichen mehr. Aber alle diese formlosen Vorgänge entbehrten nach altrömischem Recht der Rechtskraft. Es war ein Geschäft, aber kein Rechtsgeschäft, welches durch formlosen Kauf zu Stande kam. Hatte der Verkäufer eine fremde Sache verkauft und tradirt, welche dem Käufer dann von ihrem wahren Eigenthümer abgenommen wurde, so stand dem Käufer keine Klage gegen seinen Verkäufer zu. Das ganze Verhältniss war rein thatsächlicher Natur, etwa wie noch heute der Handelsverkehr mit wilden Völkern: da wird getauscht und verkauft, aber Rechtsverhältnisse, klagbare Befugnisse kommen nicht zu Stande.

Es lag jedoch ein Moment vor, welches den formlosen Geschäften zu rechtlicher Gültigkeit verhelfen musste. Dies Moment war der Verkehr der Ausländer, sofern er sich in Rom bewegte. Der Fremde, der Nichtbürger, war von der Vornahme der solennen Rechtsgeschäfte des altrömischen Rechts geradezu ausgeschlossen. Die mancipatio und ebenso das nexum waren

ungültig, wenn einer der Betheiligten, sei es auch nur einer der Zeugen, nicht römischer Bürger war. Hätte der fremde Kaufmann also auch in Rom die Formen der mancipatio beobachten wollen, es hätte ihm nichts genützt, denn die mancipatio wäre trotzdem nichtig gewesen. Der Verkehr der Fremden in Rom, auch also der Verkehr der Fremden mit römischen Bürgern war zu allen Zeiten auf jene formlosen Rechtsgeschäfte angewiesen. Es gab keine anderen Rechtsgeschäfte für sie. Und wäre es möglich gewesen, diesen Rechtsgeschäften der fremden Handelsleute auf die Dauer die Rechtsgültigkeit zu versagen? Es war nöthig, nicht blos (was sich von selbst verstand), dass diese formlosen Geschäfte gültig waren, wenn Fremde untereinander paciscirt hatten, sondern, dass sie auch gültig waren, wenn der Fremde mit einem römischen Bürger ein solches Geschäft einging. Ja, da auch unter den römischen Bürgern selbst tagtäglich Geschäfte dieser Art ohne Form eingegangen wurden, so ergab sich von selbst, dass die Entwickelung zur rechtlichen Anerkennung derselben sowohl für Bürger wie für Nichtbürger drängte.

Schon zur Zeit der zwölf Tafeln war der erste Schritt in dieser Richtung vollbracht worden. Die zwölf Tafeln erklärten auch die formlose Tradition für einen rechtsgültigen Eigenthumserwerbsgrund (an res nec mancipi), sofern sie auf Grund eines Kaufgeschäftes erfolgte, und soferne der Kaufpreis vom Käufer wirklich gezahlt war. Der Rechtssatz der zwölf Tafeln von der Nothwendigkeit der Preiszahlung für den Eigenthumserwerb des Käufers (der Preiszahlung ward dann die Creditirung des Preises gleichgestellt) ist bis auf Justinian nicht blos auf die Mancipation, sondern gerade an erster Stelle auf den Erwerb durch Tradition bezogen worden 1). Die Eigenthum übertragende Kraft der Kauftradition ist dann auf die Tradition schlechtweg übertragen worden. Die Rechtsnothwendigkeit der feierlichen Mancipation beschränkte sich auf bestimmte Klassen von Sachen, die sog. res mancipi (unten § 49), für welche wahrscheinlich von Alters her der Gebrauch der Mancipation thatsächlich vorwiegend in Uebung war.

Es

1) Vgl. § 41 I. de rer. div. (2, 1): Venditae et traditae (res) non aliter emtori acquiruntur, quam si is venditori pretium solverit vel alio modo satisfecerit, veluti expromissore aut pignore dato; quod cavetur lege XII tabularum.

waren die Sachen, welche den eigentlichen Grundstock des bäuerlichen Vermögens bildeten: das Grundstück (fundus Italicus) mit seinem lebendigen Inventar (Sklaven und Zug- und Lastthiere). Für alle übrigen Sachen (Geld, Kleidungsstücke, Geräthschaften u. s. w., die sog. res nec mancipi, nicht zum dauernden Besitz, sondern zum Verkehr bestimmt) genügte es zum Eigenthumserwerb, wenn sie einfach übergeben (tradirt) wurden.

Wie die formlose Tradition, so hat in der ferneren Entwickelung der formlose Kauf, das formlose Darlehen u. s. w. Rechtsgültigkeit empfangen.

Der Weltverkehr trat mit seinen Anforderungen den altväterischen Formen des römischen jus civile gegenüber. Schon hatte er gegen das Ende der Republik in der Anerkennung einer Reihe von formlosen Rechtsgeschäften einen ersten Erfolg davongetragen, einen Erfolg, welcher bereits die ganze Folgezeit in sich schloss. Mit dem Ausgang der republikanischen Epoche beginnt die Umwandlung des römischen Stadtrechts in das Weltrecht der Zukunft.

Zweites Kapitel.

Die Zeit des Weltrechts.

(Die Kaiserzeit.)

§ 13.

Jus civile und jus gentium.

Jus civile ist Stadtrecht. An seine Stelle sollte das jus gentium (Weltrecht) treten.

Schon hatte das römische Stadtrecht eine Reihe von Rechtsgeschäften aufgenommen, deren gemeinsamer Charakterzug die Formlosigkeit, die leichte Handhabung, die freie Beweglichkeit war (§ 12).

Die Römer selber machten die Wahrnehmung, dass ihr Recht bereits ein doppeltes Element enthielt: das eine durch die Form wirkende, welches ihrem alten jus civile entstammte, das andere formfreie, welches durch die Berührung des römischen Verkehrs mit dem Weltverkehr zur Rechtskraft erstarkt war, jenes nur für

den Verkehr der römischen Bürger unter einander, dieses auch für die Fremden (peregrini) gültig und bestimmt. Das Recht der ersten Art, das eigenthümlich römische Recht, hiess ihnen jetzt jus civile im engeren, besonderen Sinne (jus proprium civium Romanorum), das andere aber erschien ihnen als ein gemeines Menschenrecht, durch die Natur der Dinge und gemeinmenschliches Billigkeitsgefühl allen Völkern gemeinsam (jus gentium, quod apud omnes gentes peraeque custoditur), gewissermassen ein kraft seiner Selbstverständlichkeit überall geltendes Naturrecht. Nicht als ob man die Geltung eines von den Philosophen erdachten Naturrechts hätte einführen wollen, vielmehr war und blieb auch das jus gentium ein Theil des positiven, durch die Verkehrsgewohnheiten und andere Rechtsquellen (insbesondere das prätorische Edict, § 14) concret gestalteten römischen Rechts. Auch nicht, als ob man einfach fertiges fremdes Recht (hellenisches Recht) aufgenommen hätte; das geschah nur ganz ausnahmsweise, und auch hier unter Wahrung der römischen Selbständigkeit (z. B. bei der Hypothek). Nein, es war lediglich das erwachende Bewusstsein, dass durch Aufnahme des freieren Elements das römische Recht beginne, seine nationalen Besonderheiten abzulegen und aus localem Sonderrecht und Stadtrecht in ein gemeines Weltrecht sich zu verwandeln, welches in der Entgegensetzung von jus civile und jus gentium zum Ausdruck gelangte. Jus gentium war der Theil des römischen Privatrechts, welcher mit dem Privatrecht anderer Völker (insbesondere dem griechischen Recht, das an den Gestaden des Mittelmeeres eine natürliche Vorherrschaft ausübte) übereinstimmte. Mit anderen Worten: jus gentium war derjenige Theil des römischen Rechts, welcher schon den Römern als ratio scripta, als gemeingültiges und gemeinmenschliches Recht erschien.

Die Unterscheidung des römischen Rechts in jus civile und jus gentium war nicht von blos theoretischem, sondern von eminent praktischem Werthe. Der Verkehr der Fremden, der Griechen, Phönicier, Juden, stand in Rom unter römischem Recht, aber unter römischem jus gentium; nach römischem Sonderrecht (jus civile in seinem neuen, engeren Sinne) konnte nur der römische Bürger mit dem römischen Bürger verkehren. Das jus gentium war also zugleich das römische Fremdenrecht (das Verkehrsrecht

der Peregrinen), wie es ja auch unter dem Einfluss des Fremdenverkehrs seine Gestalt gewonnen hatte.

Bei jedem Volk tritt ein Moment ein, in welchem die Anforderungen natürlichen Billigkeitsgefühls gegen die überlieferten Formen einer strengeren Urzeit reagiren. Bei den Römern war dieser Moment jetzt herangekommen. Das jus gentium war das jus aequum, welches im Gegensatz zu dem altüberlieferten jus strictum sich immer bedeutender entfaltete. Die Geschichte des römischen Rechts ging darauf hinaus, dies neu aufkommende jus aequum an die Stelle des jus strictum zu setzen, das alte jus civile zu vernichten durch jus gentium. Aber der römische Rechtsinstinct liess diese Entwickelung nicht mit einem Schlage vor sich gehen. Nicht wie ein Hagelwetter kam das jus gentium über das jus civile. Es war vielmehr die stetige, unausgesetzte Arbeit von mehr als einem halben Jahrtausend, welche ganz allmälig das Billigkeitsrecht neben dem älteren strengeren Recht zur Ausbildung brachte, und dann erst, als die Formen des jus civile altersgrau, leer, von selber lebensunfähig geworden waren, dasselbe völlig beseitigte. Langsam, mit Vorsicht, gewissermassen Stück für Stück, ward ein Theil des freieren, billigen Rechts nach dem anderen entfaltet, probirt und dem römischen Rechtsorganismus einverleibt. Eine ungeheure Detailarbeit reformirte das römische Recht. Und allein durch diese Sorgfalt, welche nicht auf stolzen Rossen allgemeiner unklarer Billigkeitsprincipien einherzog, sondern mit dem ererbten römischen Sinn für Mass, Form und Gesetzlichkeit das Billigkeitsrecht auf klare, ins Feinste durchgearbeitete, in allem Einzelnen erwogene Grundsätze brachte, konnte das römische Recht trotz der weiten, freien Entfaltung seines Inhalts doch die künstlerische, den Stoff bändigende und in feste architektonische Form zwingende Gestaltungskraft bewahren, welche aus dem römischen Recht, insbesondere dem römischen Privatrecht, ein nie wieder erreichtes Vorbild für alle Zeiten gemacht hat.

In der Ausarbeitung des jus gentium, des natürlich-billigen Verkehrsrechts zu einem krystallklaren, wunderbar durchsichtigen, durch Form und Inhalt den beschauenden Geist bezwingenden System hat die weltgeschichtliche Mission des römischen Rechts bestanden. Durch diese Leistung, welche es für alle Zeiten vollbracht hat, ward es fähig, nicht blos ein Weltrecht des römischen

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