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zu vermeiden, wird oft das Pronomen ipse statt. des Reflexivi ge-
braucht. Jugurtha legatos ad consulem mittit, qui ipsi liberisque
vitam peterent, Sall. Jug. 46, weil, wenn sibi stånde, es auch
auf die legatos gehen könnte. Caesar milites suos incusavit, cur
de sua (militum) virtute, aut de ipsius (Caesaris) diligentia despe-
rarent, Caes. Gall. 1, 40... Oft wird der Deutlichkeit wegen
(besonders beim Cåsar) auch eine freiere Wendung im Gedanken
genommen, so daß der Schriftsteller vom Standpunkt, den er eben
einnahm, plöhlich abspringt: Helvetii Allobrogibus sese (Helv.) vel
persuasuros existimabant, vel vi coacturos, ut per suos (All)
fines eos (Helv.) ire paterentur, Caes. Gall. 1, 6: gleichsam als
ob der Saß mit ut nicht von coacturos abhängig wäre, sondern
selbstständig, als Zusaß des Schriftstellers dastände. - Daselbst
1, 11 laffen die Aeduer dem Cåsar sagen: ita se (Aeduos) omni
tempore de populo Romano meritos esse, ut paene in conspectu
exercitus nostri (Romanorum) agri vastari, liberi eorum (Aeduo-
rum) in servitutem abduci, oppida expugnari non debuerint: wo
Tåsar von den Worten: ut paene an, den Standpunkt der Aeduer
verläßt und sich auf seinen eigenen stellt. Eben so oft sind beide
Standpunkte möglich, so daß sowohl se als is stehen kann: Caes.
Gall. 1, 5: Helvetii persuadent Rauracis, uti, eodem usi consi-
lio, oppidis suis (Rauracorum) exustis, una cum iis (Helvetiis)
proficiscantur; wo uti so daß zu übersehen und das Ganze als
Zusaß Cäsars zu betrachten ist: die Helvetier überreden die Raura-
ker, so daß sie zugleich mit ihnen fortziehen; follte uti: damit, hei-
ßen und von persuadent unmittelbar abhängen, so hätte Eåsar se-
cum gesetzt.

§. 379. Bis jetzt ist nur von der Beziehung oder Nichtbe- 879
ziehung des Pronomen refler. auf das wirkliche grammatische
Subject eines Sahes die Rede gewesen. Aber das Reflexivum wird
auch in solchen Fällen gebraucht, wo es sich zwar nicht auf ein wirk-
liches grammatisches Subject bezieht, aber das Wort, worauf es sich
bezieht, dem Sinne nach als ein Subject betrachtet, zu
einem Subjecte gemacht wird. Daher sagt man: Vidi eum
in suis agris ich habe ihn auf seinen Feldern gesehen, indem dies
gesprochen ist, als ob es hieße: vidi eum quum versaretur in suis
agris (oder vidi eum in suis agris versantem).
Sui cuique
mores fingunt fortunam, Nep. 25, 11, 6, als ob es hieße: Mores,
quos suos quisque habet (welche jeder als die seinigen hat), fingunt
ei fortunam; so darf, wenn Cic. Par. 5, 1, 34 sagt: Fortuna suis
cuique fingitur moribus, der passive Saß nur in den activen um-

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geworfen werden: fortunam suis sibi quisque fingit moribus.' Eben so ist der Satz Cic. Fin. 5, 9, 25 zu erklären: Sua cujusque animantis natura est, durch: suam habet naturam, Cic. Nat. D. 3, 1, 1: Suo cuique judicio est utendum Suo quisque debet uti judicio. Illum ulciscentur mores sui, Cie. Att. 9, 12, 2 (quos suos habet). Hunc sui cives ejecerunt, Cic. Sext. 68, 142. Caesar Fabium cum legatione in sua remittit hiberna, Caes. Gall. 5, 53: nicht in des Casars Winterlager, sondern in ea, quae sua habebat Fabius. Ratio et oratio conciliat inter se homines, Cie. Off. 1, 16, 50, ratione et oratione conciliantur homines inter se.

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Anm. Nothwendig ist indessen diese Segung eines gedachten Subjects keinesweges, . So heißt es Cic. Fam. 14, 2, 1: Pisonem nostram merito ejus amo plurimum, weil Cicero auf seinem eigenen Standpunkte i vers bleibt; es könnte aber auch suo heißen. -Eben fo Achaei Macedonum regem suspectum habebant pro ejus crudelitate, Liv. 32, 19.

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380 §. 380., Was im vorigen §. von Einem Sage gesagt ist, gilt auch von mehreren, wenn sie auch nicht innerlich abhängig sind (in welchem Falle sie schon nach der Hauptregel das Reflerivum hätten, §. 376). Mira erant in

hieße: quae (Graeci) ipsorum furta Graecorum, quae

magistratus sui fecerant, Cic. Att. 6, 2, 5, construiert, als ob es per suos magistratus fecerant, die sie in der

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Person ihrer Magistrate begangen hatten. - Cicero tibi mandat, ut Aristodemo idem de se respondeas, quod de fratre suo, sororis tuae filio, respondisti, Cic. Att. 2, 7, 5, als ob der Satz quod respondisti innerlich abhängig und responderis gesett wäre.

Anm. Nothwendig ist indessen solche Segung eines gedachten Subjects keinesweges, da sogar umgekehrt in, innerlich abhängigen Sägen zuweilen is steht, als ob sie bloß äußerlich angefügt wären: A Curione mihi mandatum est eum ad me venire, Cic. Att. 10, 4, 5: von Seiten des Curio ist mir die Nachricht gekommen, er komme zu mir, welcher Sak, wenn sé stände, zu erklären wäre: Curio mihi mandavit, se venire. Socrates judicibus respondit, sese meruisse, ut amplissimis honoribus et praemiis decoraretur, et ut ei victus quotidianus in Prytaneo publice praeberetur, Cic. de Orat. 1, 54, 232: wo Cicero nach dem Worte: decoraretur den Gedanken an: respondit sese ese meruisse aufgicbt, und construiert, als ob es hieße: Socrates talem se praedicavit, qui dignus esset, ut ei praeberetur. — Cäsar sagt (Gall. 1, 14) zu den Gesandten der Helvetier Quod si veteris contumeliae oblivisci vellet (Cäsar), num etiam recentium injuriarum, quod eo invito (gegen seinen, d. h. des Cäsars Wilten) iter per Provinciam tentassent, quod Allobroges vexassent, memoriam deponere posset? gleichsam als ob er aus der oratio obliqua herausgegangen wäre und als Zusak gesagt hätte: (injuriarum), quae injuriae eo continebantur, quod eo invito tentaverunt, quod vexaverant us. W.

Eben so 1, 37: Legati ab Aeduis et a Treviris veniebant: Aedui questum, quod Harudes, qui nuper in Galliam transportati essent, fines eorum (Aeduorum) popularentur, construiert, als ob es hieße: populabantur.

Drittes Hauptstück.
Fragefå t

§. 381. Jede Frage drückt ursprünglich eine Ungewißheit aus, 981 aus welcher man durch die Antwort des Andern herausgerissen zu werden sucht. Nun sind zwei Hauptfälle der Frage möglich):

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I. Man seht den Inhalt der Antwort noch nicht, sondern verlangt die Angabe desselben. Dann braucht man die nach ausdrücklicher Angabe des Inhalts fragenden

a) Pronomina und Adjectiva interrogativa: quis wer, qui welcher, uter welcher von beiden, qualis wie beschaffen, quantus wie groß, quot wie viele, quotus der wievielste. b) Adverbia interrogativa: ubi mo, quo wohin, qua (parte) wo, quando wann, unde woher, quorsum wohin (in welcher Richtung), quam, ut, quomodo wie, cur warum, quare weshalb. II. Man seht den Inhalt der Frage schon selbst und verlangt eine Antwort, welche diesen entweder bejaht oder verneint. In diesem Falle kann man fragen:

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1) ohne Partikeln, ursprünglich so, daß man die eignen oder eines Undern Worte mit Nachdruck in fragendem Tone wiederholt. Doch brauchen jene zu wiederholenden Worte nicht wirklich ausgesprochen zu fein, sondern nur als gedacht vorausgefeßt zu werden. So sagen wir im Deutschen: Du weißt (also), daß ich ihn gesehen habe? Ihr werdet (also) nicht essen? Scis Appium censorem hic ostenta facere? Cael. ap. Cic. Fam. 8, 14, 4. Non estis coenaturi? Plaut. Merc. 4, 4, 10. Non pudet philosophum in eo gloriari, quod vana non timeat? Cic. Tusc. 1, 21, 48. Non vobis videor cum aliquo declamatore disputare? Cic. Planc. 34, 83. 2) mit Partikeln, und zwar:

§. 382.

a) mit ne. Ursprünglich dient ně, als negative *) Partikel, einem Worte angehängt, dazu, um eine Frage auszudrücken, auf die man eine bejahende Antwort erwar

*) Denn daß ně und nē ursprünglich Ein Wort, ist wohl nicht zu bezweifeln. ©

882

388:

tet. Denn man stellt einen Sah negativ, wenn man Fa zur Antwort erwartet, um dadurch den Undern desto mehr zur Antwort, die den Frager corrigiert, anzurei= zen. Und dieser Gebrauch des ne findet auch wirklich dann häufig statt, wenn man es dem Hauptverbo des Sakes anhangt: Videsne, ut in proverbio sit ovorum inter se similitudo? Cic. Acad. pr. 2, 18, 57 (vergl. Cic. Verr. Act. II, lib. 2, 46, §. 112. de Sen. 10, 31. Rosc. Am. 24, 66 u. öfter). Weiter aber dient das ne auch in Fragen, bei denen man über die Antwort, ob sie bejahend oder verneinend ausfallen werde, gar keine Vermuthung hat *). Quaero de Regillo, rectene meminerim patre vivo mortuum, Cic. Att. 12, 24, 2. Ja es wird auch häufig so gebraucht, daß aus dem Zusam= menhange einleuchtet, man erwarte zur Antwort: Nein. In diesem Falle wird es gewöhnlich nicht ans Hauptverbum gehängt: Quid tot tantosque viros ob rempublicam interfectos cogitasse arbitramur? Iisdemne ut finibus nomen suum, quibus vita, terminaretur? Cic. Tusc. 1, 15. Anm. Schon aus obigen Beispielen ist zu ersehen, daß ne sowohl in directen, als indirecten Fragen gebraucht wird. ;

§. 383.

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nonne putarem,

b) mit nonne. Diese Partikel deutet immer an, daß man
eine bejahende Antwort erwarte, und steht sowohl in di-
recten, als indirecten Fragen: Nonne animadvertis? Cic.
Nat. D. 3, 37, 89 bemerkst du nicht? (sehr häufig).
Quum esset ex eo quaesitum, Archelaum nonne beatum
putaret, Cic. Tusc. 5, 12, 34. Ex me qnaesieras,
Cic. Acad. pr. 2, 24, 76.
c) mit num. Num, ähnlich dem Deutschen doch wohl
nicht in der Frage, drückt meistens (vorzüglich in directen,
nicht durchgehends aber in indirecten und disjunctiven Fra-
gen) aus, daß man eine verneinende Antwort erwarte,
daß wenigstens eine bejahende befremden werde: Num
igitur naufragium sustulit artem gubernandi, Cic. Divin.
1, 14, 24.

Anm. Aus num entstehen durch Zusammenseßungen: numne, numnam, numquid und numquidnam. Das quid in numquid ift Acc. adverbialis (vgl.

*) Im Lateinischen wurde das Bedürfniß einer solchen Particula interrogativa media um so dringender; da hier eine Frage nicht wie in neuern Sprachen durch bloße Umftellung des Subjects (er liest: lieft er?) ausgedrückt werden konnte,

§. 210) von quid irgend etwas, heißt also: in irgend einer Hinsicht, etwa; wie das enklitische è im Griechischen. Numquid duas habetis patrias? Cic. Leg. 2, 2, 5 (wohl zu unterscheiden von Num quid vis? wo das quid nicht absolut steht, sondern von vis abhängig ist). Statt numquis wird auch ecquis gebraucht, und wie numquid absolut auch ecquid: Ecquid vides Calendas venire, Antonium non venire? Cic. Att. 2, 2, 3; auch in indirecter Frage: ecquid in Italiam venturi sitis, fac sciam, Cic. Fam. 7, 16, Von ecquis kommt wieder ecquî (alter Ablativ) = num aliquo modo, und ecquò num aliquò. Wie mit ecce, so wird auch mit en ein Frage= wort gebildet, nämlich enunquam = num unquam.

3.

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§. 384.

d) mit an. An, wahrscheinlich aus autne entstanden, drückt aus, daß man eine Frage als Gegensatz zu etwas vorhergegangenem aufwirft; Deutsch: oder etwa? Quid, tum, per deos immortales, si plus auctoritas tua, quam ipsius populi Romani salus valuisset, hodie hanc gloriam atque hoc orbis terrae imperium teneremus? An tibi tum imperium esse hoc videbatur u. f. w., Cic. Manil. 17, 53: oder schien dir etwa Solche Säße kommen besonders in Cicero's Reden fast auf jeder Seite vor.

384

§. 385. Der eigentliche Sitz des an, auch in indirecten Fragen 385 (§. 389) ist das zweite Glied von Doppelfragen (§. 387). In einer einfachen indirecten Frage unmittelbar nach dem regierenden Verbo dagegen ist an bei Cicero (falls auch einige Stellen unverdächtig sein sollten) wenigstens nicht gebräulich, so daß man, wenn man sicher in der Latinität des goldenen Zeitalters reden will, bef= ser: quaero, num hanc rem fecerit, oder feceritne hanc rem sagt, als: quaero, an hanc rem fecerit. In der spåtern Latinität ist freilich ein solcher Gebrauch des an häufig.

Ein eigenthümlicher Gebrauch des an findet nach denjenigen Verbis statt, welche ein Schwanken, eine Ungewißheit der Mei= nung ausdrücken, wenn man durch dieselben auf bescheidene Weise eine Behauptung aufstellen will. Die Ungewißheit nämlich liegt in der Mitte zwischen: Ueberzeugtsein, daß, und: Ueberzeugt sein, daß nicht. Zum gemäßigten Ausdruck des Lezteren gebraucht sie der Deutsche (ich weiß nicht, ob er kommt = ich vermuthe, daß er nicht kommt), des Erstern *) der Lateiner

*) Der Grund davon, daß der Lateiner nescio an gerade zum Ausdruck des Erste ren gebraucht, liegt ohne Zweifel eben darin, daß an in der goldenen Zeit der Sprache durchaus seinen Sig im zweiten Gliede der Doppelfrage hatte, und keinesweges, wie fpåter, bloß unser: ob, bedeutete. Nescio an war also für den ålteren Römer eine elliptische Redensart, und wie schon dann, wenn die Doppelfrage vollständig ausgedrückt wurde, der Redende fich häufig mit seiner Vermuthung auf das zweite Glied hinneigte (z. B. unum illud nescio, gratulerne tibi, an timeain, Cic. Fam. 2, 5), so und noch

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