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schen Christen und Nichtchristen 1) wenn auch nicht als etwas Unerhörtes und sittlich Unmögliches, doch als etwas nach dem bestehenden Rechte, der Volkssitte und der Gesetzgebungsflugheit im Allgemeinen Unausführbares.

In späterer Zeit aber waren es besonders einzelne jüdische und protestantische Gelehrte, die durch historisch-kritische Forschungen im Gebiete des alten und neuen Testaments die Entdeckung machten, daß man biblische Eheverbote gänzlich mißverstanden habe.

Man betrachtete 2) es als anerkannten Grundsaß auf dem Gebiete der politischen und kirchlichen Gesezgebung, daß mit dem Naturgeseze kein positives im geraden Widerspruche stehen dürfe; und basirte darauf die Betrachtung: so wie Gott den hybriden Vermischungen der Geschlechter im Reiche der Pflanzen und Thiere überall bestimmte Grenzen gesezt habe, die nicht einmal so nahe gestellte Klassen, wie Wölfe und Hunde, zu überschreiten vermögen; so habe er auch von der einen Seite zwischen dem Menschen und Nichtmenschen (Orang-Outang) eine nicht zu überwältigende Scheidewand aufgerichtet, von der andern Seite aber die Geschlechtsverbindung der Menschen aller Himmelsstriche, Farben und Raçen nicht nur mit Fruchtbarkeit gesegnet, sondern sie auch an das Gefeß der Mannigfaltigkeit geknüpft, welchem die Durchkreuzung der Raçen entspreche, um die vielseitigste Entwicklung der natürlichen Anlagen unserer Gattung zu befördern. Man hat bemerkt, daß wer diesen Theil der Naturwissenschaft mit einem reinen und heiligen Auge betrachte, und den genauen Zusammenhang des Physischen und Moralischen in dem Seruellen der Menschennatur, so wie die unverkennbare Abzwe

1) Die Ausdrücke Gläubige und Ungläubige, welche gewöhnlich gebraucht werden, haben eigentlich ihre Bedeutung nach dem Standpunkte dessen, der sie gebraucht. Denn der Nichtchrift darf sich unter dem Christen eben so gut einen Ungläubigen denken, als der Christ den Nichtchriften ungläubig nennt.

*) v. Ammon, die gemischten Ehen. Dresd. 1830.

dung dieses Verhältnisses zu der Ehe, als eine Schule des Lebens und der Sittlichkeit, in ernste Erwägung ziehe, der müsse auch hier eine fortdauernde Anordnung der göttlichen Weisheit und Liebe erkennen, die ihn mit dankbarer Ehrfurcht und Rührung erfülle. Habe nun Gott, vom Anbeginn der Dinge an bis auf den heutigen Tag, nicht allein die Geschlechter der ganzen Menschheit zur Ehe fähig gemacht, sondern auch die Annäherung und Verbindung der Erdenvölker durch ihre Bedürfnisse, die Erzeugnisse ihres Bodens, durch Tausch und Han del vorbereitet; wie fonnte und sollte da, - meint man eine vernünftige und der Stimme der Natur zugewandte Religion auch nur von fern einen haltbaren Grund für ein göttliches Verbot der Ehe zwischen ganzen Völkern und Stämmen aufstellen?

Bei dieser und ähnlicher Betrachtungsweise geht man von der irrigen Unterstellung aus, als wenn die christlichen Eheverbote ihren Grund in nationalen Rücksichten je gesucht und gefunden hätten, und übersicht, daß die Religion es nicht mit phyfischen, sondern mit moralischen Gesezen, mit Gesegen für das freie sittliche und religiöse Handeln des vernünftig - sinnlichen Wesens zu thun hat, und daß Religionsgefeße gerade darauf gerichtet sind, die Macht der Natur aus Achtung vor sittlich-religiösen Forderungen, der freien Selbstbestimmung zu unterwerfen. Eine Religion, die es sich nicht zur Aufgabe gestellt, auf die Stimmen der physischen Natur allein zu horchen, deren Vorschriften kann nicht aus dem Grunde allein der Vorwurf der Inhumanität gemacht werden, weil der Mensch oft einen heftigen natürlichen Drang fühlt, das Gegentheil jener Religionsvorschrift zu thun, und weil eine solche, dem Religionsgeseße widersprechende, Handlung nach Naturgesegen nicht wirkungslos ist. Es ist kein Widerspruch zwischen einem Religions- und einem Naturgesege, wenn das eine verbietet, was das andere zuläßt. Nur da, wo Gebot und Verbot, als absolute Forderung gegenüberstehen, ist Widerspruch. So stehen die Geseze aber in unserem Falle nicht gegenüber.

Es läßt sich aber auch nachweisen, daß die Eheverbote des alten und neuen Testaments nicht aus nationalen Rücksichten geschlossen sind, sondern aus religiösen, die mit den nationalen allerdings zusammentrafen. So heißt es im alten Geseße :

„Beobachte alles was ich dir heute gebiete: ich selbst will vor deinem Angesichte austreiben die Amorrhiter, und Channaniter, und Hathiter, und Phereziter, und Haviter und Jebussiter.“ Hüte dich, daß du nie Freundschaft schließest, die dir zum Falle ist, mit den Einwohnern dieses Landes ;...“

,,Du sollst keinen fremden Gott anbeten. Eiferer ist des Herrn Name, Gott ist ein eifernder Gott."

„Auf daß du nicht einen Bund schließest mit den Leuten jener Gegenden, daß wenn sie ihren Gößen nachbuhlen, und ihnen Opfer schlachten, nicht etwa einer dir rufe, daß du issest von ihren Opfern."

„Du sollst auch deinen Söhnen kein Weib nehmen von ihren Töchtern damit wenn sie ihren Gößen nachgebuhlt, nicht auch deine Söhne zur Gößenunzucht verführen 3).“

Wenn nun der Patriarch Isaak seinem Sohne Jakob sagt: „Nimm kein Weib vom Geschlechte Chanaans“ ....... *) ; was berechtigt da, anzunehmen, es sey dieser Befehl nur eine nationale Rücksicht gewesen, da wir ja bestimmt genug wissen, daß eine religiöse ausdrücklich als allgemeines Gesez ausgesprochen war. Auch daraus, das Rahel, Laban's Tochter und Jacobs Weib, die Hausgögen ihres Vaters stahl 5) und mit auf die Flucht nahm, wenn selbst in der Absicht, ihren Cultus vorläufig in einer heidnisch- monotheistischen Familie fortzusehen; folgt doch nicht, daß Jacob seine Ehe als eine eigentlich gemischte erkannte und anerkannte, und als

3) II. Mos. XXXIV. 11-16.
4) 1. Mof. XXVIII. 1. f.
3) I. Mos. XXXI. 19.

solche fortsette; denn er wußte ja von der Entwendung nichts ®). Wie strenge man aber das Gebot im Allgemeinen nahm, geht aus der Rede des Priesters Esdra's nach der Rückkehr aus der baylonischen Gefangenschaft, und dem Entschlusse der Versammlung hervor 7).

Es kommen nun allerdings Fälle vor, daß Juden heidnische Weiber genommen, z. B. Esau eine Chananiterin, und Moses selbst eine Midianiterin, aber auch bekannt ist, daß dieses mißbilligt wurde, und doch wahrscheinlich diese heidnischen Weiber in der Ehe sich zu der mosaischen Religion bekannten. Die ganze Geschichte des Judenthums, und ihre Auffassung durch die Nation selbst beweist, daß die Idee und der Glaube die Söhne Abrahams und Jakobs durchdrang, daß der Herr sie gewählt, um den wahren Glauben und die Uebergabe des reinen Gottesdienstes in einem Theile der Erde fortzupflanzen, und daß der Herr sie wie seinen Augapfel schirmte, und der Welt zur Schau und Belehrung durch alle Gefahren und Wandelbarkeiten irdischer Umwälzungen leitete, und wie ein Vater seine Kinder erziehen, strafen und trösten wollte. Ein Volk, das solchen Glauben und solches Bewußtseyn in sich trägt, konnte wohl deßhalb die innigste Verbindung des Lebens mit Gliedern anderer Völker zurückweisen, wenn diese Gögendienst trieben, Menschenopfer brachten u. s. w. 8).

Wo die Juden Fortentwicklung und Erhaltung der Offenbarung, als auserwähltes Volk verehrten, also nach unserer jegigen Ausdrucksweise eigentlichen Fortschritt, da mußte das Heis denthum Rückschritt finden, Verworfenheit, Gotteslästerung, Fälschung der Geschichte, Verdammung, Hochmuth. Was dem einen Theile das Heiligste war, das war dem andern Gegenstand des

•) L. Mos. XXXI. 32 f.:,,Dieß sagte er (Jakob), nicht wissend, daß Rahel die Hausgögen gestohlen."

') I. Esdras X. 10 f.

*) Pfaff, Sitten u. Gebräuche der Hebräer. Eisenach 1800. S. 76.

Spottes, Hohns und der Verachtung. Nicht bloß um verschiedene Auffassung handelte es sich, wie heut zu Tage bei den verschiedenen christlichen Confeffionen, auch nicht um ein bestimmtes Maaß des Fortschritts, wie etwa heut zu Tage noch selbst unter Juden und Christen, die doch noch ein Gemeinsames, den alten Bund haben, sondern von einer Verschiedenheit religiöser Begriffe und eines Glaubens, wofür es keine gegenseitige Berührungsund Anknüpfungspunkte mehr gab. Zwischen Heidenthum und Judenthum findet ein innerer Widerspruch statt, ärger gewiß, als zwischen Judenthum und Christenthum. Aber zwischen Christenthum und Judenthum stellte sich gleich anfangs eine ähnliche Auffassung. Das Christenthum nahm dem Judenthum gegenüber in der Idee sofort eine noch erhabenere Stellung in Anspruch, als das Zudenthum dem Heidenthum gegenüber je eingenommen hatte. Hatte Gott früher auf verschiedene Weise und Wege zu den Vätern durch Propheten gesprochen, so sprach er endlich zu den Christen in seinem Sohne. Die Weisheit und Gnade Gottes, der Heiland, der Sohn Gottes war selbst erschienen, die Menschen zu unterrichten. Diese fortgeschrittene, zu der höchsten denkbaren und möglichen Stufe gelangte Offenbarung faßten nur die Christen. Von nun an bildete sich zwischen Christen und Juden eine ähnliche Stellung, wie cinstens zwischen Juden und Heiden. Der Christ betrachtete den Juden im Stillstand und Rückschritt, sich selbst im Fortschritt. Man lese nur den Brief des Apostels Paulus an die Hebräer, um die näheren Anhaltspunkte, die hier nicht verfolgt werden können, sofort heraus zu finden.

Das neue Testament mißbilligt daher eben so die Ehen der Christen mit Nichtchriften. Das Prinzip, daß Gläubige mit Ungläubigen nicht die engste Verbindung, welche das Leben kennt, eingehen sollen, ist im neuen Testamente eben so energisch, als im alten ausgesprochen. „Ziehet nicht an demselben Joche mit den Ungläubigen.".. Oder,,was hat der Gläubige mit dem Ungläubigen zu thun?" Wie verträgt sich der Tempel Gottes mit

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