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kraft Civilrechts, sondern lediglich kraft des prätorischen Edicts eine Strafe einforderten, vom Prätor nur während eines annus utilis gegeben. Solche befristeten Klagen heissen actiones temporales. Die Klagbefristung schloss zugleich eine Rechtsbefristung in sich, weil der Rechtsanspruch in allen Fällen der actiones honorariae lediglich auf der Klageverheissung des Edicts (judicium dabo) beruhte. War die Klageverheissung befristet (intra annum judicium dabo), so war zugleich das Recht befristet. Mit dem Ablauf der Frist erlosch die actio temporalis, und mit ihr das Recht (auf Strafzahlung).

Das Civilrecht dagegen kannte grundsätzlich keine Klagbefristung. Die actiones civiles, und neben ihnen die actiones honorariae, für welche der Prätor keine Fristbestimmung gesetzt hatte, waren actiones perpetuae. Nur ausnahmsweise hatte das Civilrecht eine Fristbestimmung 1).

Die Kaiser Honorius und Theodosius aber haben (424 n. Chr.) aus nahe liegenden Zweckmässigkeitsgründen für alle Klagen eine Verjährung eingeführt. Die Verjährung tritt regelmässig nach Ablauf von 30 Jahren, ausnahmsweise nach Ablauf von 40 Jahren ein. Klagt der Kläger nach Ablauf dieser Zeit, so steht ihm die Einrede der Klagverjährung (praescriptio temporis) entgegen.

Die früheren Bestimmungen über Klagebefristung blieben bei Bestand. So sind actiones perpetuae jetzt die Klagen, welche erst in 30 oder 40 Jahren verjähren; actiones temporales die kürzer befristeten Klagen.

Der civilrechtliche Anspruch ruht nicht auf irgend welcher Klageverheissung, sondern auf dem überlieferten Recht, in Folge dessen der Magistrat die Klage giebt. Der Rechtsanspruch erzeugt die Klage. Die von Theodos II. eingeführte Verjährung der civilrechtlichen Klage ist daher zwar Klagverjährung, nicht aber Rechtsverjährung.

In diesem Sinne ist die Befristung der Klage auch für die actiones temporales vom späteren römischen Recht aufgefasst, und für das Recht des Corpus Juris, welches wir recipirt haben, das einheitliche Institut der Klagverjährung mit bald kürzeren,

1) So für die Klage de statu defuncti und für die querela inofficiosi testamenti (unten § 100) eine Frist von 5 Jahren.

bald längeren Fristen ausgebildet worden, welche nur die Klage auf hebt, nicht auch das Recht.

Das Jahr, welches der Prätor für seine Klagbefristungsfälle ansetzte, war ein annus utilis, d. h. eine Frist von 365 Tagen, in welche aber nur die Tage eingerechnet wurden, an denen die Klagerhebung thatsächlich möglich war (an denen Gerichtssitzung gehalten wurde, der zu Beklagende bekannt und mit der Klage belangbar war, u. s. f.). Daraus ergiebt sich der Begriff des tempus utile. Tempus utile ist die Gerichtsfrist 2), in welche nur die Tage eingerechnet werden, an welchen die gerichtliche Handlung (nach klassischem Recht: die Handlung vor dem Prätor) möglich ist. Den Gegensatz bildet das sog. tempus continuum, die Frist, in welche grundsätzlich alle Tage eingerechnet werden. So bedeutet z. B. die Klagverjährungsfrist von 30 bezw. 40 Jahren ein tempus continuum in dem angegebenen Sinn.

L. 35 pr. D. de O. et A. (44, 7) (PAULUS): In honorariis actionibus sic esse definiendum, Cassius ait: ut, quae rei persecutionem habeant, hae etiam post annum darentur; caeterae intra annum.

L. 1 D. de div. temp. praescr. (44, 3) (ULPIAN.): Quia tractatus de utilibus diebus frequens est, videamus, quid sit experiundi potestatem habere. Et quidem inprimis exigendum est, ut sit facultas agendi: neque sufficit reo experiundi secum facere potestatem, vel habere eum, qui se idonee defendat; nisi actor quoque nulla idonea causa impediatur experiri. Proinde sive apud hostes sit, sive reipublicae causa absit, sive in vinculis sit, aut tempestate in loco aliquo vel regione detineatur, ut neque experiri neque mandare possit, experiundi potestatem non habet. Plane is, qui valetudine impeditur, ut mandare possit, in ea causa est, ut experiundi habeat potestatem. Illud utique neminem fugit, experiundi potestatem non habere eum, qui praetoris copiam non habuit; proinde hi dies cedunt, quibus jus praetor reddit.

2) Nur für gerichtliche Handlungen (Klagerhebung und Erbittung der bonorum possessio, vgl. unten § 97) kommt ein tempus utile vor. Auch die Erbittung der bonorum possessio nimmt den Prätor als Richter in Anspruch, nur dass sie schon nach klassischem Recht regelmässig auch ohne feierliche Gerichtssitzung an den irgendwo angetroffenen Prätor gerichtet werden kann (de plano). Die Folge davon war natürlich, dass in die Erbittungsfrist der bonorum possessio regelmässig nicht mehr blos die Gerichtstage, sondern alle Tage nach erlangter Kenntniss des Erbfalls eingerechnet wurden (sofern nicht anderweitige Hindernisse sich geltend machten).

§ 42.

Die Wirkung des Processes.

Der Process hat zwei Hauptacte: Die litis contestatio, die Formulirung des Rechtsstreits (oben S. 106), und das Urtheil, die Entscheidung des Rechtsstreits.

Die eigenthümliche Wirkung der litis contestatio ist die Rechtshängigkeit der Sache, d. h. derselbe Process kann nun nicht noch vor ein anderes Gericht gebracht werden; er muss hier entschieden werden, wo er begonnen worden ist (exceptio rei in judicium deductae). Vgl. S. 118. 124.

Die eigenthümliche Wirkung des Urtheils ist seine Rechtskraft. Es wirkt (sobald es inappellabel geworden ist) wie eine Gesetzesnorm für diesen Einzelfall 1). Es wird nicht blos die Wiederholung desselben Processes, sondern auch jede spätere, der Entscheidung des Urtheils direct widersprechende Rechtsbehauptung durch Berufung auf das Urtheil abgeschnitten (exceptio rei judicatae). Ist der Beklagte zur Leistung condemnirt worden, so hat Kläger auf Grund des Urtheils die actio judicati, welche zur Execution, d. h. zur zwangsweisen Geltendmachung des klägerischen Rechtes führt.

Die Execution war im alten Recht ausschliesslich Personalexecution (manus injectio, vgl. oben S. 113), welche den Schuldner in die Schuldknechtschaft brachte, mit Verkaufsrecht (trans Tiberim) und Tödtungsrecht des Gläubigers (S. 22). Verkaufsrecht und Tödtungsrecht war durch die Lex Poetelia (313 v. Chr.) aufgehoben. Aber die Schuldknechtschaft blieb, wenngleich jetzt thatsächlich nur in der Form der Schuldhaft wirkend, das einzige Executionsmittel des Civilrechts. Der indirecte Zwang, den Schuldner zur Verwerthung seines Vermögens nöthigend, war ja stark genug; aber ein directes Recht, das Vermögen des (vielleicht solventen) Schuldners als Mittel der Befriedigung heranzuziehen, blieb dem Gläubiger versagt.

Erst der Prätor gab directe Execution in das Vermögen: die missio in bona (Besitzeinweisung in das gesammte schuldnerische Vermögen) zu Gunsten des Gläubigers. Ein von den Gläubigern erwählter Masseverwalter (magister) verkaufte das Vermögen als

1) Vgl. Degenkolb, Einlassungszwang und Urteilsnorm (1877) S. 80 ff.

Ganzes (venditio bonorum). Der Käufer (bonorum emtor) zahlte den Gläubigern bestimmte Procente ihrer Forderungen (dies war der Kaufpreis, für welchen er das Activvermögen erwarb). Also: eine Execution jedesmal in das ganze Vermögen, welche daher jedesmal die Zuziehung auch aller anderen Gläubiger des Exequendus zur Folge hatte.

So stand dem Gläubiger zur Wahl: einerseits blosse Personalexecution (nach Civilrecht), andererseits blosse Vermögensexecution (nach prätorischem Recht). Nach einer lex Julia (wohl erst unter Augustus publicirt) schloss der Schuldner durch freiwillige Vermögensabtretung (cessio bonorum), also durch freiwillige Herbeiführung der Execution in sein gesammtes Vermögen 2) das Wahlrecht seiner Gläubiger aus: es hatte dann bei der Vermögensexecution (prätorischen Styls) sein Bewenden, der Schuldner ward ferner nicht infam (was er im Fall der missio in bona geworden wäre), und erwarb das beneficium competentiae, d. h. das Recht, dass ihm bei der Execution der nothdürftige Lebensunterhalt gelassen werde (ne egeat; es wird nur exequirt, in quantum facere potest).

Neben der Generalexecution in das Vermögen hat dann der Prätor auch eine Specialexecution (Pfändung einzelner Sachen des Beklagten, sog. pignus in causa judicati captum) ausgebildet, welche unter Umständen nach Ermessen des Prätors zur Anwendung kam. War der Beklagte in jure (vor dem Magistrat) der Restitutionspflicht oder Exhibitionspflicht in Bezug auf eine bestimmte Sache schuldig erkannt worden 3), so war auch ein direct auf diese Herausgabe dieser Sache gerichteter Zwang (durch Androhung von Multen, d. h. Geldstrafen, eventuell manu militari) möglich. In der späteren Kaiserzeit ist durch das Extraordinarverfahren diese directe und specielle Execution die grundsätzlich zur Anwendung kommende Form der Vollstreckung geworden (§ 44).

2) Die cessio bonorum ist dasselbe, was wir heute Antrag des Schuldners auf Concurseröffnung nennen würden.

3) Z. B. der Beklagte gestand in jure, dass der Kläger Eigenthümer sei und ihm selber kein Recht an der Sache zukomme. Dann kam es zu keiner Einsetzung eines judicium (formula) und zu keiner condemnatio (Geldcondemnation, vgl. oben S. 136) im technischen Sinn, sondern zu einem jussus (decretum) des Magistrats de restituendo vel exhibendo, welcher extra ordinem exequirt

wurde.

§ 43.

Verfahren extra ordinem. Interdicta. In integrum

restitutio.

I. Das Verfahren extra ordinem (judiciorum privatorum) ist das Verfahren ohne Einsetzung eines judicium, also ohne litis contestatio (oben S. 106) und ohne Urtheil (sententia, oben S. 107) im technischen Sinne des Wortes. Die ganze Verhandlung bleibt vor dem Magistrate (in jure), und endigt mit einem Entscheid des Magistrats selber (decretum, interdictum). Das Verfahren extra ordinem dient der freien Gewalt des Magistrats (imperium), und bedeutet formell ein Verfahren im Verwaltungswege, im Gegensatz zu dem ordentlichen Process (mit Bestellung eines judicium), dem Verfahren im Rechtsweg.

Die Entscheidung des Magistrats im Verfahren extra ordinem heisst, wie schon bemerkt ist, decretum oder interdictum. Das Interdictenverfahren ist daher ursprünglich mit dem Verfahren im Verwaltungsweg, und das Interdict mit der Verwaltungsentscheidung des Magistrats identisch.

Zu den Sachen, welche der Prätor im Verwaltungswege (durch Interdict) erledigte, gehörten z. B. die Verhältnisse an öffentlichen Sachen (an öffentlichen Wegen, Flüssen u. s. w.), an den Göttern geweihten Sachen, wie Tempel, Altäre u. s. w. (res sacrae), an Begräbnissstätten (res religiosae), die Nachbarverhältnisse, Streitigkeiten in Bausachen, Streitigkeiten zwischen dem ausziehenden Miether und dem Vermiether u. s. f., kurz alle Sachen, bei denen ein öffentliches, polizeiliches Interesse überwog. Auch Besitzstreitigkeiten fielen unter diesen Gesichtspunkt, d. h. Streitigkeiten über thatsächliche Besitzhandlungen (nicht über das Recht), über Besitzstörung oder Besitzentziehung. Das öffentliche Interesse duldete nicht, dass die thatsächlichen Besitzverhältnisse durch nackte Gewalt gestört oder aufgehoben wurden. Der Prätor schritt im Verwaltungswege ein (extra ordinem), und erkannte durch Interdict.

II. Interdictenverfahren im technischen Sinn. Die Entscheidung des Magistrats extra ordinem hörte in einer Reihe von Fällen bald auf, eine wirkliche Sachentscheidung zu

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