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Eilfter Abschnitt.

Die Verordnungen Justinian's.

§. 97.

Rückblick auf das Bisherige und Uebersicht des Zustandes vor der Gesetzgebung Justinian's.

Blicken wir nun auf die bisherige Untersuchung zu-rück, so ergibt sich, daß der Zustand vor der Justinianeischen Gesetzgebung folgender war: Es gab noch eine gedoppelte Usucapion, nåmlich die ursprüngliche, bloß auf res mancipi oder solche Sachen, welche nur in jure cedirt werden konnten (§§. 26. u. 27.) beschränkte, wodurch bloß die mangelnde Form der Mancipation oder in jure Cession ergänzt wurde, die bloß formelle Usucapion, wie ich sie nennen möchte, welche bloß gegen den Tradirenden, keineswegs aber, und wenn solcher nicht Eigenthümer war, gegen den Eigenthümer als Dritten wirkte (§. 36.), sodann die von der ursprünglichen abgeleitete und dieser nachgebildeten, auf alle körperlichen Sachen anwendbare und nicht bloß auf die res mancipi beschränkte Usucapion (§§. 37. u. 38.), welche ich die materielle nennen möchte, weil solche auch gegenüber von dem Eigenthümer, welcher nicht der Tradirende, son= dern ein Dritter war, Eigenthumsrecht bewirkte.. Es gab aber auch für solche Sachen, welche nicht usucapirt werden konnten, eine Pråscription, welche jedoch nicht Eigenthumsrecht, sondern bloß Schuß im Besize bewirkte (§§. 87. u. 95.). In wie ferne nun dieser Zustand durch die Gesezgebung Justinian's sich veränderte, wird der Gegenstand meiner weitern Untersuchung seyn, bey welcher ich die Zeitordnung der Justinianeischen Constitutionen zu Grunde legen, diejenigen aber, bey welchen die Zeit ihrer Erscheinung nicht bekannt ist, voranschicken werde.

Eilfter Abschnitt. Die Verordnungen Justinian's. 211

§. 98.

1) Die Const. un. C. de nudo jure Quiritium tollendo. (7, 25.)

Hierher gehört nun 1) die

Const. un. C. de nudo jure Quiritium tollendo (7, 25.) ,,Antiquae subtilitatis ludibrium per hanc decisionem expellentes, nullam esse differentiam patimur inter dominos, apud quos, vel nudum ex jure Quiritium nomen, vel tantum in bonis reperitur: quia nec hujusmodi volumus esse distinctionem, nec ex jure Quiritium nomen, quod nihil ab aenigmate discrepat, nec unquam videtur, nec in rebus apparet, sed vacuum est et superfluum verbum, per quod animi juvenum, qui ad primam veniunt legum audientiam perterriti, ex primis eorum incunabulis legis antiquae dispositiones accipiunt: sed sit plenissimus et legitimus quisque dominus, sive servi, sive aliarum rerum ad se pertinentium? Durch diese Constitution stellte nun Justinian das unum dominium, von welchem wir ausgiengen (§. 1.), wieder her; nur Ein Eigenthumsrecht sollte noch vorhanden seyn, keine verschiedenen Arten desselben, kéin dominium quiritarium, kein nachheriges nudum jus Quiritium, fein dominium bonitarium. Dieses Justinianeische,,unum dominium" ist jedoch von dem ursprünglichen unum dominium, dessen Gajus (§. 1.) erwähnt, wesentlich verschieden. Das letztere nåmlich konnte bloß durch die Occupation bey herrenlofen, durch die mancipatio und cessio in jure bey solchen Sachen, welche mancipirt oder in jure cedirt werden mußten, und nur bey solchen, welche weder mancipirt, noch in jure cedirt werden mußten, durch die Tradition erworben werden. Spåter entstand freylich bey solchen Sachen, welche mancipirt oder cedirt werden mußten, ein dominium bonitarium (§§. 2-22.). Wenn aber jest Justinian wieder Alles auf ein unum dominium zurückführt, so benahm er hier-. durch der mancipatio und in jure cessio schon ihre eigenthümlichen Wirkungen, und dieses unum dominium' konnte jezt bey herrenlosen Sachen durch Occupation, bey Eigenthums - Uebertragungen aber durch Tradition erworben

werden, und in Beziehung auf die lettere drückt sich daher auch der Justinianeische

§. 40. J. de rer. divis. (2, 1.)

ganz richtig aus:,,Per traditionem quoque jure naturali res nobis adquiruntur, nihil enim tam conveniens est naturali aequitati, quam voluntatem domini volentis rem suam in alium transferri, ratam haberi." Sanz überflüssig war es daher auch, wenn er in einer nachherigen Constitution noch zum Ueberfluß den Unterschied zwischen den rebus mancipi und nec mancipi (§. 105.) aufhob, denn dieß war bereits durch die Einfüh rung des unum dominium geschehen. Nun verdient allerdings das nudum jus Quiritium, wie ich oben schon gezeigt habe (§. 23.), alle die Vorwürfe, mit welchen es Justinian in der fraglichen Constitution überhäuft; allein gegenüber von den Fremden, welche nicht in die Genossenschaft des römischen Rechts wenigstens in Beziehung auf freyen Verkehr (commercium) aufgenommen waren, war es allerdings mehr als ein bloßer Name, denn es schloß diese wenigstens von dem Verkehr in Beziehung auf diejenigen Sachen, welche mancipirt oder in jure cedirt werden mußten, aus, aber hieran schien nun auch gerade zu Justinian's Zeiten eben nicht viel mehr gelegen zu seyn, und so fiel nun durch diese Constitution die lehte Scheidewand, welche früher Römer und Nicht-Römer in Beziehung auf den freyen Verkehr getrennt hatte. Uebrigens konnten die Nicht-Römer peregrini in so ferne sie nicht in, die Genossenschaft des römischen Rechts wenigstens in Be-s ziehung auf freyen Verkehr aufgenommen waren, auch nach dieser Constitution nicht durch Usucapion Eigenthumsrecht erwerben, weil die Usucapion immer ein modus acquirendi civilis blieb (§. 4.).

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§. 99.

2) Const. 11. C. de praescript. 1. t. (7, 33.) Die zweyte Justinianeische Constitution ist die

Const. 11. C. de praescript. 1. t. (7, 33.) vom Jul. 528:,,Super longi temporis praescriptione, quae ex decem vel viginti annis introducitur, perspicuo jure sancimus, ut sive ex donatione, sive ex

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alia lucrativa causa bona fide quis per X. vel XX. annos rem detinuisse probatur, adjecto scilicet tempore etiam prioris possessoris: memorata longi temporis exceptio ei competat, nec occasione lucrativae caussae repellatur." Vorläufig will ich nun hier bemerken, daß aus den Worten,,adjecto possessoris" unzweifelhaft hervorgeht, daß die accessio temporis auch bey der Pråscription Statt fand, wie ich schon oben (§§. 91. u. 92.) zeigte; jedoch darf hiebey die §. 93. berührte Ausnahme nicht außer Acht gelassen werden. In der Hauptfache aber entscheidet diese Constitution, wenn gleich sie nicht in einem so hohen Tone, in welchem sonst Justinian frühere Controversen zu entscheiden pflegte, abgefaßt ist, offenbar eine frühere Controverse, nåmlich die: ob die Pråscription auch bey solchen Sachen, welche der Präscribirende nicht oneroso, sondern lucrativo titulo erworben hat, Statt finde? und zwar bejahend. Wahrscheinlich haben diejenigen, welche diese Frage verneinten, hiebey an einen concursus duarum lucrativarum causarum gedacht, und aus diesem Grunde die Pråscription unanwendbar gefunden. Justinian aber war, und, wie mir wenigstens scheint mit Recht, anderer Meinung.

§. 100.

3) Die Const. 12. C. de praescript. 1. t. (7, 33.)

Schon oben (§. 89.) habe ich bemerkt, daß darüber, was als absentia und praesentia bey der Dauer der longi temporis praescriptio anzusehen seye? früher Streitigkei ten obwalteten, von welchen uns Justinian in dem Eins gange dieser Constitution, welche dort schon abgedruckt ist, Nachricht gibt. Nach diesem Eingange fährt er nun also fort:,,Sancimus itaque debere in hujusmodi specie, utriusque personae, tam petentis, quam possidentis spectari domicilium: ut tam is, qui dominii vel hypothecae quaestionem inducit, quam is, qui res possidet, domicilium habeat in uno loco, id est, in una provincia: hoc etenim magis nobis eligendum videtur, ut non in civitate concludatur domicilium, sed magis provincia: et si uterque domicilium in eadem habeat provincia, causam inter praesentes

esse videri, et decennii magis praescriptione agentem excludi. De rebus autem de quibus dubitatio est, nulla erit differentia, sive in eadem provincia sint, sive in vicina, sive trans mare positae, vel longo spatio separatae. Sin autem non in eadem provincia uterque domicilium habeat, sed alter in alia, alius in altera: tunc ut inter absentes causam disceptari, et locum esse XX. annorum praescriptioni. Nihil enim prohibet, sive in eadem provincia res constitutae sint, sive in alia, super his controversiam in judicio provinciali moveri, et multo magis in hac florentissima civitate. Quid enim prodest in ipsa provincia esse possessionem, an in alia: cum jus vindicationis incorporale est, et ubicunque res positae sunt, et dominium earum et vinculum ad dominum, vel creditorem possit reverti? Ideo enim nostri majores subtilissimo animo, et divino quodam motu, ad actiones et earum jura pervenerunt, ut incorporales constitutae possint ubicunque jus suum et effectum corporalem extendere. Sit igitur secundum hanc definitionem causa perfectissime composita, et nemo posthac dubitet, neque inter praesentes, neque inter absentes quid statuendum sit: ut bono initio possessionem tenentis, et utriusque partis domicilio requisito, sit expedita quaestio pro rebus ubicunque positis: nulla scientia, vel ignorantia exspectanda, ne altera dubitationis inextricabilis oriatur occasio. Eadem observando, et si res non soli sint, sed incorporales, quae in jure consistunt, veluti ususfructus, et caeterae servitutes. Hier entscheidet nun Justinian die Frage: In welchem Falle der Pråscribirende und derjenige, gegen welchen pråscribirt wird, abgesehen von ihrer An- oder Abwesenheit, als absentes oder praesentes einander gegenüber betrachtet werden sollen? dahin: daß die absentia und praesentia lediglich darnach, ob der Pråscribirende und derjenige, gegen welchen präscribirt wird, beyde in einer und eben derselben Provinz ihren Wohnort haben, oder nicht? zu bemessen, und im ersten Falle der casus praesentiae, im leßtern der casus absentiae eintrete. Darauf aber, wo sich die zu präscribirende Sache immer befinden

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