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auslautenden Länge mit folgender Kürze. Ausser bei schliefsendem langen o, dessen allmähliche Verkürzung im Auslaut schon in dieser Zeit beginnt, hat er nur einigemal (6) i, am härtesten tantuli eget I 1, 59, und in zwei Fällen schliefsendes ā (divina mota anus urna I 9, 30, contra alius I 2, 30), beides nur in den Satiren auf diese Weise verschliffen. Von einsilbigen Worten finden sich nur indeklinable Partikeln (dum, si), die Pronominalformen tu, te, me, mi, ferner sum vor ego (II 1, 74; 7, 80) und in einer festen Phrase der Konversationssprache rem (quam rem agis II 6, 29) auf diese Weise verkürzt. Ebenso ist die Verschleifung des iambischen Wortes mit nachfolgender kurzer den Ton tragender Silbe vermieden: lieber hat in solchem Falle unter Verkürzung der Länge H. den Hiatus zugelassen, obgleich dieser für ihn einen an griechische Verstechnik erinnernden Anklang hatte: sterilisve palus diu aptaque remis AP. 65. Sonst hat in den Hiatus in den Sermonen nur da sich gestattet, wo ihn auch die Praxis der Dramatiker zuliefs: also abgesehen von Interjektionen (o ere II 3, 265; epp. I 19, 19. AP. 301) in solchen Fällen, wo Monosyllaba durch Proklisis unter gleichzeitiger Verkürzung mit dem folgenden Worte verschmolzen sind: si me amas I 9, 38, cocto num adest II 2, 28.

Verschleifung innerhalb eines Wortes, Synizese, ist meist in der Schlufssilbe des Hexameters zugelassen: cerea I 8, 43, ostrea II 2, 21; Kontraktion in Lyncei I 2, 90, quoad II 3, 91, prout II 6, 67, Voltei epp. I 7, 91: desgleichen in deicere de saxo I 6, 39, während sie in proicere aurum II 3, 100, proicit ampullas AP. 97 unterlassen ist. Desgleichen findet zwischen reprehendere und kontrahiertem reprendere ein beständiges Schwanken statt, sowie dehinc ep. 16, 65 und sat. I 5, 97 einsilbig gebraucht ist, dagegen sat. I 3, 104 und AP. 144 zweisilbig.

Die regelmässige Cäsur des Sermonenverses ist, wie überhaupt in der römischen Poesie seit Ennius, die männliche Cäsur nach der dritten Arsis, die Penthemimeres. Für die Fälle in denen dieselbe nicht unmittelbar in das Gehör fällt, ist folgendes zu beachten :

Dafs die Cäsur in eine Verschleifung fallen kann, ist schon oben bemerkt: dabei ist freilich in der Regel noch die Vorsicht beobachtet, dafs die zweite verschliffene Silbe durch ein einsilbiges Wort (in den Briefen meist et) gebildet wird :

non alius quisquam |, at tibi amicus I 3, 33

at dixi fluere | hunc lutulentum, saepe ferentem I 10, 50

oder doch die Anfangssilbe eines Kompositums ist:

an vigilare metu | exanimem noctisque diesque I 1, 76
iura inventa metu | iniusti fateare necessest I 3, 111
an tu reris eum | occisa insanisse parente II 3, 134

et mores hominum inspexit latumque per aequor epp. I 2, 20
inter quae verbum | emicuit si forte decorum epp. II 1, 73
cur ego si nequeo | ignoroque poeta salutor? AP. 87

et tulit eloquium | insolitum facundia praeceps AP. 217 wo beides nicht zutrifft wird sich meist über die Ansetzung der Cäsur streiten lassen: z. B. in cum lucro noram: unde frequentia Mercuriale sat. II 3, 25 oder non satis est pulcra esse poemata, dulcia sunto AP. 99 wird trochäischer Einschnitt der männlichen Penthemimeres vorzuziehen, in anderen Fällen Dreiteilung des Verses durch Cäsuren nach der 2. und 4. Arsis anzunehmen sein. Nachlässig gebaut ist blofs est in matrona | ancilla peccessne togata sat. I 2, 63. Denn in

iurando obstringam | ambo: uter aedilis fueritve

vestrum praetor is intestabilis et sacer esto II 3, 180

soll die Wucht des eidlichen Gelöbnisses durch die Härte des Klanges gesteigert werden: vielleicht auch in

destinet uxorem |, interdicto huic omne adimat ius sat. II 3, 217.

Dafs die Kommissur der Komposita als Wortende empfunden werden konnte, zeigen aufser der eben besprochenen Erscheinung diejenigen Fälle, in denen die Cäsur an dieser Stelle angesetzt werden mufs, will man nicht H. den Bau ganz cäsurloser Verse zutrauen, wie in dem eben angeführten vestrum praetor is in testabilis et sacer esto. Meist tritt in solchem Falle neben der Hauptcäsur in der dritten noch eine Nebencäsur in der vierten Arsis ein:

quod venale habet ostendit, nec si quid honestist sat. I 2, 84 denique quatenus excidi | penitus vitium irae sat. I 3, 76 Fuscus Aristius occurrit | mihi carus, et illum sat. I 9, 61. aber dafs H. diese Freiheit, welche er sich aus Versnot in den lyrischen Massen öfters gestattet hat, nur als einen Notbehelf angesehen wissen wollte lehrt der Vers

non quivis videt in modulata poemata iudex AP. 263

in welchem eben ein gebildetes Ohr die Schwäche der Cäsur unangenehm empfinden sollte.

Anders ist zu beurteilen, wenn das in dem dritten Fufs schliefsende Wort durch ein enklitisches kopulatives -que scheinbar bis zur nächsten Thesis übergreift, also dem Auge des Lesers einen trochäischen Einschnitt darzustellen scheint: dafs in solchen Fällen das Ohr vielmehr den Wortschlufs vor que empfand, oder wenigstens empfinden konnte, gilt nicht blofs erst für die Dichter der Kaiserzeit von Manilius ab für die es W. Meyer zur Geschichte des grie

chischen und lateinischen Hexameters' München 1884 erwiesen hat: auch H.s Ohr mufs vor dem Enklitikon eine kleine Pause haben wahrnehmen können, wenn er Verse baute wie dignum mente domoque legentis honesta Neronis epp. I 9, 4, in welchem die trochaischen Wortschlüsse das Gegengewicht eines männlichen Einschnittes gebieterisch heischen. Der Vers accessit numerisque modisque licentia maior AP. 211 gestattet daher, vielleicht absichtlich, die Möglichkeit jede der drei überhaupt möglichen Cäsuren, männliche, weibliche und Dreiteilung des Verses, anzunehmen.

Nächst der Penthemimeres erscheint als zweite regelmässige Cäsur der männliche Einschnitt nach der vierten Hebung, die Hephthemimeres *), meist verbunden mit einer Nebencäsur nach der zweiten Hebung, wodurch der Hexameter in die drei symmetrischen Kommata

zerfällt wird. In der Regel wird das zweite dieser Kommata durch weiblichen Einschnitt nach dem dritten Trochäus gegliedert:

iam faciam quod voltis: | eris || tu, qui modo miles I 1, 16 doctores | elementa | velint || ut discere prima I 1, 26.

Fehlt die Nebencäsur in der zweiten Arsis, so pflegt das cäsurbildende Wort die dritte und vierte Hebung zusammen zu umfassen, ist also mindestens ein wuchtiger Molossus:

hic tibi comis et urbanus 14, 90
ire modo ocius, interdum I 9, 9
ille repotia natalis II 2, 60
pauper Opimius argenti II 3, 142
altercante libidinibus II 7, 57.85

und ebenso in den Briefen z. B.

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si curatus inaequali I 1, 94
gratia fama valetudo I 4, 10
ut matrona meretrici I 18, 3
officiosaque sedulitas 17,8

scripta vel optima, Romani Il 1, 29. 129
libertasque recurrentes II 1, 147. 204

fit Mimnermus et optivo II 2, 101. 122
ut ridentibus arrident AP. 101. 442.

Möglich daher, dafs in den oben berührten Fällen est in matrona ancilla sat. I 2, 63 und an vigilare metu exanimem sat. I

*) Die_scharfsinnigen Erörterungen W. Meyers a. a. O. haben mich in diesem Punkte wenigstens noch nicht von der Unrichtigkeit der herrschenden, durch L. Müller begründeten Auffassung zu überzeugen vermocht.

1, 76 nebst den gleichartigen, statt der Penthemimeres vielmehr die Cäsur nach der vierten Arsis anzunehmen ist. Umgekehrt mag in manchen Fällen, wo diese Regel verletzt ist und der Einschnitt in der vierten Arsis durch ein iambisches Wort oder zwei Monosyllaba gebildet ist, vielmehr trochäische Cäsur anzunehmen sein:

postulat ut videatur. at est I 3, 51
nominaque invenere: dehinc I 3, 104
et Messalla videris? at hic I 6, 42
et praecedere coepit: ego ut I 9, 42
ridens dissimulare: meum I 9, 66
sed convivatoris, uti ducis Il 8, 73
quodque aliena capella gerat I1, 110
ut pictura poesis: erit AP. 361.

Dafür könnte wenigstens die in den meisten dieser Beispiele den trochäischen Einschnitt verstärkende Sinnespause zu sprechen scheinen. Sehr hart ist

possis. adde virilia quod | speciosius arma epp. I 18, 52 und
nec facundia deseret hunc, || nec lucidus ordo AP. 41.

Die der griechischen Poesie so geläufige weibliche Cäsur nach dem dritten Trochäus hat H. im Sermonenverse nicht so gemieden wie die späteren römischen Dichter, und wie er selbst es in den Hexametern der Epoden und Oden gethan. Aber er hat sie mit ausnehmender Vorsicht und ganz besonderer Kunst behandelt, wenn er sie als selbständig den Vers teilende Cäsur zuliefs. Er hat dies gethan, nicht lediglich um Abwechselung in die Modulation seiner Hexameter zu bringen, sondern einmal ganz vorwiegend in tonmalerischer Absicht. Sie dient ihm dazu im Gegensatz zu den scharf den Rhythmus zerschneidenden und wie mit Hammerschlägen in das Ohr dringenden männlichen Einschnitten den dahinströmenden Flufs der Daktylen hörbar zu machen und malt so die ungehemmt dahingleitende Bewegung des Flusses:

labitur et labetur in omne volubilis aevum epp. I 2, 43

oder strömender Thränen:

filius inmaturus obisset flere. quis esset sat. II 8, 59 lodernder Flamme:

largior arserit ignis, et ut non testis inultus sat. I 8, 44 schmelzenden Weihrauchs:

dum flamma sine tura liquescere limine sacro sat. I 5, 99 herabstürzender Vorhänge:

ruinam

in patinam fecere trahentia pulveris atri sat. II 8, 55

im Winde flatternder Locken:

intonsosque agitaret Apollinis aura capillos epod. 15, 9 kindlichen Spieles :

sub nutrice puella velut si luderet infans epp. II 1, 99 gravitätischen Prozessionschrittes :

lunonis sacra ferret: habebat saepe ducentos sat. I 3, 11 geschwätziger Rede:

scribetur tibi forma loquaciter et situs agri epp. I 16, 4
aestivam sermone benigno tendere noctem epp. I 5, 11
excusare laborem et mercennaria vincla epp. 1 7, 67

des unermüdlichen Sängers:

ab ovo

usque ad mala citaret ‘io Bacchae' modo summa sat. 13, 7 oder Recitators:

cum loca iam recitata revolvimus inrevocati epp. II 1, 223 oder Korrektors:

multa dies et multa litura coercuit atque AP. 293

unablässiger Arbeit:

dives et inportunus ad umbram lucis ab ortu epp. II 2, 185 multa mole docendus aprico parcere pralo epp. I 14, 30 und Vielgeschäftigkeit:

strenua nos exercet inertia, navibus atque epp. I 11, 28 oder behaglichen Sichgeheulassens:

condita post frumenta levantes tempore festo epp. II 1, 140 et post Punica bella quietus quaerere coepit epp. II 1, 162. Daher findet sie sich häufig in Aufzählungen und Polysyndetis: custodes, lectica, ciniflones, parasitae sat. I 2, 98

Eupolis alque Cratinus Aristophanesque poetae sat. I 4, 1 hunc neque dira venena nec hosticus auferet ensis sat. I 9, 31 invidus, iracundus, iners, vinosus, amator epp. I 1, 38

pingimus atque

psallimus et luctamur Achivis doclius unctis epp. II 1, 33

mane domo vigilare, clienti promere iura,

maiores audire, minori dicere per quae epp. II 1, 104. 106

quid Sophocles et Thespis et Aeschylus utile ferrent epp. II 1, 163 inpiger, iracundus, inexorabilis, acer AP. 121

aut fanaticus error et iracunda Diana AP. 454

aut simul et iucunda et idonea dicere vitae AP. 334

sowie in sich streng respondirenden und sich ergänzenden Satzhälften, deren Zusammengehörigkeit nicht durch männlichen Einschnitt zerrissen werden soll, wie z. B.:

inter spem curamque, timores inter et iras epp. I 4, 12
oblitusque meorum obliviscendus et illis epp. I 11, 9
extremi primorum, extremis usque priores epp. II 2, 204
ludentem lasciva, severum seria dictu AP. 107

non fumum ex fulgore, sed ex fumo dare lucem AP. 143.

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