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$ 73. Quasidelicte.

Quasidelicte heissen die Fälle der Delictswirkung (Verpflichtung zum Schadensersatz bezw. Strafe) bei blos delictsähnlichem Thatbestand.

1) Der judex qui litem suam fecit, d. h. der schuldhafter Weise ungerecht urtheilende Richter, ist zu arbiträrem Schadensersatz verpflichtet. Dieser Fall erscheint unter den Quasidelicten, weil der Richter auch im Fall blosser imprudentia haftet, und ein Verstandesfehler nicht nothwendig zugleich ein Willensfehler ist.

2) Gegen den (oder die) Bewohner des Zimmers, aus welchem mit schädigendem Erfolg etwas hinausgeworfen oder gegossen ist, wird vom Prätor eine Klage auf doppelten Schadensersatz (also eine actio mixta) gegeben: die actio de effusis vel dejectis.

3) Gegen denjenigen, welcher über einer öffentlichen Strasse auf gemeingefährliche Weise etwas hingestellt oder hingehängt hat, giebt der Prätor eine Popularklage (cuivis ex populo, vgl. S. 135) auf eine Privatstrafe von 10 Goldsolidi: die actio de posito vel suspenso.

4) Gegen den Schiffsherrn (nauta), den Gastwirth (caupo), den Stallwirth (stabularius) giebt der Prätor auf Grund der Delicte ihrer Angestellten (sofern dieselben im Bereich ihrer Anstellung thätig waren) dem Geschädigten eine actio in factum auf das Doppelte, also eine actio mixta.

5) Aus dem Delict des servus kann der Herr mit der Noxalklage (actio noxalis) dahin in Anspruch genommen werden, dass er entweder die Folgen des Delictes auf sich nehme oder den Sklaven dem Verletzten ausantworte (noxae dare). Das Gleiche gilt, wenn ein Thier unerwarteter Weise (contra naturam sui generis) Schaden angerichtet hat: gegen den Eigenthümer geht die sog. actio de pauperie als Noxalklage. Nach vorjustinianischem Recht haftete auch der paterfamilias mit der Noxalklage aus den Delicten des filiusfamilias.

pr. I. de obl. quasi ex delicto (4, 5): Si judex litem suam fecerit, non proprie ex maleficio obligatus videtur. Sed, quia neque ex contractu obligatus est, et utique peccasse aliquid intelligitur,

licet per imprudentiam, ideo videtur quasi ex maleficio teneri et, in quantum de ea re aequum religioni judicantis videbitur, poenam sustinebit.

§ 1 eod. Item is, ex cujus coenaculo, vel proprio ipsius, vel conducto, vel in quo gratis habitabat, dejectum effusumque aliquid est, ita, ut alicui noceretur, quasi ex maleficio obligatus intelligitur, Ideo autem non proprie ex maleficio obligatus intelligitur, quia plerumque ob alterius culpam tenetur, aut servi, aut liberi. Cui similis est is, qui ea parte, qua vulgo iter fieri solet, id positum aut suspensum habet, quod potest, si ceciderit, alicui nocere: quo casu poena decem aureorum constituta est. De eo vero, quod dejectum effusumve est, dupli, quanti damnum datum sit, constituta est actio.

§ 3 eod.: Item exercitor navis, aut cauponae, aut stabuli, de dolo aut furto, quod in nave, aut in caupona, aut in stabulo factum erit, quasi ex maleficio teneri videtur, si modo ipsius nullum est maleficium, sed alicujus eorum, quorum opera navem, aut cauponam aut stabulum exerceret. Cum enim neque ex contractu sit adversus eum constituta haec actio, et aliquatenus culpae reus est, quod opera malorum hominum uteretur, ideo quasi ex maleficio teneri videtur. In his autem casibus in factum actio competit, quae heredi quidem datur, adversus heredem autem non competit.

pr. I. de noxal. act. (4, 8): Ex maleficiis servorum, veluti si furtum fecerint, aut bona rapuerint, aut damnum dederint, aut injuriam commiserint, noxales actiones proditae sunt, quibus domino damnato permittitur, aut litis aestimationem sufferre, aut hominem noxae dedere. § 1. Noxa autem est corpus, quod nocuit, id est servus; noxia ipsum maleficium, veluti furtum, damnum, rapina, injuria.

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§ 7 eod. Sed veteres quidem haec et in filiisfamilias masculis et feminis admiserunt. Nova autem hominum conversatio hujusmodi asperitatem recte respuendam esse existimavit, et ab usu communi haec penitus recessit. Quis enim patiatur, filium suum, et maxime filiam in noxam alii dare, ut paene per corpus pater magis, quam filius periclitetur, cum in filiabus etiam pudicitiae favor hoc bene excludit? Et ideo placuit, in servos tantummodo noxales actiones esse proponendas, cum apud veteres legum commentatores invenimus saepius dictum, ipsos filiosfamilias pro suis delictis posse conveniri.

pr. I. si quadrup. (4, 9): Animalium nomine, quae ratione carent, si quidem lascivia, aut fervore, aut feritate pauperiem fecerint, noxalis actio lege duodecim tabularum prodita est. Quae ani

malia, si noxae dedantur, proficiunt reo ad liberationem, quia ita lex duodecim tabularum scripta est: puta, si equus calcitrosus calce percusserit, aut bos cornu petere solitus petierit. Haec autem actio in his, quae contra naturam moventur, locum habet; ceterum, si genitalis sit feritas, cessat.

III. Uebertragung und Aufhebung der Forderungsrechte.

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Uebertragung der Forderungsrechte.

Nach römischem Civilrecht kann die Forderung vom Gläubiger nicht auf einen Anderen übertragen (cedirt) werden. Wohl kann der Gläubiger den Dritten zu seinem Processprocurator machen (mandatum actionis), d. h. er kann ihm auftragen, seine Forderung einzuklagen, und es kann ferner ausgemacht sein, dass der Mandatar den Ertrag der Klage behalten soll (mandatum in rem suam). Aber auch ein solcher Processprocurator, welchem das mandatum actionis zu seinen Gunsten (in rem suam) gegeben. worden ist, kann nicht im eigenen, sondern nur im fremden Namen (im Namen des Auftraggebers) klagend auftreten. Er ist formell nicht berechtigt, sondern, gleich einem anderen Mandatar, nur verpflichtet zur Einklagung der Forderung: widerruft der Gläubiger das Mandat, oder stirbt der Gläubiger, so erlischt auch dies mandatum in rem suam gerade wie jedes andere Mandat. Der Mandatar in rem suam hat kein Recht an der Forderung. Er ist von Rechtswegen nicht Gläubiger, sondern nur ein Beauftragter des Gläubigers. In ein festes Verhältniss zur Forderung tritt er erst in dem Augenblick, in welchem er mit dem Schuldner litem contestirt hat. Die Ertheilung der formula (in diesem Act liegt die litis contestatio des klassischen Processes, oben S. 124) erfolgt, wenn ein Processprocurator auftritt, zu Gunsten (und ebenso, falls der Beklagte vertreten wird, zu Lasten) des Procurators, d. h. der Condemnationsbefehl der formula lautet zu Gunsten (bezw. zu Lasten) des Procurators, während die intentio der formula auf den Namen des vertretenen Berechtigten (bezw. Schuldners) gestellt ist: wenn

dem Mandanten (dem Gläubiger) 100 vom Verklagten geschuldet werden, so soll der Verklagte zur Zahlung der 100 an den Procurator verurtheilt werden. Dadurch wird der Procurator dominus litis. Laut Inhalt der formula muss der judex den Schuldner verurtheilen, ihm (dem Procurator) zu zahlen. Von diesem Augenblick an also ist das ertheilte Processmandat unwiderruflich, aber nicht blos das in rem suam gegebene, sondern jedes Processmandat (jeder Processprocurator wird durch die formula dominus litis). Das mandatum in rem suam ist in seiner Wirkung nach aussen von dem gewöhnlichen Mandat ununterscheidbar: auch der Mandatar in rem suam hat dem Schuldner gegenüber lediglich procuratorische Stellung, keine Gläubigerstellung, obgleich er dem Mandanten gegenüber nicht verpflichtet ist, das vom Schuldner Eingetriebene herauszuzahlen.

Von diesem Standpunkt hat das Civilrecht aber doch einen Schritt weiter gemacht. Es stellte sich fest, dass das mandatum in rem suam nicht erst im Augenblick der Litiscontestation, sondern bereits im Augenblick der Denunciation unwiderruflich werde, d. h. in dem Augenblick, wo der Mandatar in rem suam den Schuldner von der zu seinen Gunsten geschehenen Ertheilung des Mandats benachrichtigt hat. Jetzt unterschied sich das mandatum in rem suam von dem gewöhnlichen Processmandat. Das gewöhnliche Processmandat war widerruflich bis zur litis contestatio; das mandatum in rem suam war widerruflich nur bis zur denunciatio. Von dem Augenblick der Denunciation an hatte der Mandatar in rem suam jetzt ein Recht, dass der Schuldner ihm, nur ihm allein zahle. Darin lag die erste Ankündigung des Cessionsgedankens. Nicht die Gläubigerschaft, aber doch ein Recht auf Stellvertretung des Gläubigers: nicht die Zuständigkeit der Forderung, aber doch ein Recht, die fremde Forderung auszuüben, ging auf den Mandatar in rem suam über.

Vollendet ist diese Entwickelung durch den Prätor. Er machte das mandatum in rem suam mit seinen blos procuratorischen Wirkungen entbehrlich. Es war nach prätorischem Recht gleichgültig, ob der Gläubiger den Dritten zum Processprocurator gemacht hatte oder nicht, ob ferner das etwa ertheilte Processmandat vielleicht (vor der Denunciation) gültig zurückgenommen war oder nicht. Es kam nach prätorischem Recht nur auf das

Rechtsgeschäft an, durch welches die Veräusserung der Forderung erklärt wurde, also auf das über die Forderung abgeschlossene Kaufgeschäft, auf das Schenkungsgeschäft, auf das Dosbestellungsgeschäft u. s. f., welches den Willen, eine Forderung auf den Andern zu übertragen, enthielt. Es war nach prätorischem Recht nicht relevant das mandatum ad agendum, welches auf Grund des Veräusserungsgeschäfts ertheilt wurde, sondern allein dies Veräusserungsgeschäft, d. h. das Cessionsgeschäft, selber. Erst nach prätorischem Recht ward der Veräusserungswille in Bezug auf das Forderungsrecht rechtlich wirksam. Nach Civilrecht gab es nur ein Auftragsgeschäft zur Geltendmachung der fremden Forderung (des Auftraggebers), welches unter bestimmten Voraussetzungen unwiderruflich wurde. Nach prätorischem Recht gab es ein Cessionsgeschäft (Verkaufen, Verschenken der Forderung u. s. f.), welches kraft des erklärten Veräusserungswillens den Cessionar zu einer Geltendmachung der Forderung im eigenen Namen, d. h. als eines eigenen Forderungsrechts berechtigte. Nach prätorischem Recht gab es eine Singularsuccession in das Forderungsrecht, nach Civilrecht nicht.

Die Klage, welche der Prätor dem Cessionar auf Grund des Cessionsgeschäfts gab, war eine actio utilis (wo also bereits die intentio auf den Namen des Cessionars lautete). Diese actio utilis war vom Widerruf, Tod des Gläubigers schlechtweg unabhängig. Sie machte den Cessionar sofort zum Gläubiger des Schuldners. Aber es verstand sich von selbst, dass dem Schuldner, so lange er nichts von der Cession erfahren hatte, die an den ursprünglichen Gläubiger geleistete Zahlung aus Billigkeitsgründen angerechnet werden musste. Erst vom Augenblick ausreichend sicherer Benachrichtigung an konnte der Schuldner verpflichtet sein, die Cession zu respectiren. Also blieb die Denunciation immer noch von praktischer Bedeutung. Aber, sie war nicht mehr das Mittel, um ein Recht des neuen Gläubigers erst zu erwerben, sondern nur ein Mittel, um ein Recht des Schuldners (noch an den ursprünglichen Gläubiger zu zahlen) auszuschliessen.

Keine Cession liegt vor in der Novation (vgl. oben S. 220), wo kraft neuen Contractes mit dem Schuldner ein neues Forderungsrecht zu Gunsten eines neuen Gläubigers an Stelle des früheren Forderungsrechts erzeugt wird. Solche Novation kann

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