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beider von demselben Dritten oder auch durch ein juristisch jener gleichwirkendes Ereigniß begründet ist, während unter Schwägerschaft (affinitas) nur das Verhältniß zwischen einem Ehegatten und den Verwandten des andern verstanden wird. Die Verwandtschaft ist 1) entweder eine eheliche oder uneheliche, 2) entweder eine natürliche oder künstliche (Adoptivverwandtschaft)°, 3) entweder Verwandtschaft in aufsteigender oder absteigender Linie (linea superior, ascendens, oder inferior, descendens), oder in der Seitenlinie (linea transversa, obliqua), daher Ascendenten, Descendenten, Seitenverwandte oder Collateralen 2; die leßten aber können entweder vollbürtige oder halbbürtige sein 3; 4) entweder einfache oder mehrfache Verwandtschaft 4; 5) ent= weder Cognation im engern Sinn oder Agnation, welche leßte aber im neuesten Justinianischen Recht ihre Wichtigkeit verloren hat. Den Grad der Verwandtschaft zwischen zwei Personen berechnet das römische Recht durchgängig nach der Anzahl der ihre Entstehung bewirkenden Zeugungen oder Generationen (computatio civilis), das canonische Recht aber in der Seitenlinie nach dem Grade der Verwandtschaft beider zu dem nächsten gemeinschaftlichen Ascendenten'. Die Grade der Schwägerschaft berechnet man nach dem Grade der Verwandtschaft des einen Affinen mit dem Ehegatten des andern.

Anm. 1 Auch das Verhältniß unter den Ehegatten selbst? Fragm. Vat. §. 218. 262. L. 38. §. 1. D. de usur. 22. 1. L. 15. Cod. de donat. ante nupt. 5. 3. Vgl. Sell im Arch. für civ. Praxis. XXII. S. 237 fg.

2 Respectus parentelac. §. 5. J. de nupt. 1. 10. Dirksen Beiträge. Nr. 6. 6. 248 fg..

3 Nach moderner Terminologie: germani, consanguinei, uterini; nach römischem Sprachgebrauche ist auch der vollbürtige Bruder consanguineus.

4 Ueber den Unterschied der vollbürtigen und halbbürtigen Seitenverwandtschaft von der einfachen und mehrfachen Blutsverwandtschaft vgl. Hugo Magazin IV. 7. 16. Friz in Linde's Zeitschr. XV. 2.

§. 39.

b) Vermuthung der Verwandtschaft.

Wer mit einer Frau in gültiger Ehe lebte, gilt vermöge juristischer Vermuthung für den Vater des Kindes, welches von jener nach Ablauf von 181 Tagen seit Eingehung der Ehe und vor Ablauf von 10 Monaten. seit Auflösung der Ehe geboren ist. Gegen diese Vermuthung ist jedoch der Gegenbeweis zulässig, daß das Kind nicht vom Ehemanne erzeugt

§. 12. 13. J. de nupt. 1. 10. Cod. de liberis natural. 5. 27. Nov. 89.

J. de adoption. 4. 11. Dig. 1. 7. Cod. 8. 47 (48). X. de cognatione legali. 4. 12. cf. X. de cognatione spirituali. 4.11. J. de legitima agnatorum tutela. 1. 15. de legit. agnat. succ. 3. 2. Nov. 118. sqq. D. h. t.

C. 35. qu. 5., cap. 9. X. h. t. 4. 14.

. L. 1.

sein könne. Die außereheliche Zeugung begründet dagegen keine eigent liche rechtlich wirksame Verwandtschaft des Erzeugten mit dem Erzeuger, während zwischen der Mutter und dem unehelichen Kinde allerdings wahre Cognation besteht 3.

Anm. 1 L. 12. D. de statu hom. 1. 5. Septimo mense nasci perfectum partum, iam receptum est; . . . et ideo credendum est eum, qui ex iustis nuptiis septimo mense natus est, iustum filium esse. L. 3. §. 11. 12. D. de suis. 38. 16. Post decem menses mortis natus non admittetur ad legitimam hereditatem. De eo autem, qui centesimo octogesimo secundo die natus est, Hippocrates scripsit et Divus Pius pontificibus rescripsit, iusto tempore videri natum. Daher die Regel: Pater . . . . est, quem nuptiae demonstrant. L. 5. D. de in ius voc. 2. 4. Seuffert's Archiv II. 254. Gegen die bisherige Theorie behauptet Stinging in den dogmat. Jahrb. IX. 3. S. 416 fg., jene Regel gelte vom Beginn der Ehe an, so daß für jedes von der Ehefrau nach Eingehung und vor Ablauf von 10 Monaten nach Auflösung der Ehe geborene Kind die Vermuthung streite, daß es vom Ehemann erzeugt sei, jedoch bei dem vor dem 182. Tage nach Eingehung und vor Ablauf von 10 Monaten nach Auflösung der Ehe geborenen, lebensfähigen Kinde Gegenbeweis aus dem Grad der Reife zulässig sei. Diese Behauptung erscheint gegenüber den citirten Stellen nicht haltbar. Windscheid §. 56b. A. 3. Vgl. übrigens noch Wächter (Fitting) im civ. Arch. L. S. 1 fg. Burckhardt d. civilistischen Präsumtionen S. 337 fg. 359 ig. [W. Fuchs die Rechtsvermuthung der ehelichen Vaterschaft nach röm. und neuerem Rechte mit bes. Berücks. des österr. Rechtes. Wien 1880. Drbr. Chorinsky in d. Wiener 3tschr. VII. S. 598 fg.]

2 L. 6. D. de his qui sui vel, al. iur. 1. 6. Filium eum definimus qui ex viro et uxore eius nascitur. Sed si fingamus abfuisse maritum, verbi gratia per decennium, reversum anniculum invenisse in domo sua: placet nobis Juliani sententia, hunc non esse mariti filium. Non tamen ferendum Julianus ait eum, qui cum uxore sua assidue moratus nolit filium agnoscere, quasi non suum. Sed mihi videtur, quod et Scaevola probat, si constet maritum aliquamdiu cum uxore non concubuisse, infirmitate interveniente vel alia causa, vel (Hal. velut) si ea valetudine paterfamilias fuit, ut generare non possit, hunc, qui in domo natus est, licet vicinis scientibus, filium non esse. Cf. L. 29. §. 1. D. de probat. 22. 3. L. 12 (11). §. 9. D. ad leg. Jul. de adult. 48. 5. Puchta §. 41. Seuffert's Arch. I. 161. . 163. V. 175. IX. 124. X. 170. XIX. 9. [Fuchs §. 6.. 8.] Unzulässig ist der Gegenbeweis, der sich blos auf die Reife des Kindes stützt. Wächter a. a. D. S. 6 .. 13. Burckhardt a. a. D. S. 342 fg. Fuchs §. 9. 10.]. Seuffert's Arch. VIII. 229. XIII. 123. XVII. 115. XVIII. 109. Vgl. jedoch XI. 11. XII. 161.

Ueber Anwendung der gleichen Norm auf unehel. Kinder daf. XIII. 123. XV. 98. XVII. 115. Busch S. 25. [Nr. 8.]

3 §. 12. J. de nupt. 1. 10. Quales sunt ii, quos mater vulgo concepit; nam nec hi patrem habere intelliguntur . . . quasi sine patre filii. Vgl. L. 4. in f. D. de in ius voc. 2. 4. L. 4. D. unde cogn. 38. 8. Jedoch: §. 10. J. 1. c. Die in einer ungültigen Ehe geborenen Kinder werden nach canonischem Recht als eheliche angesehen, wofern den vermeintlichen Ehegatten oder auch nur einem derselben die Nichtigkeit der Ehe unbekannt war. C. 2. 8. 10. 14. X. qui filii sint legit. IV. 17.

§. 40.

5) Wohnsis".

Wohnort (domicilium) einer Person ist der Ort, welcher den Mittelpunkt ihres bürgerlichen Lebens und ihrer Geschäfte bildet1. Man kann sich denselben nach seinem Belieben wählen, durch die That verbunden mit der entsprechenden Absicht (domicilium voluntarium), und so wird er auch durch entgegengeseßte That aufgehoben. Manche Personen aber haben ihren Wohnsiß geseßlich an einem bestimmten Orte, ohne Rücksicht auf eigene Wahl, domicilium necessarium. Der Wohnort kommt in Betracht theils bei der Frage nach dem Gerichtsstand einer Person, theils bei der Frage nach dem Rechte welches Ortes deren Rechtsverhältnisse zu beurtheilen seien ?2 Bald mit Rücksicht auf den Wohnort, bald aber auch relativ mit Rücksicht auf andere Umstände [§. 161. 390.] bestimmt sich der Begriff der Anwesenheit und Abwesenheit (praesentia, absentia).

Anm. 1 L. 203. D. de V. S.... eam domum unicuique nostrum debere existimari, ubi quisque sedes et tabulas haberet suarumque rerum constitutionem fecisset. L. 7. Cod. h. t. Cives quidem origo, manumissio, allectio, adoptio, incolas vero.... domicilium facit. Et in eodem loco singulos habere domicilium non ambigitur, ubi quis larem rerumque ac fortunarum suarum summam constituit, unde rursus non sit discessurus, si nihil avocet; unde cum profectus est, peregrinari videtur, quo si rediit, peregrinari iam desiit. Cf. L. 17. §. 13. L. 27. §. 1. D. h. t. Gleichzeitig mehrere Wohnsize: L. 5. 6. §. 2. L. 27. §. 2. D. h. t. Ueber origo und domicilium (municipes und incolae, ius originis und ius incolatus) nach römischem und heutigem Recht vgl. Savigny VIII. S. 39.. 66. 89 bis 95. [Bähr Wohnsitzrecht und Heimathrecht, in den dogm. Jahrb. XXI. 3. 6. 343 fg.]

2 Savigny VIII. S. 57..89 (röm. Rt.), S. 95 fg. (heut. Rt.); vgl. Wächter Württ. Pr.R. II. §. 18.. 20. [Pand. §. 31.] Unger I. §. 22. 23. Bar das internationale Privat- und Strafrecht. 1862. §. 29.. 31, ders. in der krit. Vischr. XV. S. 1 fg. Windscheid §. 34..36. Roth Civ.R. §. 16. [2. Aufl. §. 17. Syst. §. 51.] Bring (2. Aufl.) §. 22. 23. und dazu Arndts in d. Wiener Ztschr. I. S. 492 fg. [Böhlau Mecklenb. Landr. I. S. 415..495. Asser das internat. Privatrecht... bearbeitet aus dem Holländischen v. M. Cohn. 1880. (Drbr. Völderndorff in d. krit. Vjschr. XXIV. S. 184 fg.) Bar in Holzendorffs Encyklopädie 4. Aufl. 1882. S. 673.. 718. Mandry Reichsges. S. 47 (2. Aufl. S. 62) fg.]

b L. 20. 27. §. 2. L. 3. 4. L. 17. §. 11. ibid. L. 23.

• Dig. ad municipalem et de incolis. 50. 1. Cod. de incolis. 10. 40 (39). in f. L. 31. D. h. t. • L. 22. §. 1. L. 38. §. 3. D. h. t.

§. 1. D. h. t. L. 22. §. 3. cf. L. 27. §. 3. ibid.

Arndts, Pandekten. 14. Auflage.

4

II. Von den jurißtischen Personen.

§. 41.

A. Nähere Bestimmung des Begriffs. Urten1.

Alles Recht besteht der Menschen wegen2; Menschen sind die natürlichen Subjecte von Rechten. Die Fähigkeit insbesondere, Vermögensrechte und ein Vermögen zu haben, kommt ihnen zu, weil ihnen dieses ein Mittel ist, ihre individuellen Bedürfnisse und Lebenszwecke zu befriedigen, zu erreichen, und dazu dient mittelbar selbst auch die Möglichkeit, Verbindlichkeiten einzugehen. Nun gilt es aber im Leben vielfach Zwecke zu fördern, die zwar mittelbar auch einzelnen Menschen dienen, die aber doch über die individuellen Bedürfnisse und Lebenszwecke der Einzelnen hinausgehen und zu deren Erreichung es ebenfalls äußerer Mittel (Güter) bedarf. Zu sicherer und dauernder Förderung solcher Zwecke ist es ge= eignet, Vermögen und Vermögensverhältnisse anzuerkennen, die, nicht an einen oder auch mehrere einzelne Menschen als Subjecte derselben geknüpft, zunächst und unmittelbar nur jenem weitergreifenden Zwecke dienen, aber doch ganz analog, wie solche einem einzelnen Menschen beigelegt werden, Vermögensrechte und Verbindlichkeiten in sich begreifen. Indem man aber von Rechten und Verbindlichkeiten spricht, deren Träger doch nicht ein einzelner Mensch ist, hat man schon von selbst und unwillkürlich eine Personification vollzogen, ein Subject nämlich von Vermögensverhältnissen, ein Rechtssubject angenommen, das als solches nur in der juristischen Vorstellung besteht, nur ein intellectuelles, nicht ein natürliches Dasein hat. Solche Rechtssubjecte nennt man juristische Personen. Sie erscheinen in der Rechtstheorie, im Vermögensrecht, als selbständige, rechtsfähige Individuen neben den einzelnen Menschen und unterliegen gleich diesen im Allgemeinen denselben privatrechtlichen Normen, wodurch jedoch nicht ausgeschlossen ist, daß in einer oder andern Beziehung für sie etwas Besonderes gelte, namentlich in Ansehung des Umfangs ihrer Rechtsfähigkeit eine Verschiedenheit stattfinde".

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Als ein Rechtssubject dieser Art stellt sich nun vor Allem der Staat selbst dar, für welchen als Gesammtheit Vermögensverhältnisse angenommen werden, deren Träger weder diese oder jene einzelnen noch alle Staatsmitglieder, jedes zu seinem Theile, sind; anstatt desselben wird aber gewöhnlich, gleichsam im Gegensaße zu dem Staate als politischem Wesen, der Fiscus, d. i. das gesammte Staatsvermögen, als Subject jener Vermögensverhältnisse genannt und somit als juristische Person vorgestellt. Dem Staate zunächst stehen als politische Glieder oder Be

standtheile desselben die Gemeinden, Stadt- und Landgemeinden, oder auch größere, mehrere Gemeinden umfassende Bezirke, Provinzen (Kronländer in Desterreich), insofern sie gesondertes Vermögen haben können. Wie aber die Gemeinden durch Vereinigung vieler zu einer Gesammitheit bestehen, so können auch zu manchfaltigen andern Zwecken Vereinigungen Mehrerer stattfinden und als Gesammtheiten im Gegensaße zu ihren einzelnen Mitgliedern eigene Rechtssubjecte vorstellen. Man nennt dergleichen juristische Personen überhaupt Gemeinheiten (universitates, Corporationen). Aber auch ohne Voraussetzung eines besondern Ver eins mehrerer Menschen kann ein Güterinbegriff einem gewissen Zwecke gewidmet sein, zu dessen Sicherung und Förderung ein eigenes jenem Vermögen unsichtbar inwohnendes Rechtssubject angenommen wird. So ergibt sich eine andere Art juristischer Personen, die man Stiftungen, piae causae, nennt. Indessen sind diese verschiedenen Arten juristischer Personen nicht streng zu scheiden; eine Art kann wohl in die andere übergehen oder auch dieselbe juristische Person nach Verschiedenheit der Auffassung unter die eine oder andere Art gestellt werden 8.

Ein Anlaß zu einer gleichen Personification ergibt sich außerdem noch, wenn ein Vermögen, nicht für bestimmte Zwecke, sondern für eine Person als Ganzes zusammengehalten werden soll, einstweilen aber noch von dieser nicht erworben ist 9.

Anm. 1 Vgl. überhaupt Savigny §. 85.. 102. Bd. II. S. 235..373. und dazu Puchta in d. krit. Jahrb. IV. S. 701 . . 715, im Art. Corporation (Rechtslexikon Bd. III. S. 65. . 79, kl. civ. Schriften Nr. 28), Vorles. §. 25.. 28. Windscheid §. 49. 57.. 62., Salkowski Bemerkungen zur L. v. d. jur. Personen. 1863. Stobbe Privatrt. I. §. 49..62. E. 3itelmann Begriff und Wesen der sg. jur. Personen. 1873; [darüber Harum in d. Wiener Ztschr. I. S. 207 fg.]; mit particularrechtlicher Beziehung Pfeifer d. L. v. d. jur. Personen nach gem. u. württ. Rt. 1847. Unger I. §. 42.. 44. Dernburg §. 49.. 59. Roth Civ.R. §. 32.. 47. [2. Aufl. §. 34..48. System §. 71 .. 73. Bolze d. Begriff d. jur. Person. 1879. (Dibr. Krasnopolski in d. krit. Vischr. XXII. S. 188 fg.) Wächter §. 53..58. Vgl. auch Böhlau Mecklenb. Landr. II. III. §. 149.. 238,]

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2 L. 2. D. de statu hom. 1. 5. hominum causa omne ius constitutum". Vgl. §. 12. J. de iure nat. 1. 2.

3 Dies ist die jest übliche Bezeichnung. Windscheid zieht den Ausdruck „fingirte Person" vor. Früher war ganz gewöhnlich „moralische Person“, auch sagte man wohl „mystische Person." In unserer Zeit aber ist selbst der Begriff der juristischen Person lebhaft angefochten worden. Brinz Pand. (1. Aufl.) S. XI. verglich sie einer Vogelscheuche und sezte S. 172 an deren Stelle den Begriff „Zweckvermögen“. Ihm folgten Mehrere, namentlich Demelius in der Schrift „die Rechtsfiktion“ (1858) S. 84 fg., der auch zuerst versuchte, die Lehre von den sog. jur. Personen nach dieser Auffassung im Einzelnen auszuführen (in den dogmat. Jahrb. IV. 2). Dann erschien die Theorie

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