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Q. HORATI FLACCI

CARMINUM

LIBER PRIMUS.

I.

Maecenas atavis edite regibus,
O et praesidium et dulce decus meum!

I.

Widmung. Bei Übersendung der

drei ersten Bücher der Oden. 'Manche reizet der Ruhm Olympischer Siege, Andere die Erhebung zu den höchsten römischen Würden oder der Ertrag africanischer Besitzungen; dem Einen geht nichts über ein bescheidenes und sicheres Loos, einem Anderen nichts über einen selbst gefahrvollen Erwerb; Mancher sucht Genuss und Behaglichkeit, Viele wieder Kampf und Strapazen: mich beseligt die Poesie. Ja setzest du mich in die Reihe der Liederdichter, so werde ich mit dem Scheitel die Sterne berühren.'

Den Hauptgedanken bildet der dem zweizeiligen Eingang entsprechende zweizeilige Schluss. In dem Rahmen beider zeigen drei Gegensatzpaare, die beiden ersten aus je 8, das letzte aus 10 Versen bestehend, allerlei Sinnen und Streben, Thun und Treiben der Menschen, welchem der Dichter sich selbst gegenüberstellt mit dem Bewusstsein, das bessere Theil erwählt zu haben. Die Gegensatzpaare sind wieder gegensätzlich aneinandergereiht, indem vom reichen Grundbe

HORAZ I. 7. Aufl.

sitzer zu dem zufriedenen Landmann, von dem erwerbenden Seemann zu dem geniessenden Freunde der Musse übergegangen wird. Die kleine Unregelmässigkeit, dass auf das dritte Gegensatzpaar 2 Verse mehr und auf den Dichter selbst 2 Verse weniger kommen als auf jeden der beiden vorhergehenden Theile, wird man mit Recht geneigt sein für einen Vorzug zu halten.

Wenn die beiden ersten und die beiden letzten Zeilen fehlten, so hätten wir statt der Widmung ein Vorwort: und ein Vorwort das nichts zu wünschen übrig liesse, während man sich jetzt wundern kann dass in dem Gedichte selbst nicht die mindeste Beziehung auf den Angeredeten genommen wird. Sollten die vier Dedicationszeilen, welche auch hinsichtlich des Metrums isolirt stehen, vielleicht nachträglich bei der Übersendung hinzugefügt sein?

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1. regibus. Die Apposition für das Attribut, wie 4. 16 fabulae für fabulosi. Mäcenas stammte von den etruskischen Lucumonen: III. 29. 1. Sat. I. 6. 1.

2. dulce decus. Eine weiche Alli

2

Sunt quos curriculo pulverem Olympicum
Collegisse iuvat, metaque fervidis
5 Evitata rotis palmaque nobilis
Terrarum dominos evehit ad deos:

Hunc, si mobilium turba Quiritium
Certat tergeminis tollere honoribus;
Illum, si proprio condidit horreo
10 Quidquid de Libycis verritur areis.

Gaudentem patrios findere sarculo

teration, wie dulce et decorum III. 2. 13, dulcis docta III. 9. 10, dulci digne III. 13. 2, desine dulcium IV. 1. 4, dulci distinet a domo IV. 5. 12, Dauniae defende decus IV. 6. 27. Die Alliteration nimmt überhaupt in der lateinischen Poesie eine bedeutende Stelle ein: obgleich jetzt das deutsche Ohr von vornherein für dieselbe so wenig empfänglich ist, als den Alten die Schönheit des Reimes bekannt war.

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3. Sunt quos verschmilzt zu dem einen Begriff nonnullos, wie est qui V. 19: = nonnemo, sunt quibus 7. 5 nonnullis. Daraus erklärt sich einerseits der Indicativ iuvat, andererseits die Weiterführung der Construction durch hunc. curriculo curru IV. 3. 5. Doch wie kommt der 'Olympische' Staub hierher? Augustus veranstaltete Wettkämpfe nach griechischer Art: nullique Graeco certamini interfuit, quo non pro merito certantium quemque honorarit. Suet. Oct. XLV. Man kann sich denken dass eine solche Erwähnung dieser Wettkämpfe dem Augustus sehr angenehm war, und dieselbe scheint um so natürlicher, da Horaz auch sonst in den Liedern so gern auf die Anordnungen des theuren Fürsten Bezug nimmt. Dass der Dichter hier an die Griechen oder gar an griechische Reisen gedacht haben sollte, wie sie allerdings vornehme Römer unternommen haben um an den Olympischen Wettkämpfen in Griechenland selbst Theil zu nehmen, ist mir weit weniger denkbar.

4. collegisse pulverem (= pulvis

collectus turbine Sat. I. 4. 31) kommt auf einer Linie mit meta evitata zu stehen. Der Inf. Praeteriti verliert nichts von seiner Bedeutung: III. 4. 52. Staub aufgewirbelt zu haben nicht eben beneidenswerth.

5. nobilis mittelbar s. v. a. nobilitans, sofern der Ruhm der Palme auf den Besitzer fällt. Vgl. inaequales II. 9. 3 und maior III. 20. 8.

6. terrarum dominos deos (die 'weltbeherrschenden' Götter) hat auch Ovid: Pont. I. 9. 36. Die Wortstellung nicht anders als IV. 8. 34, 9. 2: und doch glauben um der Wortstellung willen Manche terrarum dominos auf die Sieger beziehen zu müssen. Der Gedanke auch IV. 2. 17: quos Elea domum reducit Palma caelestis.

7. mobilium herabsetzend. Das Beiw. deutet an wie werthlos solche Ehren, die weniger das Verdienst als die Laune verleiht, in Ansehung ihres Ursprungs sind.

8. honoribus 'zu' Ehren, doch Ablat. Im Deutschen wird als das Ziel der Erhebung gefasst, was im Lateinischen das Mittel ist. Vgl. exitio III. 16. 13, tollere reda in den Wagen nehmen, solvere hospitiis animum das Herz den Erweisungen der Gastfreundschaft (laetitia der Freude) öffnen: Sat. II. 6. 42 u. 83.

10. Der Getreidereichthum Africas, wo begüterte Römer sich anzukaufen pflegten, war sprichwörtlich geworden: Sat. II. 3. 87. Das Fegen' klingt geringschätzig, und ist insofern mit pulverem collegisse und mit mobilium zu vergleichen. 11. patrios agros wie paterna

Agros Attalicis condicionibus
Numquam dimoveás, ut trabe Cypria
Myrtoum pavidus nauta secet mare:

15 Luctantem Icariis fluctibus Africum
Mercator metuens otium et oppidi
Laudat rura sui; mox reficit ratis
Quassas, indocilis pauperiem pati.

Est qui nec veteris pocula Massici, 20 Nec partem solido demere de die

Spernit nunc viridi membra sub arbuto,
Stratus nunc ad aquae lene caput sacrae:

Multos castra iuvant et lituo tubae Permixtus sonitus, bellaque matribus 25 Detestata; manet sub iove frigido Venator tenerae coniugis inmemor,

Seu visa est catulis cerva fidelibus,
Seu rupit teretes Marsus aper plagas.

rura Ep. 2. 3: nur dass patrium heisst quod patrum fuit, paternum quod patris.

12. Attalische Anerbietungens.v.a. die reichsten, glänzendsten: II. 18.5.

13. dimoveas (von seiner Scholle losmachen), nicht demoveas (ex fortunae suae altitudine). Cyprisches Gebälk für Handelsschiff: die Individualisirung dient zur Veranschaulichung, wie auch gleich nachher.

14. Wesshalb ein 'zager' Schiffer? Weil ein solcher der Landmann unfehlbar sein würde. Obwohl V. 16 auch der Kaufmann sich fürchtet.

15. fluctibus Dativ, wie aquilonibus 3. 13.

17. reficit ratis: wie Alphius Ep. 2. 70.

18. quassas die leck gewordenen: indocilis indem er sich nicht darein finden kann, nimmer lernt.

19. Nicht verschmähen für gern mögen. Litotes: I. 33. 2.

20. solidus d. der ganze, eigentliche Tag: im Gegensatz gegen die Nebenstunden. Es ist an meridiationes zu denken.

21. membra stratus ist vertheilt

wie siccis oculis vidit 3. 18. Wird das Komma, welches hier hinter arbuto steht, hinter stratus gesetzt, so geht die poetische Rundung verloren, und stratus erhält zu viel Gewicht.

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22. lene sanft murmelnd. Des Wassers Haupt Haupttheil ist der Quell: gewissermassen das Gegentheil os IV. 2. 8.

23. lituo compendiarisch für litui sonitu. Der Zinken ist von der Drommete durch Klang und Gestalt verschieden: II. 1. 17. Mit jenem wurde bei der Reiterei, mit dieser beim Fussvolk zum Angriff geblasen.

25. detestata pass. wie abominatus Ep. 16. 8: der Dativ matribus ist dem bei visa est (pávn) V. 27 analog. Der Name des Gottes für sein Element, die Luft oder den Himmel, wie bei Schiller der unbewölkte Zeus'.

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