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Aber auch eine historische Freiheit der Darstellung kann hier ebensowohl stattfinden, als bei der zweiten Art. Indem nämlich die lateinischen Historiker leicht etwas, was vergangen ist, wie etwas Gegenwärtiges darstellen, und dann auch wieder in die vergangene Zeit überspringen, so findet man bald die Gattung F der Konjunktive, wenn ein Praeteritum vorausging, bald die Gattung G, während das Hauptverbum ein präsentisches ist, das aber statt eines Praeteriti gebraucht ist; z. B. selbst bei Cic. de Fin. II, 11, § 34. quod ita interpretantur, vivere cum intellegentia earum rerum, quae natura evenirent (vgl. Madvig z. St.} III, 21, § 71. verissime defenditur, quidquid aequum iustumque esset, id etiam honestum; vicissimque quidquid esset honestum, id justum etiam atque aequum fore, wo die neueren Editoren 503den Grund nicht eingesehen haben. Varro de L. L. VIII, a. A.500)

aufgefaßt wird, abhängt, ist schon Anm. 479. gezeigt. Hier wäre in dem ersten Beispiele tenerent und profiterentur gar nicht möglich; wohl aber vidissem im zweiten; dann wäre dies nur eine dem devertisse subordinierte Nebenbestimmung des Vergangenen; viderim dagegen ist nur grammatisch abhängig und enthält den logisch koordinierten Begriff des vidisse als Prädikat des Gegenwärtigen].

500) [Über den hier angenommenen Wechsel der Zeiten vgl. § 314. Aber die obigen Beispiele sind schwerlich danach zu erklären, da ein praes. histor. dort gar nicht an seiner Stelle ist, und es möchte richtiger sein, mit Goerenz anzunehmen, daß das Imperf. eine fremde Meinung ausdrücken soll, die jemand früher hatte. Außerdem vgl. die Ausleger zu Cic. de N. D. I, 22, § 61. und Dietrich in der Anm. 457. angeführten Schrift. Zu bemerken sind hier zwei Stellen, nämlich Coelius bei Quint. VI, 3, 41. Hic subsecutus quomodo transierit, utrum rate an piscatorio navigio, nemo sciebat, und Cic. in Verr. I, 30, § 75. qui in illa re quid facere potuerit, non habebat, wo Zumpt nur das Abweichende bemerkt, ohne eine Erklärung zu versuchen. Es ist aber zu bemerken, daß in beiden Stellen das regierende Verbum erst nachfolgt, und eben in diesem scheint mir die Abweichung zu liegen, nicht in dem vorhergehenden Konjunktiv. Coelius wollte das Präsens folgen lassen: nescitur, und in dieser Voraussetzung setzte er transierit; aber das dazwischen Stehende brachte ihn davon ab, und zwar um so mehr, da es ein stärkeres Argument wird, wenn man die Sache nicht nur jetzt nicht weiß, sondern selbst damals nicht wußte, wo

328. Zu der hiesigen Art von Sätzen in Hinsicht der Abhängigkeit gehören die abhängigen Fragesätze, daher auch in ihnen der Konjunktiv herrscht, weil damit595 eine subjektive Vorstellung zu erkennen gegeben ist. Unter

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sie geschah. Bei Cicero geht vorher: quid ego nunc proferam C. Neronis nonnullis in rebus animum nimium timidum atque demissum? er wollte eigentlich fortfahren: qui, quid facere potuerit, non habuerit, so daß dies die von proferam abhängige Schilderung wäre; aber dies wäre schleppend gewesen und hätte das Faktische als solches nicht genug bezeichnet. {Bei Cic. Verr. 1, 75 schlug Kayser facere statueret vor, ohne jedoch damit den Beifall von C. F. W. Müller zu finden, welcher die Überlieferung etsi potuerit" suspect. beibehält. Die Kontroverse über die vorliegende Frage ist behandelt bei Wetzel Beiträge p. 38 Anm.; ebenda ist die nötige Litteratur verzeichnet.} Solche Erscheinungen sind jedoch selten; die Gleichmäßigkeit der Tempora bei subjektiver Abhängigkeit wird selbst da gern beobachtet, wo die Ungleichmäßigkeit regelrecht wäre. Dies ist der Fall in den schon Anm. 478 berührten Sätzen, wo das von einem präsentischen Tempus abhängige Verbum noch in einer anderen konditionalen Abhängigkeit steht, welche einen verschiedenartigen Modus fordert; wäre nämlich facturus fuissem nötig, so wird facturus fuerim gesetzt, was sich leichter an das Praesens anschließt und doch auch den konditionalen Sinn ausdrückt, wie es in analogem Falle von facturum fore Anm. 445 gezeigt ist. Bei anderen Tempusformen ist es freilich nicht möglich, die Gleichmäßigkeit herzustellen; vou jener aber hat es Fikenscher gezeigt in einer Rezens. über Zumpts Gramm. Allg. Schulzeitung, Abt. II. 1829. Nr. 83. wie Dietrich in der Zeitschr. f. d. Altertsw. 1837. Nr. 45. p. 369 bemerkt, der dafür anführt Cic. p. Ligar. 12, § 34. An potest quisquam dubitare, quin, si Q. Ligarius in Italia esse potuisset, in eadem sententia futurus fuerit, in qua fratres fuerunt? Außerdem vgl. Liv. II, 1, 6, welche Stelle oben § 296 angeführt ist. Valer. Max V, 3, ext. 3. Solon tam praeclaras tamque utiles Atheniensibus leges tulit (präsent. Perf.), ut si his perpetuo uti voluissent, sempiternum habituri fuerint imperium. Seneca epist. 32. Cogita quantum celeritati additurus fueris, si a tergo hostis instaret, si equitem adventare suspicaveris. {Hierüber vgl. jetzt Thielmann in Wölfflins Archiv. II p. 189, der als Unikum zitiert Cornif. 2, 22 quaeret defensor, quid facturi essent, si in eo loco fuissent, direkt quid facturi eratis fecissetis, si fuissetis.} Wo eine solche Form nicht vorhanden ist, wird die Ungleichmäßigkeit nicht vermieden; s. Cic. ad fam. XIII, 1, 5,

diese ist denn auch die Konstruktion mit forsan oder forsitan zu zählen. Da dies eigentlich ist fors sit an, so muß hier auch eigentlich ein Konjunktiv folgen, und so wird man bei Cicero es immer finden, forsitan sit. Außerdem setzt man zuweilen ein Futurum hinzu, weil auch dieses in Hinsicht der Wirklichkeit nur etwas Mögliches ist; z. B. Virg. [Aen. I, 203.] forsan et haec olim meminisse iuvabit. Für den Konjunktiv vgl. Cic. ad fam. I, 8. 2. neque id facio, ut forsitan quibusdam videar, simulatione. Varro de R. R. III, 6, 1. qui, secus si quid diceres de iis, gentilitatis causa fortasse an tecum duceret serram. III, 16, 10. de fructu hoc dico, quod fortasse an tibi satis sit.501)

Bei dieser Gelegenheit verdient in Erwähnung zu kommen die Redensart mit habeo quid und quod, z. B. dicam. Non

angef. in Anm. 478; das. I, 9, 13. Illud quidem certe nostrum consilium iure laudandum est, qui declarari maluerim, quanta

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vis esse potuisset in consensu bonorum, si iis pugnare licuisset. Was nun die eigentliche oratio obliqua betrifft, d. h. die Relation einer direkten Rede, wobei nicht nur das ursprüngliche Präsens mehr oder weniger durchgehend überwiegt, oder auch, nicht ohne feine Wahl, mit den Präteritis wechselt, sondern wo sogar zuweilen, namentlich bei späteren, wie Tacitus, der Indikativ eintritt, ohne daß dadurch nach der Meinung des Referierenden etwas Faktisches bezeichnet würde, darüber muß ich auf die in der Anm. 457 angeführten Schriften von Friedrichsen, Pfarrius u. a. verweisen, und rücksichtlich des Indikativs auf Schmidt in der Allg. Lit. Z. 1827. Erg. Bl. Nr. 119. p. 949. Walther zu Tac. Ann. II, 26. 36. III, 62. IV, 10. und, wo er sich selbst widerspricht XIV. 58; Roth zu Tac. Agr. Excurs. XXX. Vgl. Cic. ad Att. XIV, 22, 2. desistemus.]

501) [Für einige wenige Stellen möchte der Indikativ dem Cicero wohl zugestanden werden müssen, wie p. Ligar. 12, § 38. Brut. 13, § 52. Anton, inadumbrata quaedam de integr. atque eleg. serm. lat. praecepta, Querfurt, 1831. pag. 71. Zumpt zu Cic. in Verr. I, 38. a. E. IV, 56, § 124. Hand, Tursell. II. p. 715 fg. Das fut. indic. steht z. B. auch Ep. de Rep. ord. II. p. 128, Z. 16. ed. Gruter. Forsitan, Imperator, perlectis litteris decernes {Bei Cicero steht nach forsitan immer der Konjunktiv; ausführlich handelt hierüber der Antibarbarus s. V., vgl. noch Landgraf p. S. Rosc. p. 136, Dräger H. Synt. I, p. 306. In der ep. ad Caes. sen. II, 12 liest Jordan und mit ihm Scheindler desideres statt decernes.}

habeo quid und quod dicam ist der Sache nach gleichbedeutend. Ernesti verwarf überall quid und setzte quod; die Abbreviaturen beider Wörter sind gleich, nämlich qd;

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[jedoch findet sich für quid oft qd] s. Ernesti zu Cic. p. Rosc. Am 15, § 45. und praef. p. LII. Es verhält sich aber die Sache so: Wenn quid gesetzt ist, so ist dies ein Gräcismus, indem habeo wie exo für ich weiß gesagt ist; darum urteilt Ernesti richtig, daß es dem Cicero nicht scheine beizulegen zu sein; doch quod läßt das habeo ganz bei seiner lateinischen Bedeutung; ich habe nicht dasjenige, was ich sagen kann, οὐκ ἔχω ὅ, τι ἂν εἴποιμ:. Ernesti vergleicht οὐκ ἔχω ὅ, τι ἂν εἴπω, was nicht griechisch ist.502)

329. Was aber hier als ein subjektiver Gedanke dar-596 gestellt wird, kann auch in der Form der Objektivität gegeben werden, wo die Sache nicht mehr in der Abhängigkeit von dem Denken steht, sondern für sich der gramma. tischen Form nach hingestellt ist als etwas Objektives. Hier ist also selbst die grammatische Form eine unabhängige, und der Indikativ wird dann angewendet, wofern nicht zu dem Inhalt des Gedankens der Sinn der Möglichkeit kommen soll. Die neueren Scribenten sind in der bisher behandelten Konstruktion gewöhnlich sehr einseitig; sie scheuen sich vor dem Indikativ wie vor der Pest. Sallust. Jug. 4, 4. wechselt in zwei verbundenen Sätzen mit dem Indik. und Konj.: Qui si reputaverint et quibus ego temporibus magistratus

502) [Ernesti hat in der clavis v. habeo seine Meinung zurückgenommen und macht einen Unterschied, wonach non habeo quod scribam steht, wenn man überhaupt nichts zu schreiben hat; dagegen quid, wenn man nur über die Wahl des Schreibenden zweifelhaft ist. Vgl. Matth. zu Cic. p. Rosc. Am. § 45. Heindorf zu de N. D. III, 25, 64. Beier zu Off. II, 2, § 7. Bremi zu Corn. Nep. Epam. VIII, 1. Orelli zu Cic. ad fam. VII, 3, 6. ut haberes quid diceres, was er übersetzt; damit du wüßtest, was du zu sagen hättest; dagegen mit quod: damit du etwas sagen könntest. (Vgl. Antibarbarus s. v., vgl. de Fin. I, 19, § 62. ut non plus habeat sapiens quod gaudeat, quam quod angatur. in Verr. I. 23, § 61. ne haec quidem duo signa habes quomodo emeris, d. h. du kannst nicht nachweisen.}

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adeptus sum, et quales viri idem assequi nequiverint, et postea quae genera hominum in senatum pervenerint, profecto existimabunt. Es ist aber der Indikativ in dergleichen Sätzen nur bei solchen verknüpfenden Ausdrücken möglich, welche nicht an sich schon die Bedeutung einer subjektiven Abhängigkeit führen; also können Ausdrücke mit relativem Sinne beide Konstruktionen annehmen, als; ut, wie, quam, qualis, quantus, qui, ubi; z. B. arbitrabatur, quae profani scriptores dixerunt, impia esse. Da ein solcher Satz frei steht von dem Gedanken des Subjekts, so ist auch die Wahl der Tempora eine andere, nicht mehr die nach der Fund G Gattung, sondern wie sie früher, abgesondert von dem Konjunktiv, gezeigt ward. S. Plaut. Aulul. I, 1, 24. metuo, ne persentiscat aurum, ubi est absconditum. Rud. IV, 6, 7. eloquere ut haec res obtigit de filia. Cic. p. Rosc. Am. 30. § 83. Desinamus aliquando ea scrutari, quae sunt inania; quaeramus, ubi maleficium et est et inveniri potest; de Fin. III, 21, § 70. wo beiderlei Konstruktionen verbunden sind: amicitiam autem adhibendam esse censent, quia sit ex eo genere, quae prosunt.503)

Aber wenn das verbindende Wort eine Fragepartikel ist, so kann der Indikativ nicht mehr auf gleiche Weise

503) [Hierzu ließe sich auch noch anführen Plaut. Capt. III, 1, 1. miser homo est, qui ipsi quod edit quaerit et id aegre invenit. Aber diese Beispiele sind von sehr verschiedener Art: namentlich das aus Cic. de Fin., wobei nur die Regeln über die oratio obliqua anzuwenden sind, enthält gar nicht die Möglichkeit, quia und quae als interrogativa zu betrachten, während die Behauptung, daß in den Plautinischen Stellen das ubi und ut reine Relativa seien, keinen Glauben finden kann; nur bei Cic. p. Rosc. Am. ist ubi wirklich Relativum und das ist auch bei anderen Wörtern, die in ähnlichen Fällen mit dem Indikativ verbunden werden, bei Cic. fast immer der Fall. {Bei Sall. Jug. 4, 4, liest Jordan mit PC adeptus sim, bei Cic. S. Rosc. 83 wird jetzt quaeramus ibi maleficium, ubi et est etc. geschrieben; zu Cic. fin. 3, 70 bemerkt Madvig: in definiti generis significatione Cicero indicativum modum retinuit in sententia orationi obliquae interposita. Über den Indikativ bei Plaut. in Sätzen wie Rud. 4, 6, 7 eloquere ut haec res obtigit de filia vgl. Ed. Becker de syntaxi interrogationum obliquarum apud prisc. script. lat. usu, Berlin 1873, Dräger H. Synt. II. p. 462, meine Syntax § 214.)

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