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in Widerspruch mit dem Civilrecht zu einer Absolution zu gelangen. Die exceptio bedeutet ein Mittel, die Befreiungsgründe des jus honorarium geltend zu machen.

Der gleiche Gesichtspunkt trifft in anderen Fällen zu, welche nur auf den ersten Blick einen anderen Schein darbieten.

Nicht immer nämlich hat das Civilrecht, indem es gewisse Rechtsgeschäfte verbot, die Nichtigkeit der trotzdem geschlossenen Rechtsgeschäfte ausgesprochen. So verbot die lex Cincia (204 v. Chr.) gewisse Schenkungen (oben S. 96). Aber die trotzdem geschehene Schenkung blieb nach Civilrecht gültig. Der Prätor war es, welcher durch Ertheilung einer exceptio legis Cinciae dem Verbot der lex Cincia Geltung verschaffte. Ebenso wenn ein Senatusconsultum Vellejanum (46 n. Chr.) die Intercession der Frauen (die Uebernahme einer Schuld in fremdem Interesse) verbot, aber es dem Magistrat überliess, dies Verbot in seiner Rechtsprechung wirksam zu machen 3). Der Prätor that es, indem er der Frau, welche aus dem Intercessionsgeschäft (z. B. einer Bürgschaft) verklagt wurde, die exceptio senatusconsulti Vellejani gab. Ebenso gab es eine exceptio legis Plaetoriae (§ 43), eine exceptio senatusconsulti Macedoniani (§ 66) u. s. f. In diesen Fällen sprechen wir heute von „civilen Exceptionen". Wir meinen damit solche Exceptionen, welche im Dienst eines civilen Rechtssatzes stehen. Aber trotzdem ist auch in diesen Fällen die Befreiung des Schuldners ein Werk nur des jus honorarium, und nicht des jus civile. Denn nach Civilrecht bleibt das Schenkungsgeschäft, bleibt die Bürgschaft der Frau u. s. w. vollkommen gültig, und nur nach prätorischem Recht hat das civilrechtliche Verbot die Befreiung des Schuldners zur Folge. Dies jus honorarium folgt den Anregungen des Civilrechts, steht aber dennoch zugleich in Widerspruch mit dem Civilrecht. Denn nach Civilrecht ist die Reform des Rechts (durch die lex Cincia u. s. w.) eine unvollkommene, nach prätorischem Recht aber eine vollkommene. In Folge dessen bedarf es auch in diesen Fällen der ausdrücklichen Anweisung des Prätors an den

3) Es hiess im Senatusconsult: arbitrari senatum, recte atque ordine facturos, ad quos de ea re in jure aditum erit, si dederit operam, ut in ea re senatus voluntas servetur.

judex, dass er nicht condemnire, bedarf es der Statuirung einer Ausnahme (exceptio); der judex würde sonst (eben nach Civilrecht) condemniren müssen. Also auch die sog. civile exceptio bedeutet einen Rechtsgrund für die Absolution des Beklagten, welcher einen Befreiungsgrund nur auf Grund des jus honorarium darstellt.

Bisher ist von der formula in jus concepta ausgegangen, von der formula also, welche auf einen civilrechtlich begründeten Anspruch als Bedingung der Condemnation Bezug nimmt, und welche Gelegenheit giebt, durch das Verhältniss der condemnatio zur intentio zugleich das Verhältniss des Prätors zum Civilrecht zum Ausdruck zu bringen: die unclausulirte condemnatio (ohne exceptio) bedeutet den Einklang des Prätors mit dem Civilrecht 4), die clausulirte condemnatio aber (mit exceptio) den Widerspruch des Prätors gegen das Civilrecht.

Anders bei der formula in factum concepta, also bei der formula, welche in ihrer intentio lediglich eine Thatsache (z. B., dass der Patron vom libertus ohne prätorische Erlaubniss vor Gericht geladen sei) als Bedingung der condemnatio namhaft machte. Hier wird der unclausulirte Condemnationsbefehl jedesmal jede Vertheidigung des Verklagten (von einer Läugnung jenes Factums abgesehen) unmöglich machen. Hätte er auch dem Gegner schon gezahlt, also zweifellos jeden Anspruch desselben aufgehoben, so würde doch bei unclausulirter condemnatio seine Verurtheilung erfolgen müssen, sobald nur die Klagthatsache an sich wahr ist. Hier bedarf es also, falls der Beklagte sich auf Zahlung berufen will, einer exceptio solutionis, welche der intentio juris civilis gegenüber undenkbar ist. Hier muss überhaupt die Geltendmachung eines jeden Befreiungsgrundes, falls der Beklagte ihn soll geltend machen dürfen, durch ausdrückliche exceptio dem Verklagten vorbehalten werden. Also: der intentio in factum con

4) Insofern es sich nämlich um die condemnatio handelt. Aber es kann schon die intentio juris civilis eine Umbildung erfahren haben, die Klage also aus einer civilrechtlichen zu einer prätorischen actio utilis (oben S. 129) geworden sein. Aber auch die actio utilis nimmt als actio in jus concepta immer noch, wenngleich unter Modificationen, auf das Civilrecht Bezug, und die unclausulirte condemnatio bedeutet dann immer den Einklang des Prätors mit dem in Bezug genommenen Civilrecht.

cepta gegenüber führt jeder Befreiungsgrund zu einer exceptio: das Bedürfniss nach einer exceptio hat hier keinen materiellrechtlichen Grund (in der Rechtskraft des Befreiungsgrundes); es rührt lediglich von der formalen Enge der intentio in factum concepta her. Wenn eine Thatfrage als solche zur Prozessfrage und zur Bedingung der condemnatio gemacht ist, so ist in der formula der judex auf keinerlei Rechtssätze verwiesen, welche ihm Richtschnur seiner Condemnation sein könnten. Es müssen ihm vielmehr alle Rechtssätze, welche das Bedingungsverhältniss zwischen dieser Thatfrage und der Condemnation im concreten Fall bestimmen, in Form einer exceptio ausdrücklich auseinander gesetzt werden. Die exceptio bei der formula in factum concepta ist jeder Vorbehalt, welchen der Prätor um seiner zu eng gefassten intentio willen dem judex schuldig ist.

Ein materieller Begriff liegt nur der exceptio zu Grunde, welche der intentio in jus concepta gegenüber steht, und in diesem materiellen Sinne bedeutet die exceptio einen Befreiungsgrund nach prätorischem Recht, im Widerspruch mit dem Civilrecht.

Beruft der Beklagte sich schon in jure (vor dem Magistrat) auf eine bestimmte Thatsache, um auf Grund derselben eine exceptio zu bekommen, so wird die dieser Thatsache entsprechende exceptio der Formel inserirt (so z. B. die exceptio pacti de non petendo, metus u. s. w.). Der Beklagte hat aber nicht nöthig, schon in jure seinen Exceptionsthatbestand zu specialisiren. Er kann sich darauf beschränken, einen allgemeinen Vorbehalt zu Gunsten seiner Exceptionen zu erbitten. Dann wird die sog. exceptio doli (generalis) der Formel inserirt: si non in ea re quid dolo malo A.i A.i fiat. Sie setzt den judex in den Stand, alle Umstände, welche in der Klageerhebung (daher das Präsens : fiat) eine Unbilligkeit seitens des Klägers erscheinen lassen, d. h. alle Umstände, welche aus irgend einem Grunde die Befreiung des Beklagten herbeiführen, in judicio zu berücksichtigen, wirkt also zu Gunsten aller Exceptionsthatbestände, welche der Beklagte etwa vorzubringen in der Lage ist, ohne einen einzigen zu benennen und ohne also den Beklagten auf einen einzigen zu beschränken. Dadurch unterscheidet diese exceptio doli (generalis) als unsubstanziirte (kein thatsächliches Vorbringen enthaltende)

Sohm, Institutionen.

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exceptio sich von jeder substanziirten exceptio, also auch von der oben namhaft gemachten Einrede des Betrugs, der sog. exceptio doli specialis. Die letztere lautet: si non in ea re quid dolo malo A. A. factum sit. Sie macht die Absolution des Beklagten davon abhängig, dass damals, nämlich bei Abschluss des Rechtsgeschäfts (daher das Perfectum: factum sit), der Kläger sich habe einen dolus zu Schulden kommen lassen, ist also eine substanziirte, einen concreten Thatbestand nennende exceptio, während die exceptio doli generalis, wie bemerkt, keinen Thatbestand benennt.

Die Ausnahme, welche die exceptio von dem Condemnationsbefehl macht, kann ihrerseits durch replicatio wiederum eine Ausnahme zu Gunsten des Klägers, und dann die replicatio wieder durch duplicatio eine Ausnahme zu Gunsten des Beklagten erhalten, auf duplicatio kann triplicatio folgen u. s. f.

Die meisten exceptiones sind peremtorischer Natur (sog. exceptiones perpetuae oder peremtoriae), d. h. sie ruhen auf einem den Kläger schlechtweg mit seiner Klage ausschliessenden Thatbestand (so die vorhin als Beispiele genannten Exceptionen), oder sie sind exceptiones dilatoriae, d. h. sie schliessen den Kläger nicht schlechtweg, sondern nur jetzt (er klagt zu früh), oder nur in dieser Form (z. B. er klagt durch einen ungeeigneten Stellvertreter) von der Klage aus. Die exceptio peremtoria steht der Klage an sich, die exceptio dilatoria der Klage nur in dieser bestimmten Art ihrer Geltendmachung gegenüber 5). Der Erfolg der exceptio ist aber in beiden Fällen nach klassischem Recht der gleiche. Auch auf Grund einer dilatorischen exceptio wird der Beklagte nicht blos von dieser Klage (zu dieser Zeit, oder in dieser Form), sondern überhaupt von der Klage, also schlechtweg, absolvirt. Eine Wiederholung der Klage war durch die mit der litis contestatio eingetretene Consumtion der Klage (vgl. S. 118. 124) ausgeschlossen. Unsere heutige Absolution von der Instanz (welche die Wiederholung der unrichtig angestellten Klage zur richtigen Zeit, in richtiger Form vorbehält) ist dem klassischen Recht unbekannt, und erst durch das spätere Kaiserrecht (Kaiser Zeno) für den Fall der verfrühten Klage eingeführt worden.

5) Schultze, Privatr. u. Proc. S. 320.

pr. I. de except. (4, 13): Comparatae autem sunt exceptiones defendendorum eorum gratia, cum quibus agitur. Saepe enim accidit, ut licet ipsa persecutio, qua actor experitur, justa sit, tamen iniqua sit adversum eum, cum quo agitnr. § 1. Verbi gratia si metu coactus aut dolo inductus stipulanti Titio promisisti, palam est, jure civili te obligatum esse; et actio, qua intenditur, dare te oportere, efficax est: sed iniquum est te condemnari. Ideoque datur tibi exceptio quod metus causa, aut doli mali, composita ad impugnandam actionem.

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§ 9 eod. Perpetuae et peremptoriae (exceptiones) sunt, quae semper agentibus obstant et semper rem, de qua agitur, perimunt: qualis est exceptio doli mali, et quod metus causa factum est, et pacti conventi, cum ita convenerit, ne omnino pecunia peteretur. § 10. Temporales atque dilatoriae sunt, quae ad tempus nocent et temporis dilationem tribuunt, qualis est pacti conventi, cum ita convenerit, ne intra certum tempus ageretur, veluti intra quinquennium: nam finito eo tempore non impeditur actor rem exequi. — § 11. Praeterea ex persona sunt dilatoriae exceptiones, quales sunt procuratoriae: veluti si per militem aut mulierem agere quis velit.

pr. I. de replicationibus (4, 14): Interdum evenit, ut exceptio, quae prima facie justa videtur, tamen inique noceat. Quod cum accidit, alia allegatione opus est adjuvandi actoris gratia, quae replicatio vocatur, quia per eam replicatur atque resolvitur jus exceptionis. Veluti cum pactus est aliquis cum debitore suo, ne ab eo pecuniam petat, deinde postea in contrarium pacti sunt, id est, ut creditori petere liceat. Si creditor agat, et excipiat debitor, ut ita demum condemnetur, si non convenerit, ne eam pecuniam creditor petat, nocet ei exceptio, convenit enim ita, namque nihilominus hoc verum manet, licet postea in contrarium pacti sunt; sed quia iniquum est creditorem excludi, replicatio ei dabitur ex posteriore pacto convento.

§ 1 eod.: Rursus interdum evenit, ut replicatio, quae prima facie justa est, inique noceat. Quod cum accidit, alia allegatione opus est adjuvandi rei gratia, quae duplicatio vocatur.

§ 41.

Perpetua und temporalis actio.

Tempus utile.

Eine Reihe von actiones honorariae gab der Magistrat nur während einer bestimmten Frist. So wurden insbesondere die prätorischen Strafklagen, also diejenigen Klagen, welche nicht

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