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§ 62.

Inhalt der Obligation.

Das Forderungsrecht geht entweder auf dare, d. h. auf Verschaffung des Eigenthums oder eines civilrechtlichen jus in re (Servitut), oder auf facere (irgend eine andere Handlung). Im ersteren Fall ist der Werth der Obligation sichtbar für das Civilrecht; er deckt sich mit dem Werth des Objects der Leistung (der Sache, bezw. der Servitut): die obligatio dandi ist eine certa obligatio (mit objectiv gegebenem, wahrnehmbarem, begrenztem Werth). Wird dagegen eine andere Leistung geschuldet (z. B. Dienstleistung, Bauen eines Hauses, Restitution einer Sache, welche mir bereits gehört, oder Verschaffung eines civilrechtlich nicht anerkannten Rechts an der Sache, z. B. einer superficies), so ist der Werth der Obligation nicht sichtbar für das Civilrecht; er ist nicht ausgesprochen in dem Werth des Objects der Leistung: die obligatio faciendi ist eine incerta obligatio mit nicht gegebenem, nicht wahrnehmbarem, nicht durch den Inhalt der Beredung fest begrenztem Werth.

Die Verpflichtung zur Verschaffung des Eigenthums an einer nur alternativ oder nur generell bestimmten Sache ist nicht Verpflichtung direct zur Verschaffung des Eigenthums, sondern zunächst zur Auswahl, und daher keine obligatio dandi, sondern obligatio faciendi, eine incerta obligatio: es ist kein Object da, in welchem der Werth der Verpflichtung gegeben und sichtbar wäre. Dagegen ist die Verpflichtung zur Verschaffung des Eigenthums an einer Quantität Fungibilien (z. B. 100 Hektoliter Weizen) eine obligatio dandi und obligatio certa: der Werth dieser Leistung ist in jeder Quantität dieser Art sichtbar, und das Auswählen, welches bei der alternativen oder generischen Obligation auf Leistung von Nichtfungibilien den nächsten Gegenstand der Verpflichtung bildet, ist hier unerheblich (tantundem ejusdem generis est idem, vgl. oben S. 162): es besteht hier eine Obligation direct auf Verschaffung von Eigenthum.

§ 63.

Negotia stricti juris und negotia bonae fidei.

Die Contracte sind theils darauf angelegt, eine bestimmte, genau begrenzte, theils darauf angelegt, eine unbestimmte, unbegrenzte und (im Voraus wenigstens) unbegrenzbare Verpflichtung zu erzeugen. Der ersteren Art sind die negotia stricti juris, der zweiten Art die negotia bonae fidei.

Negotia stricti juris sind diejenigen Contracte, welche genau zur Leistung des Versprochenen verpflichten (so z. B. die römische stipulatio, welche dem heutigen Wechsel vergleichbar ist, vgl. unten § 67). Sie werden dem Buchstaben nach ausgelegt. Was nicht versprochen ist, wird auch nicht geschuldet. Die Obligation ist ihrem Inhalt nach berechenbar, bestimmt. Ist das dare einer certa res durch negotium stricti juris zugesagt worden, SO besteht im vollen Sinne des Wortes eine certa obligatio: es wird nichts weiter geschuldet, als was zugesagt ist.

Dagegen sind die negotia bonae fidei Contracte, welche nicht zur Leistung des Versprochenen, sondern vielmehr zur Leistung alles dessen verpflichten, was nach Treu und Glauben in solchem Fall gefordert werden kann (was mehr und auch weniger sein kann als das Versprochene). Hier entsteht eine unberechenbare, nach Umständen verschieden sich bestimmende Verpflichtung; die Obligation ist immer eine incerta, wenn auch das ausdrücklich gegebene Versprechen direct auf dare einer certa res lautete (z. B. beim Tausch). Es wird stets geschuldet: quidquid dare facere oportet ex bona fide (vgl. S. 134).

Die negotia bonae fidei (z. B. Kauf, Tausch, Miethe, Societät) verpflichten, ohne Rücksicht darauf, ob dergleichen ausdrücklich zugesagt wurde oder nicht:

1) zur Sorgfalt (diligentia), und zwar regelmässig zu omnis (oder summa) diligentia, oder, wie es auch heisst, zur diligentia diligentis (oder, was dasselbe ist, diligentissimi) patrisfamilias, d. h. zu der Sorgfalt eines ordentlichen Mannes. Wird die Sorgfalt versäumt (sog. culpa levis), so muss dem Anderen dafür Schadensersatz geleistet werden. Nur ausnahmsweise wird lediglich für absichtliche, böswillige Beschädigung (dolus) und für jedes

Sohm, Institutionen.

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die Absicht nothwendig in sich schliessende grobe Verschulden (culpa lata) gehaftet. Die einzelnen Fälle dieser Art werden unten in der Lehre von den einzelnen Contracten namhaft gemacht werden.

2) zu vollem Schadensersatz für den Fall der versäumten oder der ungenügenden, oder der gar nicht erbrachten Leistung. Der Schuldner hat das quanti ea res est, d. h. allen direct durch verschuldetes Unterbleiben oder verschuldete Mangelhaftigkeit der Leistung dem Gläubiger zugefügten Schaden (das sog. Interesse) zu ersetzen. Im Fall des Verzuges (mora) schuldet er das Verzugsinteresse (Verzugszinsen). Anders bei den negotia stricti juris, oben S. 137. 138.

Für Zufall (casus) hat der Schuldner dagegen nicht zu haften (casus a nemine praestatur). Zufall im Sinne des Contractsrechts ist Alles, was ohne Verschulden des Schuldners sich ereignet. So kann ihm durch Zufall die Leistung unmöglich ge macht werden (z. B. die zu leistende Waare geht unter), und wird er dann befreit. Nur der Schuldner, welcher in mora solvendi ist, soll zur Strafe auch für casus einstehen, d. h. durch casus nicht befreit werden, sondern das Interesse leisten.

II. Entstehung der Forderungsrechte.

§ 64.

Contracte und Delicte.

Die Obligation entsteht entweder durch Consenserklärung (Contract), d. h. kraft des Willens des Schuldners, oder durch Rechtswidrigkeit (Delict), d. h. gegen den Willen des Schuldners.

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Neben den Contractsobligationen stehen die Fälle der obligationes quasi ex contractu, welche aus contractsähnlichen Thatbeständen, neben den Delictsobligationen stehen die Fälle der obligationes quasi ex delicto, welche aus delictsähnlichen Thatbeständen hervorgehen.

A. Contractsobligationen.

§ 65. Einleitung.

Das römische Recht hat zu allen Zeiten daran festgehalten, dass nicht jedes Schuldversprechen rechtlich gültig und klagbar sei, dass vielmehr ein bestimmter Rechtsgrund (causa civilis) hinzukommen müsse, um das Versprechen für das Recht gültig und klagbar zu machen. Daher der engere Begriff des Ausdrucks contractus im römischen Sinn. Contract ist nicht jede obligatorische Consenserklärung, sondern nur die kraft Civilrechts klagbare obligatorische Consenserklärung.

Die Klagbarkeit des Schuldversprechens kann nach Civilrecht begründet werden entweder re, d. h. dadurch, dass zu dem obligatorischen Consens eine Leistung hinzutritt, auf Grund deren nun die Gegenleistung gefordert wird (Real contracte, unten § 66), oder verbis, d. h. dadurch, dass der obligatorische Consens in bestimmter Wortform, nämlich in Frage- und Antwortform, erklärt wird (Verbalcontract, unten § 67), oder litteris, d. h. dadurch, dass der obligatorische Consens durch Eintragung in das Hausbuch verlautbart wird (Litteralcontract, unten § 68). Oder endlich: ausnahmsweise kann der obligatorische Consens auch ohne weitere Voraussetzung klagbar sein (sog. Consensualcontracte, unten § 69).

Aus dem Gesagten ergeben sich die vier Arten der Contracte, welche das römische Contractssystem ausmachen.

Die älteste Zeit war nicht so reich an Contractsformen ge

wesen.

Im altrömischen Recht steht im Vordergrund das nexum, d. h. das solenne Darlehen, welches per aes et libram, vor fünf Zeugen, unter Zuziehung eines libripens mit feierlichen Worten (damnas esto dare) gegeben wurde (oben S. 21). Der Darlehnsschuldner galt dann als bereits durch richterliches Urtheil zur Rückzahlung der Darlehnsschuld verpflichtet. Gegen ihn konnte sofort das Executionsverfahren durch durch manus injectio (vgl. oben S. 114) eröffnet und er vom Gläubiger (wenn Niemand

auftrat, um den Schuldner in libertatem zu vindiciren) in die Schuldknechtschaft abgeführt werden. Um dieser strengen Execution willen erhielt sich das nexum auch noch, nachdem das geprägte Geld eingeführt und also dem durch den libripens zugewogenen Stück aes der Geldwerth genommen war. Die reelle Darlehnszahlung lag jetzt ausserhalb des nexum, aber die Form des nexum gab dem gegebenen Darlehn die volle Executivkraft des alten Rechts. Als dann durch eine lex Vallia dem nexum die strenge Wirkung der Personalhaft genommen war, kam dasselbe ausser Uebung. Es blieb allein das formlose Darlehn (mutuum) übrig, dem direct die Klagbarkeit zuerkannt wurde, ein Realcontract im Styl des sich entwickelnden neuen Rechts (jus gentium), nur noch darin alte Erinnerungen bewahrend, dass er als negotium stricti juris behandelt wurde: der Darlehnsschuldner war als solcher nur genau zur Rückzahlung der empfangenen Summe verpflichtet, nie zu mehr (also z. B. nie zur Zinszahlung, vgl. unten § 67), nie zu weniger.

Neben dem nexum kam als andere Contractsform, mit ganz anderen Zwecken, die mancipatio fiduciae causa auf, die solenne Eigenthumsübertragung nummo uno mit Verpflichtung zur Rückübertragung des Eigenthums durch remancipatio. Aus der fiducia ging die actio fiduciae, eine actio bonae fidei, hervor (oben S. 27). Wie die mancipatio fiduciae causa den Pfandcontract (oben S. 200), so konnte sie auch das Depositum (dem Freund ward die Sache fiduciae causa mancipirt), das Commodat, überhaupt alle solche Contracte ersetzen, wo eine Sache hingegeben werden sollte unter Vorbehalt der Pflicht zur Rückgabe (z. B. Mandat, Miethe). In all diesen Fällen war nur das unbequem, dass der Empfänger, welcher dem wirthschaftlichen Erfolg nach nicht Eigenthümer, sondern nur Pfandgläubiger oder Depositar oder Commodatar u. s. w. sein sollte, doch durch die mancipatio formell zum Eigenthümer gemacht werden musste. In Folge dessen hatte der Hingebende immer nur ein persönliches Rückforderungsrecht gegen den ersten Empfänger oder dessen Erben (ein blosses Forderungsrecht), denn das Eigenthum hatte er ja durch Mancipation aufgegeben. Wie nun anstatt der mancipatio zu Pfandzwecken später direct die blosse Bestellung eines Pfandrechts als gültig anerkannt ward, so ward auch die blosse Hingabe (ohne Mancipation,

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