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ist dies quin zu setzen, wenn eine Sache negiert wird, die eine Negation zur Folge haben kann; z. B. Niemand ist so wild, daß er nicht milder werden könne: nemo adeo ferus est, quin (d. h. ut is non) mitescere possit. Auch ut non kommt so vor, wie es eben in diesem Satze steht bei Hor. Epist. I, 1, 39. Vgl. Cic. de Or. III, 31, § 124. neque tam est acris acies in naturis hominum, ut res tantas quisquam nisi monstratas possit viderẻ, neque tanta tamen in rebus obscuritas, ut eas non penitus acri vir ingenio cernat, si modo aspexerit. de Fin. III, 22, § 74. Quid non sic aliud ex alio nectitur, ut non, si ullam litteram moveris, labent omnia? [So auch in anderen Fällen; vgl. Zumpt § 539. Val. Max. I, 7, 6 nulla ratione eum vitare posse, ut eo fato non periret. Tac. Ann. XIV, 44.]

Der Gebrauch des quin beschränkt sich aber darauf, daß auch in dem vorhergehenden Satze etwas Negiertes sei. 492)

492) [Weder hier, noch bei einem anderen mir bekannten Grammatiker finde ich den Gebrauch von quin genügend erörtert, und auf seine Gründe zurückgeführt. Schon die Alten fanden dies sehr schwierig, und es gab darüber eine Untersuchung von P. Nigidius Figulus, die sehr gründlich gewesen zu sein scheint; s. Gell. XVII, 13. Ohne mich auf die abweichenden Ansichten einzulassen, möchte ich die folgende Darstellung als Grundlage einer weiteren Ausführung betrachten. Quin ist nicht aus dem Nominativ qui entstanden, wie Gernhard Opusc. p. 19. noch immer festhält ohne Gründe gegen Billroth § 327. u. A., sondern aus dem alten Ablativ qui, verbunden mit der Negation; zwei der Ableitung nach verschiedene quin anzunehmen, wie Hartung üb. d. Kasus p. 227 thut, ist weder etymologisch wahrscheinlich, noch syntaktisch notwendig. Da qui teils interrog., teils relat. ist, so ist dies auch quin. Als interrog. heißt es demnach zunächst wie nicht? warum nicht? worüber s. Heins. zu Ovid. Amor. II, 19, 59. Drakenb. zu Liv. I, 57, 7. Corte u. Kritz zu Sall. Cat. 20, 14. Da es hier besonders in aufmunternden Fragen gebraucht wird, mit der Kraft des Imperativs, so wurde es mit diesem selbst verbunden, worüber s. § 279. Aus derselben Bedeutung geht die hervor, wonach es sogar heißt, mittels einer natürlichen Abkürzung in lebhafter Rede; zum Grunde liegt dabei dieser Zusammenhang: wie sollte das genannte Schwächere nicht stattfinden, da sogar das folgende Stärkere stattfindet? Unwesentlich

576Unterschied zwischen ut non und ut ne, zwischen ne und non in Finalsätzen.

322. Durch ut non ist nie eine Absicht ausgedrückt, sondern eine reale Folge, was wir Resultat nennen, so daß nicht; dagegen zielt ut ne oder ne immer auf die Absicht

ist es hierbei, ob das zweite Glied eine einfache Verstärkung des Vorhergehenden enthält, oder ob das Stärkere in dem Gegenteil desselben besteht, wo man quin imo zur Erklärung anwendet; s. Gernhard Opusc. p. 21. zu Cic. Lael. 19, § 68. Goerenz in Jahns Jahrbb. f. Philol. u. Päd. I, 2. p. 310. zu Cic. de Fin. V, 25, § 74. Als Relativum wird quin in den Fällen gebraucht, von welchen es sich hier eigentlich handelt. Zunächst entsteht die Frage, warum es nur mit vorhergehender Negation gebraucht werden könne, was, wenn es einfach für qui, quae, quod non stände oder mit quominus gleichbedeutend wäre, wie R. oben annimmt, sich nicht erklären ließe. Zu quominus verhält es sich gerade so wie das objektive ut, so daß, zu dem subjektiven damit. Wie jenes bildet es einen Adverbialsatz, dessen Inhalt, vermöge der relativischen Verbindung, dem des vorigen Satzes wesentlich inhäriert, so daß die in jenem ausgesagte Existenz hierdurch ihrem vollständigen Begriffe nach geleugnet wird, wobei festzuhalten, daß die Negation mit quin innig verbunden ist und nicht für sich genommen werden darf. Indem nun aber quin den Konjunktiv regiert, drückt es genau genommen, eben wie das objektive ut, das in dem Adverbialsatze gegebene Prädikat nicht als ein wirkliches, sondern nur als ein angenommenes, mögliches aus; soll demnach dies so angenommene Prädikat ein in der mit dem vorigen Satze ausgesagten Existenz inhärierendes sein, so kann auch diese keine wirkliche oder als wirklich angenommene sein, weil dann auch jedes ihr inhärierende Prädikat ebenso wirklich sein müßte; folglich kann sie nur eine negierte sein; mithin ist eine Negation vor quin durchaus notwendig. Wir können die Bedeutung so wie nicht, welche die ursprüngliche ist, nicht in Einem Worte zusammenfassen, das zugleich die Notwendigkeit des folgenden Konjunktivs ausdrückte; am deutlichsten und entsprechendsten wird es sein, wenn wir quin umschreiben durch: so daß damit nicht verbunden sein sollte dies oder jenes Prädikat. Hiernach ist für alle Fälle des Gebrauchs die Zurückbeziehung der Negation in quin auf die vorhergehende, nämlich die des inhärierenden Prädikats auf die

eines Negativen hin. Hierbei bedarf es nur, für ut ne eine577 Stellung in Erwähnung zu bringen; denn öfters ist es für den Sinn vorteilhafter, wenn ut ne, nicht das bloße ne

der Existenz, zu welcher jenes gehört, streng festzuhalten; und aus dieser engen Verbindung der Negationen geht allemal eine Affirmation hervor, was, wenn man sie trennt, nicht der Fall wäre. Giebt man also z. B. dem Anfänger die Regel, daß quin so daß nicht heißt und gesetzt wird nach vorhergehender Negation, so würde er z. B. den Satz: das Thor der belagerten Stadt wurde nie geöffnet, so daß Spione sich nicht einschleichen konnten, so übersetzen: numquam reclusa est porta, quin irreperent speculatores, was gerade den entgegengesetzten Sinn hätte, nämlich: jedes Mal, wenn das Thor geöffnet wurde, schlichen sich Spione ein, während jenes zwei getrennte Negationen enthält: das Thor wurde nie geöffnet, und es schlichen sich keine Spione ein.

Die sämtlichen Fälle, in denen quin steht, zerfallen in zwei Hauptklassen, je nachdem die Verbindung des quin mit dem Vorhergehenden entweder 1) unmittelbar oder 2) mittelbar elliptisch ist.

1) Bei der unmittelbaren Bedingung finden wieder zwei Arten statt, nämlich

A. es wird bei einer einfachen positiven Behauptung, Beschreibung u. s. w. die ganz allgemeine Ausdehnung derselben durch den Gegensatz der beiden Negationen bewerkstelligt, indem man von einer ganzen Gattung leugnet, daß darin irgend etwas in der Art existiere, daß nicht ein gewisses Prädikat daran hafte; so entsteht aus numquam, nusquam, nemo, quin der Gedanke von semper, ubique, omnis u. s. w. mit dem durch quin eingeführten Prädikate. Dies Prädikat muß ein positives sein, d. h. es gilt für diesen Fall die Regel, daß nach quin nicht noch eine Negation stehen darf. Das Gegenteil wäre zwar an sich nicht unmöglich; aber es entstände dadurch etwas vollkommen Überflüssiges, indem die erste allgemeine Negation erst durch quin aufgehoben wird und dann durch die dritte Negation doch wieder hergestellt werden soll; wenn man z. B. für nemo gaudet sagte: nemo est quin non gaudeat, so wäre dies noch schlechter ausgedrückt als das, wofür es eigentlich steht: quivis non gaudet; und auch dies kann man nicht sagen. Selbst solche Ausdrücke möchten verwerflich sein wie: nemo est quin nesciat oder ignoret für quivis nescit, quivis ignorat. Etwas anders ist der Fall, wenn die vorhergehende Negation nicht eine so allgemeine Ausdehnung hat, daß sie jedes Individuum einer ganzen Gattung trifft

Reisig, lat. Sprachwissenschaft, von Schmalz u. Landgraf.

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578gesagt wird. Ne nämlich müßte zu Anfang des Satzes stehen; aber wenn ut hinzugefügt wird, kann ne gegen das Ende des Satzes gestellt werden; und da es zuweilen wünschenswert ist,

sondern wenn sie nur auf etwas Einzelnes geht; dann entsteht bloß der Sinn, daß dieses nicht sei, oder gewesen sei, ohne daß etwas Anderes zugleich sei, oder gewesen sei, wobei man nicht sagen kann, die Verbindung der beiden Prädikate fände jedes Mal statt. Aber wieder auf eine andere Weise wird die Geltung der Aussage verallgemeinert, wenn non posse vorhergeht, mit oder ohne spezielle Bestimmung; dann entsteht der Begriff der Notwendigkeit. Die unbestimmteren Ausdrücke dieser Art sind unter 1, B. a. E. erwähnt. Beispiele: Ter. Ad. II, 2, 14. numquam adeo astutus fui, quin quicquid possem, mallem auferre potius in praesentia. Das. II, 3, 4. numquam ita magnifice quicquam dicam, id virtus quin superet tua. III, 1, 7. numquam unum intermittit diem, quin semper veniat. V, 4. a. A. Numquam ita quisquam bene subducta ratione ad vitam fuit, quin res, aetas, usus semper aliquid apportet novi. Eun. IV, 7, 21. numquam accedo, quin abs te abeam doctior. Hec. V, 2, 2. nihil apud me tibi defieri patiar, quin, quod opus sit, benigne praebeatur. Phorm. IV, 4, 16. nihil est, quin male narrando possit depravarier. Heaut. IV, 2, 8. nihil tam difficile est, quin quaerendo investigari possiet. Das. I, 2, 19. quid relicui est, quin habeat quae quidem in homine dicuntur bona. Cic. de Fin. IV, 13, § 32. nulla profecto (natura est), quin suam vim retineat. Plaut. Pers. III, 1, 37. Cic. div. in Caec. § 62. neque enim fere unquam venit in contentionem de accusando qui quaestor fuisset, quin repudiaretur. in Verr. III, § 50. nego quemquam esse vestrum, quin saepe audierit. Das. § 34. quis porro erit, quin malit . IV, 1, § 1. Nego in Sicilia tota ullum argenteum vas, ullum Corinthium aut Deliacum fuisse, ullam gemmam aut margaritam nego ullam picturam quin conquisierit, inspexerit, quod placitum sit abstulerit. Sueton. Ner. c. 45. nihil contumeliarum defuit, quin subiret. Plaut. Pers. II, 3, 18. mihi iam nihili novi offerri potest, quin sim peritus. Amphitr. V, 1, 2. neque ulla est confidentia iam meo in corde quin amiserim. Cic. de N. D. II, 9, 24. Cleanthes negat ullum esse cibum tam gravem, quin is die et nocte concoquatur. in Verr. I, 59, § 154. quis unquam templum illud aspexit, quin avaritiae tuae testis esset? Quis in circum maximum venit, quin in unoquoque gradu de avaritia tua commoneretur? Sall. Jug. 63, 7. novus nemo tam clarus erat, quin is indignus illo honore haberetur. Propert. IV, 2, 45. nec flos ullus hiat pratis, quin ille decenter impositus fronti

Ausdruck des negativen Zwecks bis zu Ende zu bewahren, den579 nämlich in Sätzen, die so lang sind, daß man die zu Anfang gestellte Negation könnte vergessen haben, so dient dies ut

langueat ante meae. Am häufigsten hat Cic. nemo est quin; s. de Or. I, 3, 10. in Verr. IV, 4. a. A. V, 54, § 140. Orat. 61, § 208. ad fam. VI, 4, 1; doch noch häufiger sagt er in diesem Falle qui non, wenn Zumpt zu Verr. V, 28, § 71 Recht hat, wobei noch nach dem Unterschiede zu fragen ist. (Über quin für qui non handeln sehr gut Seyffert-Müller zu Lael. p. 552 f. u. Kienitz 1. 1. p. 20 f. Beide lehren gleichmäßig, daß quin auch in diesen Fällen immer wirkliche Konjunktion ist; man lese die Begründung bei Kienitz p. 21 u. bei Müller p. 553 nach.} Caes. B. G. V, c. 53. neque ullum fere totius hiemis tempus sine sollicitudine Caesaris intercessit, quin aliquem de conciliis ac motu Gallorum nuntium acciperet. Das. c. 55. nullum tempus intermiserunt, quin legatos mitterent. Vgl. Cic. ad Att. VII, 15. Caes. B. C. I, 78. III, 47. neque ullus flare ventus poterat, quin aliqua ex parte secundum cursum haberent. I, 79. quorum nulli ex itinere excedere licebat, quin ab equitatu Caesaris exciperentur. B. G. VI, 39. nemo est tam fortis, quin rei novitate perturbetur._ B. C. III, 53. nemo fuit omnino militum, quin vulneraretur. II, 5. neque erat quisquam omnium, quin existimaret. II, 19. nulla fuit civitas, quin mitteret. III, 81. nulla Thessaliae fuit civitas, praeter Larissaeos,

quin Caesari parerent. Corn. Nep. Timol. I, 5. mater post id factum neque domum ad se filium admisit, neque adspexit, quin eum fratricidam impiumque destestans compellaret. Propert. I, 8, 21. Nam me non ullae poterunt corrumpere taedae, quin ego, vita, tuo limine vera querar. Pers. Sat. I, 84. Nilne pudet capiti non posse pericula cano pellere, quin tepidum hoc optes audire: decenter! d. h. sich vor Gericht nicht verteidigen können, ohne Beifall für seine Redekunst zu wünschen. Cato bei Gell. XVII, 13. neque satis habuit, quod eam in occulto vitiaverat, quin eius famam prostitueret. Ter. Hec. I, 2, 75. Eam ludibrio haberi, quin integram itidem reddam, ut accepi ab suis, neque honestum mihi neque utile ipsi virgini est. Plaut. Aulul. II, 1, 11. Ita aequum est, quod in rem esse utrique arbitremur, monere, neque occultum id haberi neque per metum mussari, quin participem pariter ego te, et tu me ut facias, wo der Gebrauch des pleonastischen ut merkwürdig ist. B. Die Verbindung kann ferner von der Art sein, daß das durch quin angeknüpfte negative Prädikat ein beabsichtigtes ist, so daß darin die durch impedire, prohibere, obstare u. s. w. ausgedrückte Absicht enthalten ist; da aber in diesen Verbis

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