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Einleitung.

Geschichte des literarhistorischen Studiums.

§. 1. Eine systematische Bearbeitung der Literaturgeschichte kennt weder das Alterthum noch das Mittelalter. Beide haben nur Vorarbeiten für eine solche Disciplin durch Lebensbeschreibungen (Biographien und Nekrologien) von Dichtern, Rednern, Philosophen u. s. w., durch Beurtheilungen und Auszüge ihrer Werke.

Den ersten Versuch machte zu Anfang des 16. Jahrhunderts Polydorus Vergilius († 1555), ein gelehrter Theolog zu Urbino 1.

Eigentlicher Gründer der Gelehrten geschichte ist Kr. v. Gesner aus Zürich (1516-65) 2.

Pt. Lambeck (Lambeccius, 1628-80) lehrte seit 1656 an dem Gymnasium in Hamburg und war der Erste, der einen vielumfassenden, chronologisch geordneten Abriss der Literaturgeschichte herausgab 3.

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Anderweitige Bearbeiter der Literaturgeschichte sind Thm. Reinesius (1587-1667), G. Morhof (1639—91)3, Pierre Bayle (1647 — 1706) 6, Häderich 7, Heumann J. Albr. Fabricius (1668-1736) 9, J. And. Fabricius 10. Nach Heumann's Plan, der sich durch Reichthum des Stoffs, glückliche Auswahl und reifes Urtheil auszeichnete, schrieb Bouginé sein,Handbuch der allgemeinen Literaturgeschichte 1789. Ihm war Reimann (1668-1743) als Begründer einer bessern Methode vorangegangen, indem er zuerst auf den Werth und Nutzen der Gelehrtengeschichte und Literaturkenntniss aufmerksam machte, über Methode und Inhalt der einzelnen Werke und über die Verdienste ihrer Verfasser ein freies und ziemlich scharfes Urtheil abgab 11. Dagegen behaupteten Jöcher (1694-1758) 12 und Niceron (16854738) 13 blos den lexikalischen Standpunkt.

Seit 1702 wurde Literaturgeschichte auf Universitäten ge

MERLEKER.

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lehrt in Greifswald von Lobetanz, in Halle von Gundling, in Jena von Stoll, in Altorf von Zeltner, in Königsberg von Neufeld, in Rinteln von Bierling.

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1 De rerum inventoribus lib. III, 1499, das später mit drei Büchern De prodigiis vermehrt seit 1644 viele Auflagen erlebte. 2 Bibliotheca universalis s. catalogus omnium scriptorum locupletissimus in tribus linguis, graeca, latina et hebraica, exstantium etc., 1545. Vergl. HANHART, Biographie Gesner's, 1824. 3 Prodromus hist. literariae, 1659, 2. A. 1720. Lambeck's Leben, 1724. + Eponymologicum. 5 Polyhistor literarius, philosophicus, practicus, 1688, 4. A. 1747. 6 Dictionnaire historique et critique, neueste A. 1820; deutsch von Gottsched 4744-44. Bayle's Leben von DESMAIZEAUX, deutsch von Kohl 1731, Feuerbach 1838. 7 Notitia auctorum antiqua et media, 1709. 8 Conspectus reip. literariae, 1718. 9 Lieferte 1705-8 seine Bibliotheca graeca in 14 Bdn., fortgesetzt u. neu aufgelegt von HARLESS in 12 Bdn., 1790-1809. Seine Bibliotheca latina 1697, neu herausg. von ERNESTI 1773. Seine Bibliotheca mediae et infimae aetatis, 1746 fg. Dazu ein Supplementband von ScпÖTTGEN 4746, neue A. von MANSI 4754. Seine Bibliotheca ecclesiastica, 1748, und Bibliographia antiquaria, 1713, neue A. 1760. 10 Abriss einer allgem. Historie der Gelehrsamkeit, 1751 — 54. 11 Versuch einer Einleitung in die Hist. literaria insgemein u. die deutsche insbesondere, 1708-13. Idea systematis antiquitatis literariae, 1718. 12 JÖCHER'S Allgem. Gelehrtenlexikon, 1750, wurde von ADELUNG bis J 1784-87 und von ROTERMUND bis Rin 1810-22 ergänzt. 13 NICERON'S Mémoires pour servir à l'histoire des hommes illustres dans la république des lettres, 1727-41, sind mit Anmerkungen u. Zusätzen von Rambach, Baumgarten u. Jani ins Deutsche übersetzt, 1749-77.

§. 2. Geistreicher und philosophischer behandelten die Geschichte der Literatur die französischen Freunde Goguet (1748-58) und Fugère ; ferner der Italiener Denina (1731--1813)2, ohne jedoch jene Franzosen an Gründlichkeit und Selbständigkeit des Urtheils zu erreichen; sodann Laharpe (1739-1803) 3, aber nicht ohne Parteilichkeit und Ungerechtigkeit.

Als Theil der Geschichte der menschlichen Cultur wurde die Literaturgeschichte behandelt von Iselin (1728-82) 4, Ad. Ferguson (1724-1816), Henry Home 5, vorzüglich von Herder (1744-1803) 6.

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Besondern Ruhm haben sich um die Bearbeitung der allgemeinen Literaturgeschichte die Deutschen erworben, während andere Nationen mehr mit ihrer Nationalliteratur beschäftigt sind. Gross sind die Leistungen von J. F. L. Wachler (1767-1838) und J. Gf. Eichhorn (1752-1827) ", der zu Jena und Göttingen in öffentlichen Vorträgen mehrmals die Geschichte der gesammten Literatur behandelt hatte, als er den Plan fasste zur Herausgabe einer Geschichte der Künste und Wissenschaften seit der Wiederherstellung der

selben, welche 1796 begann. Neben diesen führen wir noch an: Meusel (1743-1820), F. v. Schlegel (1772-1829) 10 und Heeren (1760-1842) 11.

Die namhafteste Erscheinung auf diesem Felde in neuester Zeit ist das von J. G. Thdr. Grässe 1837 begonnene, aber noch nicht vollendete ,Lehrbuch der allgemeinen Literärgeschichte aller bekannten Völker der Welt von der ältesten bis auf die neueste Zeit, welches sich durch ausserordentliche Belesenheit, Sammlerfleiss und Vollständigkeit auszeichnet, daneben aber schwerfällig in der Anordnung, mangelhaft in der Sichtung und Beurtheilung des Stoffs ist. Die, Allgemeine Geschichte der Literatur von J. Scherr 1851 bildet den sechsten Band der ,Neuen Encyklopädie für Wissenschaften und Künste'.

1 De l'origine des lois, des arts et des sciences, et de leurs progrès chez les anciens peuples, 1756, auch ins Deutsche u. Englische übersetzt. 2 Discorso sopra le vicende della letteratura, 1761; deutsch von Seeber 4785-87. Storia politica e letteraria della Grecia libera, 1781 fg.; deutsch von Dau 1783 fg. Guide littéraire, 1794 fg. 3 Lycée, ou cours de littérature ancienne et moderne, 1786 fg. Neueste Ausgabe von BUCHON 1830. 4 HIRZEL, Iselin's Denkmal, 1782. 5 Lord Kaimes, 1696-1782; sein Leben von WOODHOUSE, 1807. 6 Ideen zur Philosophie u. Gesch. der Menschheit, 1784-94. 4. A. mit LUDEN'S Einleitung, 1841. WAHL, Versuch einer allgem. Gesch. der Literatur, 1787. 7 Lehrte mit vielem Beifall an der Universität zu Breslau. Versuch einer allgem. Gesch. der Lit., 1793. Handbuch der allgem. Gesch. d. literar. Cultur, 1804. Handbuch d. Gesch. d. Lit., 1804. Lehrbuch d. Literaturgesch., 1827. 8 Unvollendet gebliebene Allgem. Gesch. d. Cultur u. Literatur des neuern Europa, 1796. Literargeschichte, 1799. Gesch. d. Literatur von ihrem Anfange bis auf die neuesten Zeiten, 1805 fg., unbeendigt. 9 Gelehrtes Deutschland, fortges. von ERSCH U. LINDNER, 1796 fg. Lexikon der von 1750-1800 verstorbenen deutschen Schriftsteller, 1802 fg. Bearbeitung von Struve's Bibliotheca historica, 1782 fg. 10 Gesch. d. alten u. neuen Lit., 1815. — 11 Gesch. des Studiums d. class. Lit. seit dem Wiederaufleben der Wissenschaften, 1797-1802.

§. 3. Die Biographen und Kritiker (Literarhistoriker) des Alterthums beginnen erst mit dem alexandrinischen Zeitalter: Aristoteles und die Peripatetiker, Kallimachos, Strabo, Pausanias, Athenäos, Dionysios von Halikarnass, Diogenes von Laërte, Philostratos, Plutarch, Eunapios, Ammonios, Suidas, Photios; die Römer Varro, Cicero, Cornelius Nepos, der ältere Plinius, Quintilian, Sueton, Gellius.

Unter den Neuern lieferten Muster guter Biographien, abgesehen von den Autobiographen: 1) in Frankreich: Fléchier, Fontenelle, Racine, Burigny, de Sade, Voltaire, Mallet, Boissy d'Anglas, Villemain1; 2) in England:

Middleton, Johnson, Murphy, Robertson, Th. Moore, Marshall, Southey, Wash. Irving 2; - 3) in Deutschland: Schröckh, Nicolai, Herder, Klein, Garve, Meissner, Niemeyer, Heeren, Dippold, Luden, Voigt, Drumann, Varnhagen von Ense, Droysen, Pertz u. A. 3. Der amerikanische Plutarch von Sparks.

1 Sammlungen von MICHAUD, 52 Bde., 1814 fg., nebst Supplementen, Bd. 53-76, 1832 fg., von RABBE, VIEILH DE BOISPOLIN u. SAINTE-PREUVE 4836. 2 Biographia britannica, 4747 fg., von WATKINS 1825, LONGMAN 1817 fg. 3 Die Specialliteraturen u. Conversations-Lexika (Brockhaus u. Pierer), JÖCHER, die Nachträge zu Sulzer's Theorie der schönen Künste von DYK, und SCHÜTZ, Charakteristik der vornehmsten Dichter aller Nationen, 4792 fg. MEINERS' Lebensbeschreibungen berühmter Männer. ERHARD, Gesch. des Wiederaufblühens wissenschaftlicher Bildung u. s. w., 1827 fg. ULLMANN, Reformatoren vor der Reformation u. s. w., 1842. Künstlerlexikon von MEUSEL 4778 (neue A. 1808), FÜSSLI 1779 (1810) u. NAGLER 1835 fg. SCHRÖDER, Lexikon der hamburgischen Schriftsteller, 1851 fg. Bei den Italienern 65 Bde. Biografia universale antica e moderna, von EMILIO DE TIPALDO 1844. Bei den Spaniern von CARDANEAS und PASTOR DIAZ. Bei den Belgiern von PAWELS DE VIS 1844. Bei den Schweden Biographisk lexicon etc., 4835. WIGGERS, Ueber die Biographie, 1777. JENISCH, Theorie der Lebensbeschreibung, 1802. Das zu erwartende Gelehrten- und Künstlerlexikon von KESSLIN.

§. 4. Die Nekrologien oder Todtenbücher stammen aus dem Mittelalter. Eine bedeutende Anzahl derselben ist in den Quellensammlungen deutscher Geschichten bei Langenbeck, Leibnitz, Mencken, Schannat, Schöttgen u. A. und in den Schriften mehrer historischer Vereine abgedruckt 1. In neuerer Zeit wählte zuerst Schlichtegroll (1765-1822) 2 den Namen, Nekrolog als Titel für seine Nachrichten von dem Leben merkwürdiger verstorbener Deutschen zwischen 4790-1800, denen er den,Nekrolog der Deutschen für das 19. Jahrhundert folgen liess. Daran fügte F. A. Schmidt den, Neuen Nekrolog der Deutschen', den seit dessen Tode der Verleger Bhd. F. Voigt fortsetzte 3.

1 WEDEKIND, Ueber Nekrologien in s. Noten zu einigen Geschichtschreibern des deutschen Mittelalters, 1823. 22 Bde., 4794-1804,

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nebst Supplementband 1798; 5 Bde., 1802-6. 3 Ilmenau Bd. 4-10, Weimar 1835--53, mit drei Registerbänden 4823-53.

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