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Die

Usucapio und Praescriptio

des

Römischen Rechts

bon

Dr. Carl Friedrich Reinhardt,

Königl. Würtembergischem Ober-Tribunal-Rathe.

Stuttgart,
bey Joh. Friedr. Steinkopf.

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Wen immer noch sein äußerer oder innerer Beruf auf die Lehre von der erwerbenden und erlöschenden Verjährung geführt hat, der wird mir zugeben, daß dieselbe, wenige Flare Säße ausgenommen, nichts als ein Aggregat von Controversen ist. So wurde sie schon von den Glossatoren unseren Vorvordern, von diesen uns überliefert. Nun mehrten sich durch alle neuere Forschungen die Controversen, und glaubte man endlich irgend eine glücklich beseitigt zu haben, so wurde durch dasselbe Mittel, wodurch Eine beseitigt wurde, wieder eine andere geschaffen. Auch der Gerichtsbrauch, welcher schon so oft Controversen beseitigt hat, hat gerade dieser Materie noch nicht die rechte Seite abzugewinnen gewußt, und wenn auch hie und da einzelne Gerichte einen festen Grund zu haben glaubten, so kann doch von einem allgemeinen Gerichts brauch nicht die Rede seyn. Nun hat man zwar schon längst eingesehen, daß es nicht die Lehre von der

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Usucapio und Praescriptio allein ist, welche bloß durch geschichtliche Behandlung die nöthige Aufklärung ers hålt, sondern daß es das römische Recht über: haupt ist, welches nur vom geschichtlichen Standpunkt aus gehdrig aufgefaßt und gewürdigt werden kann. Allein einer solchen Behandlung hat sich die Sache von der Usucapio und Praescriptio noch nicht zu erfreuen gehabt. In diese dunkle und verworrene Lehre an der Hand der Geschichte einzudringen, und somit aufzuklåren, was mir früher durchaus unklar war, dieß war meine Aufgabe, ehe ich noch, auch nur entfernt, daran dachte, das Ergebniß meines Studiums durch den Druck zur öffentlichen Kunde zu bringen.

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- Da mir aber nun klar geworden, was mir früher nur theilweise vorschwebte, theilweise ganz unklar war, so glaube ich nichts Unverdienstliches zu unternehmen, wenn ich das Ergebniß meiner geschichtlichen For schungen in der gegenwärtigen Schrift zur öffent lichen Kunde bringe. Nur über den Plan dieser Schrift sen es mir erlaubt, mich noch insbesondere zu äußern. Das erste und früheste Institut, was uns auf dem Gebiete des Römischen Rechts begegnet, ist die Usucapio. Aber ehe uns die Commentarien des Gajus zu Theil geworden, war selbst ihre Ers scheinung für uns etwas sehr Räthselhaftes. Einigen Nachrichten zu Folge sollte sie schon in den Zwdlf;

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Tafel-Gefeßen gelegen seyn; allein mit dem übrigen System derselben, namentlich mit der Lehre vom Eigenthumsrecht und dessen Erwerbung, in so weit dieß uns schon früher bekannt war, vermochte man sie nicht so recht in Einklang zu sehen; daß man schon über die Natur der Usucapio im Zweifel war, und daß schon bey'm Eintritt in diese Lehre uns Controversen, welche wenigstens den Anfänger nicht auf's angenehmste überraschten, begegneten, war wohl nicht zu verwundern. Erst Gajus hat uns das Räthsel gelöst, aus seinen Commentarien erst ersehen wir, was es dann mit der Usucapio, welche schon die Zwölf-Tafel-Geseze kannten, für eine Bewandniß habe? und daß dasjenige, was das Justinianeische Recht unter der Benennung Usucapio fennt, nur ein dem ursprünglichen der Zwölf-Tafel-Geseze nachgebildetes freylich erweitertes Rechts-Institut ist, was zunächst der Doctrin seine Entstehung zu ver danken hat. So sind auch die Grundsäge, von denen die Doctrin bey der Aus- und Nachbildung der neueren Usucapio ausging, lediglich Erzeugnisse der Doctrin, welche allerdings in den römischen Gerichten, ehe sie noch durch die Justinianeische Gesezgebung positives Recht geworden, Plag gegriffen hatten. An die Usucapio reiht sich die Praescriptio. Gajus erwähnt ihrer nicht, und konnte ihrer wohl

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