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holfen würde, wäre es von neuem gegen alle Sprachregeln. Doch schon längst hat der gelehrte Torrentius und nachher andere das nullo labore zu si retinere velis ziehen wollen, ohne den Einschnitt zu beachten, der sich nach Quos tibi dat, wenigstens beim ersten Anblick, aufdringen will. Dagegen schreien nun viele, als ob eine solche Wortstellung ohne Beispiel wäre. Mit solchen aber ist ziemlich schnell fertig zu werden. Sogar Ovidius, einige Tage hindurch fleifsig gelesen, wird ihnen manche gute Beispiele ähnlicher Verschränkungen darbieten. Indefs, da wir eben bei Horatius sind, mag schon Sat. I, 5, 72 und II, 1, 60 genügen. Dort, Pene macros arsit turdos dum versat in igni, anstatt Pene arsit, dum macros turdos versat; hier, Quisquis erit vitae, scribam, color, nicht einmal Quisquis erit, scribam, vitae color, statt Quisquis v. c. erit, scribam. Noch weniger befremdend sind dergleichen Hyperbata für jemand, der Ähnliches in der gewöhnlichen Attischen Prosa bemerkt hat, wo es so häufig ist. Aber Bentley erregt gegen diese Wortfolge, die der Gedanke einzig fodert, einen wichtigeren Zweifel. Wenn, fragt er, zusammengehören soll si nullum laborem impendere velis, operam perdas; wie lässt sich doch eine Mühe verlieren, die man niemals anwandte? Dies ist scheinbar genug. Doch eben nur scheinbar. Erstens, sophistisirt B. ein wenig, was dem so scharfsinnigen Denker oft begegnet: dann giebt er uns Spitzsinn für reinen Wahrheitssinn. Wo hätte denn H. gerade so gesagt, nullum laborem impender Darauf aber kommt in solchen Wendungen alles an. Zweite, irrt der grofse Mann gänzlich, wenn er das operam perdere so wörtlich und eigentlich nimmt. Es ist dies eine Art zu reden, die zuweilen so gemeint ist, als wenn wir sagen, Darum gieb dir keine Mühe, statt Erwarte das nicht, Mache dir keine Hoffnung dazu; ja, fast sprichwörtlich, wie wenn Lateinisch Mühe und Öl, opera et oleum, verloren wird, wo noch weniger jemand an die Ölflasche denken wird. Dies alles könnte umständlich und mit Stellen der Alten bewiesen werden, wenn es der Mühe lohnte: doch gesagt mufste etwas zur Rechtfertigung der Übersetzung werden, wo zwar die Worte Ganz ohn' eignes Bemühn völlig eben so auf dem Scheidewege stehen, jedoch ohne dem Leser so viel Arbeit zu machen als das nullo labore.

V. 90. das grauliche Lastthier] Im Lateinischen ist es gleichsam ein beständiger Sprachgebrauch, das verspottete Thier, auch bei gleichgültiger Erwähnung, mit der deminutiven Endung zu bezeichnen, asellus. Im Deutschen mag es sich mit dem Beiwort graulich behelfen, wie manche unserer Dichter, um es vor guter Gesellschaft aufzuführen, Grauschimmel gesagt haben. Den Esel im Blachfeld sagten die Griechen von etwas Ungeschicktem, orov siç nɛdiov; daher eben keine Ursache ist mit Baxter an das Marsfeld zu denken.

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V. 92. Setze denn endlich] Fast mit Lucilischen Worten, aus einem Fragmente, wo dieser für. Weisheit erklärt quaerendae rei finem scire modumZunächst kann man der Lesart quoque habeas plus, die auch von Markland zum Lysias vorgezogen wird, der gröfseren Deutlichkeit wegen nicht abgeneigt sein. Indefs vereinigen sich die Hschrr. vielmehr in dem schwereren cumque, auch sechs seit kurzem bekannt gewordene Englische der Combe'schen Ausg. (Lond. 1793. 4.) und drei unserer Wiener, worunter zwei dumque haben.

V. 95. Ummidius] Ob dies Geschichtchen alt oder neu, und wer der Filz war, den H. hier beiläufig in die Unsterblichkeit spielte, erfahren wir nicht einmal aus unse ren Scholiasten. An seiner näheren Bekanntschaft wird auch niemand viel gelegen sein. Desto mehr an einer vernünftigen Construction dieses und der nächsten Verse, die bei der gemeinen Lesar Ummidius quidam über die Mafsen hinkt, wie zuerst Bentley scharfsinnig merkte. Dazu gehörte aber wahrlich kein Bentley, zu entdecken, wie der Faden nach vestiret reifst und die Structur, man möchte sagen, abklafft, auf eine Art, die kaum die lockerste Prosa vertrüge. Wollte man dennoch glauben, der Ton der Sermonen litte so eine arena sine calce, wie Ne facias quod Ummidius ita dives quidam ita sordidus metuebat, so würde man für einen, der sich nicht mit jeder nothdürftig zusammengerüttelten Redefolge begnügt, einen schweren Beweis zu führen haben. Möchte also immerhin in Kauz, der mit einer so berüchtigenden Geschichte endete, ein Quidam heifsen dürfen, so wird doch das Relativum zu metuebat durchaus unentbehrlich; man müfste denn ein hic hinter usque einschieben wollen. Gegen B'. glückliche und, wie uns dünkt, wahre Verbesserung, Qui tam, sträuben sich indessen viele, und wirklich mufs jeder, dem moderne Fügungen geläufiger als alte sind, Anstofs nehmen an der Unterbrechung, die nunmehr durch das Non longa est fabula zwischen qui tam und dives entsteht. Gleichwol hätte B. für diese Folge gewifs eine gröfsere Zahl guter Beispiele anführen können, wenn wollt hätte. Allein hier trifft, was er von seiner Art zu arbeiten in der Vorrede sagt: Non raro data opera brevior fui; partim taedio, ut fieri solet, furtim obrepente, partim consulto viribus parcens et quae in promptu erant opes dissimulans, ut ne ubique iudiciis hominum diffidere viderer, utque stolidi et ad depugnandum parati se inopinantes in laqueos indu erent, risum io cumque nasutioribus daturi. Der Übersetzer, der die Emendation vollständig überzutragen suchte, bekennt, dafs er eben so wenig vom Stuhle aufstehen mag, um mehre Beispiele nachzuweisen. Quamquam in hoc genere multos novimus tam fatuos, ut, nisi plurimis et similliprope dixerim

er ge

mis

mis exemplis refutentur, vulgatas sordes in perpetuum praeferre malint.

V. 100. als Heldin Tyndarisches Stammes] Vielleicht eine unlängst von Ummidius freigelassene Sklavin, die noch in seinem Hause wohnte (Sat. II, 5, 71), und sich gelegentlich für allen erlittenen Hunger und Ärger, gleich einer zweiten Klytämnestra, rächte. Die Vergleichung mit der alten Heroine, die den Römern nicht ungewöhnlich war (Quintil. VIII, 6, 53), spricht sich hier am Ende des Verses in Griechischer Pracht aus, durch ein nur selten, wie I, 10, 22, vorkommendes fünfsylbiges Wort, Tyndaridarum. Diese Form aber hat bis jetzt viel grammatische Unruhe erregt, und noch nach Bentley's gelehrter Beruhigung hat Cuningham gegen Quintilian's Text (IX, 4) auf Tyndariarum gerathen; ein Zeichen, dafs die Lesart doch noch Stützung bedarf. Ganz unbedenklich ist freilich der Gebrauch solcher Patronymica da, wo neben weiblichen Namen auch männliche genannt werden, wie etwan in Tyndaridae, Castor, Helena, Pollux, oder bei den ähnlichen Fallen im Livius und in den Pandekten, Ptolemaeus et Cleopatra, reges Aegypti; Tres fratres, Titius et Maevius et Seia. Denn wem könnte einfallen, dort Tyndarides, reginae, sorores zu schreiben? Indefs der mit Beispielen oft über Gebühr verschwenderische Kritiker verschweigt uns doch ein ähnliches der Fügung, fortissimA TyndaridARUM, und vermuthlich werden andere weiterhin dics Stillschweigen treulich nachahmen. Wo gäbe es auch etwas Aliches wie Cleopatra pulcherrimA REGUM Aegypti? oder gar AegyptiORUM! Man sieht, dafs die Rechtfertigung des mannlichen Patronymicons etwas vor dem Ziele stehen bleibt. Vielleicht kommen wir dem Ziele näher, wenn wir annehmen, H. habe durch die kühne, der Sprache nicht geläufige Verbindung des Namens mit fortissimA desto feierlicher die virago, das Weib mit dem Mannsinne, mahlen wollen. Und hiernach trachtete die Übersetzung, um einigermassen das ARUM zum Klange zu bringen, durch ihr Tyndarisches Stammes, oder, was eine Zeitlang als ausdrucksvoller mehr gefiel, Tyndarisches Mannsstamms. Denn die halbbarbarische Form Tyndarus für Tyndareus mufste vermieden werden, da sie den Römern und Griechen um nichts bekannter ist, als Androgus für Androg eus u. dergl. Es unterschieden sich sogar Namen bloss durch diesen - eingeschobenen Vocal, wie Pandaros und Pandareos.

V. 101. gar] Das igitur enthält zuweilen einige Heftigkeit des Unwillens. Wie wenn der Römer dialogirt: Non dico id quidem. Quid dicis igitur? Was sagst du denn?

Die folgenden beiden Namen gehören allgemein bekannten Schwelgern und Geld

D

verprassern. Der zweite steht überall als Repräsentant seiner Classe; Mänius noch Sat. I, 3, 21. u. Br. I, 15, 26. Den letzteren nemlich giebt unser Text mit Bentley und wenigen anderen statt Naevius, der als Knauser berüchtigt war: Sat. II, 2, 68. Was diejenigen meinen, die hier den in der Satire gezüchtigten Geizhals zwischen einen Geizhals und einen Schlemmer stellen wollen, oder aut wie an erklären, ist nicht allzu wohl zu begreifen. Der Mensch, der so lange auf sich lossprechen liefs, fragt dann, als ob er bisher kein Wort vernommen hatte: Nun, räthst du mir, wie ein Geizhals zu leben, oder wie ein Schlemmer?

V. 103. zusammen zu paaren] Dieser Vers hat ein paarmal schwächliche Rhythmen, die eines der wenigen, im Deutschen erlaubten Mittel sind, den sermo pedester nachzubilden, da andere Mittel, die der Römische Dichter sich geflissentlich erlaubt, unserer Sprache weniger zu Gebot stehen. Wer solche Verse auf den handwerksmäfsigen Ambofs legen und umhämmern will, mufs sich vorsahan, dafe ex nicht von anderer Seite dem Leser schlimmere Unlust errege.

V. 104. Forthin geizig zu sein] Hier noch ein Wort über eine Kleinigkeit der Interpunction. Wie kann, nach der bisherigen, der Dichter sagen: Cum veto te fieri avarum? Man sollte denken, bei Dem könnte nicht erst von fieri die Rede sein. Nemlich nach Lateinischer und Griechischer Redeweise wird so ein Satz mit dem nächsten nachlässig zusammengezogen, und dem Leser-gemuthet, zu dem einen sich das Schickliche selbst zu nehmen. Das Wahre ist: es las der Römer, dem uberhaupt Interpunction der Art wenig Kummer machte, eine solche Construction ohne Aufenthalt fort. Vgl. zu V. 88.

V. 105. Zwischen Visellius' Schwäher] Dieser, erzählt man, hatte einen ansehnlichen Hodenbruch, immanem herniam; Tanais aber war ein Verschnittener. Mit so komischer Anschaulichkeit drückt H. aus, was der peripatetische Weise (Ethic. ad Nic. II, 5 ff.) von der moralischen Hyperbole und Ellipsis lehrt. Ein wenig unverståndlich war das natürlich für viele, schon in H'. Zeitalter, zumal wer es in Utica oder in Ilerda las. Die mochten sich denn von ihren Bekannten zu Rom den Commentar dazu geben lassen, grade so, wie heutige Leser eine Note erwarten.

V. 108. Wie nie doch ein Geizhals] Mit dieser Rückkehr zu dem Gedanken des Einganges erhalt erst das Ganze der Satire seine Abrundung. Man vernichtet den Zweck, den der Dichter durch die genaue Wiederholung der obigen Worte deutlich verräth, und vergifst zugleich seine Grammatik, wenn man mit den meisten Auslegern erklärt: Wie doch niemand, gleich dem Geizigen oder meint, dafs Nemone in dieser Wendung so ohne ut stehen könne. Doch wer kennt nicht die Structur, Istine misello

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puero ut reponam? Selbst utne ist auf diese Weise üblich. S. Sat. II, 5, 18. H. leitet eben die Unzufriedenheit mit der eigenen Lebensart aus eingewurzelter Habsucht her, die immer von der Begierde belebt wird, den reichlichsten Gewinn so wohlfeil als möglich einzukaufen. Im folg. V. lese man nicht at potius, sondern ac,

was vier der obigen Mss. bestätigen.

V. 110. träget] Dergleichen gedehnte Endungen, die in Prosa meistens misfallen und in Versen unerfreulich werden, darf doch niemand der Sprache überhaupt verbieten wollen. Sie waren ehmals viel häufiger, und müssen es sofort in gewissen Versarten bleiben, deren wir ohne sie uns vollends berauben würden. Die Abwechselung aber von solchen Formen und den verkürzten findet auch in den Alten seit Homer durch eine Menge von Beispielen ihre Entschuldigung. Das Euter ist ein aus dem Landleben häufig entlehntes Bild, wo von misgönnten Vortheilen des Nebenmenschen geredet wird. Doch statt volleres Euter lese man lieber mit dem Artikel, voller das Euter.

V. 116. jenes Besiegten, das] Die Übersetzung hält sich auch hier getreulich an den Text, wo alles zu hoher Treue einladet. Diejenigen irren, die in praeteritum aus einem Pferde einen Menschen machen. So leicht nimint man aus den equis den auriga nicht heraus, Nur ein Anfänger im Lateinischen könnte fragen, warum H. nicht nach dem equis suos vincentibus so funr, Praeteritos t. extremos inter euntes. Selten erlaubie sich selbst die tägliche Prosa etwas so Widerwärtiges.

V. 119. der Lebenden] Sonst las man vitae zu tempore. Allein cedat sucht etwas, tempore nichts. Wakefield z Lucret. III, 951 wünscht wieder vitae, aber zu satur, weil Lucr. sage, ut plenus vitae conviva recedis. Als ob nicht mancherlei sich sagen liefse. Hätte H. wie Wakefield schreiben wollen, so hätte er für seine Leser zugleich dessen Note beifügen müssen. Denn stand Einmal vitae, so hätte es jeder zu tempore gezogen, oder sich später in den April geschickt gefunden, wie man jetzt täglich von gewissen Lateinschreibern geschickt wird, qui, ut nuper Heidelbergensis puer in exercitio Aeschyleo, caligiNES DIFfundunt antiquis poetis.

V. 120. Jetzt zur Genüge] Jam satis est, statt Sed satis est, ein Ausdruck von ähnlicher Farbe wie jener unserige. Er wurde gewöhnlich auch bei den Römern von dem übersatten Esser gebraucht.

Damit dir nicht dünke] Vielleicht erinnert sich mancher, irgendwo die Bemerkung gelesen zu haben, das Gedicht würde ohne die beiden letzten Verse einen schöneren Schlufs gewinnen. Schwerlich hätte, meinen wir, der angeredete Mäcenas und die feinen Weltleute eingestimmt, für deren Cirkel H. zunächst fchrieb. Diese Verse schei

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