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Es sollte mir leid thun, wenn mehrere Leser über eine Täuschung dieser Art zu klagen sich bewogen fühlten; ich könnte ihnen aber in Wahrheit die Versicherung geben, daß ich an derselben ganz und gar nicht Schuld sen, und daß sie es nur mit meiner Verheißung recht ehrlich und genau zu nehmen gebraucht hätten, um sich das unangenehme Gefühl derselben zu ersparen. Das Christliche im Plato und in seiner Philosophie habe ich beleuchten und herausseßen wollen, nicht das Verhältniß und die Verwandtschaft seiner Theologie zu der des Christenthums! Das Christliche der platonischen Philosophie als solches ist nichts weniger als identisch mit dem thriftlichen Geist seiner speculativen Gotteslehre; seine Theologie verhält sich zu seiner Christlichkeit nur wie das Besondre zum Allgemeinen; sie ist nur eine von den mancherlei Erscheinungsformen, an denen und in denen sich das Christliche, das in ihm lag, zu erkennen giebt. Da ich dargethan zu haben glaube, daß das Wesentliche des Christenthums nicht in seiner Heilslehre, sondern in seiner Heilands wirksamkeit enthalten sey, so konnte ich doch begreiflicherweise das Christliche bei Plato nicht in seiner Lehre von Gottes Wesen, sondern nur in seinem gläubigen Bewußtseyn dessen suchen, was die göttliche Kraft und Güte Heilsames in der Welt bezweckt und wirkt.

Weit entfernt also den Tadel derjenigen, die etwa aus dem berührten Grunde mit dem Lösungsversuch meiner Aufgabe unzufrieden seyn sollten, für einen gegründeten anzuerkennen, glaube ich vielmehr im Gegentheil auf eine Art von Lob dafür Anspruch machen zu dürfen, daß ich in den naheliegenden Fehler einer theologisch speculativen Behandlungsweise meines Gegenstan=

des nicht gefallen bin, und das Christliche nicht da, wo es auch gar nicht angetroffen werden kann, in einem einzelnen Zweige, sondern vielmehr im ganzen Stamm und in der Wurzel zu erfassen gesucht habe.

Ich mußte eine Abhandlung und nicht eine Vorrede schreiben, wenn ich mich auf eine weitre Auscinandersehung des hier Angedeuteten einlassen wollte. Eine gründliche öffentliche Besprechung und Verständigung darüber wåre übrigens wohl höchst wünschenswerth und an der Zeit. Denn die alte, und aus begreiflichen Ursachen uns Allen mehr oder minder anhängende Gewohnheit, wenn vom Christlichen oder vom Christenthum die Rede ist, sogleich oder gar ausschließlich an etwas Doctrinelles zu denken, ist noch immer eine reichlich strömende Quelle schwer zu beseitigender Streitigkeiten und Irrthümer.

Gerade das Schlichte der beiden Hauptbegriffe im 5ten und 6ten Capitel, das Manchem vielleicht anstößig seyn wird, der bei dem Namen Plato nichts als Gott weiß was für hohe und schwer zu verstehende theologische Dinge im Sinn hat, kann, wie mir dünkt, für ein nicht ganz unbedeutendes Kennzeichen gelten, daß ich, dem Christlichen in ihm nachforschend, den rechten Weg dazu eingeschlagen habe. Denn das Christliche in seiner unmittelbaren Wirklichkeit, um welche es mir bei dieser Untersuchung hauptsächlich zu thun gewesen ist, tritt, wie das Evangelium, stets schlicht und äußerlich gering scheinend auf. Das speculativ Hohe, das es in sich trågt, entfaltet sich erst recht nach seiner Verpflanzung in das rein speculative Gebiet der philosophischen Theologie. Vielleicht, wenn Gott Zeit und Kräfte giebt, versuche ich spåter, eine Parallele zwischen Pla=

tonismus und Christenthum auch in dieser Hinsicht zu zichen.

Möge übrigens der, dem im Grunde alle Kräfte, auch die es nicht wissen und wollen, dienen, die gegenwärtige Schrift als einen geringen Beitrag zur Förderung seines Reiches wirken lassen, und zu dem Ende bei ihrem Ausgang in die gåhrungsvolle Welt mit sei= nem Geist und Segen sie begleiten!

Jena im Februar 1835.

Inhaltsverzeichniß.

I.

Erste, oder empirische Auffassung des Gegenstandes.

Erstes Capitel.

Wie es von jeher anerkannt worden ist, daß etwas Christliches im Plato vorhanden sey. . . S.

Hohes Ansehn des Plato bei den Kirchenvätern; in der griechischen, in der lateinischen Kirche. —, Entgegengesehte Urtheile der Kirchenväter über Philosophie überhaupt. Ber= ehrer des Plato im Mittelalter, und in der neueren Zeit.

Zweites Capitel.

Der nächste Grund jener Anerkennung; christlich, klingende Stellen und Lehren in Plato's

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Ueber die Rechtheit der plat. Werke. Kleinere Parallelstellen aus Plato zu neutestamentlichen Stellen., Aehnlichkeiten zwischen platon. und mosaischen Berordnungen. Einige größere, einen christlichen Geist athmende Stellen aus Plato. Vergleichung wichtiger Lehren der platonischen Theologie

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und Ethik mit verwandten christlichen Lehrsäßen.

Wehn

lichkeit zwischen Platonismus und Christenthum in einigen for mellen Punkten. Geringes Gewicht aller dieser Einzelheiten in streng wissenschaftlicher Hinsicht.

1. ff.

S. 21. ff.

1

**

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II.

Genetisch entwickelnde Darstellung.

Erstes Capitel.

Wegräumung falscher Ansichten und Urtheile über Plate; Verhältniß Plato's zu den Neuplatonikern und zu Aristoteles.

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Plato,
Ber=

S. 76. ff. Falsche, von den Verehrern wie von den Verächtern Plato's über ihn verbreitete Vorstellungen; angebliche Begünstigung schwärmerischer Gefühle durch ihn; Plato's Geringschäßung der Gefühle nachgewiesen; über die sogenannte plat. Liebe. Plato ein enthusiastischer Idealist gewesen sey. des Synkretismus beschuldigt; als Phantast verschrien. schiedenartigkeit des Neuplatonismus vom Platonismus. Geringe Meinung des Aristoteles von der platon. Philosophie; Kämpfe zwischen Platonikern und Aristotelikern; Grund des Mißverständnisses zwischen Plato und Aristoteles in der innern und nothwendigen Verschiedenartigkeit ihrer Geistesrichtungen.

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Der erste Eindruck von Plato's Werken ist selten ein befriedigen-
der; warum? Wie und wodurch die Verstimmung im Le-
ser der plat. Schriften allmählig wieder gehoben wird.
Feuer des platon. Geistes; vollendete Darstellung; Ironie';
organische Einheit seiner Werke; harmonische Seelen- und Gei-
stesverfassung ihres Urhebers; seine Stärke im strengen Denken.

Drittes Capitel.

Die alte griechische Philosophie in ihren Haupt-
formen, und in ihrer Stellung zum Leben.
Entwickelungsgeschichte der Philosophie überhaupt; die günstigsten
Bedingungen dazu in Griechenland vorhanden. — Der Jo-

S. 123. ff.

S. 152. f

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