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Ueber

das Recht des nexum

und

das alte Römische Schuldrecht.

Hanc autem fidem maiores nostri non modo in officiorum vicibus, sed in negotiorum quoque contractibus sanxerunt, maximeque in pecuniae mutuaticae usu atque commercio. adimi enim putaverunt subsidium hoc inopiae temporariae, quo communis omnium vita indiget, si perfidia debitorum sine gravi poena eluderet. Gell. 20, 1.

Wenn Senn man über eine Materie seine Ansichten mittheilen will, die seit langer Zeit nicht Gegenstand gründlicher Untersuchung gewesen ist, dann mag es verdienstlich und unter Umständen selbst unerläßlich scheinen, den Leser vor Allem mit den bisherigen Leistungen auf dem betreffenden Gebiete bekannt zu machen, um ihm auf diese Weise das Urtheil über das Verhältniß, in welchem die neue Untersuchung zu den frühern steht, zu erleichtern. In diesem Falle befinden wir uns bei der Behandlung des in der Ueberschrift bezeichneten Gegenstandes nicht. Derselbe ist in der neuesten Zeit in einer Reihe von schnell auf einander gefolgten eigenen Schriften, deren Beurtheilungen und sonstigen Aeußerungen so vielfach besprochen worden, daß eine Bekanntschaft mit den aufgestellten verschiedenen Ansichten beim Leser vorausgesetzt werden kann oder daß es wenigstens genügt, auf die neueste Schrift

zu verweisen, die sich durch eine sorgfältige Berücksichtigung der Literatur auszeichnet 1). Wir dürfen uns daher sogleich zum Gegenstande unserer Untersuchung selbst wenden.

Den sichersten Ausgangspunkt bei der Erforschung der Natur eines Rechtsinstituts, zumal des alten Römischen Civilrechts, bildet die Sprache, d. h. das Wort selbst, in welchem das Volk sich dasselbe zum Bewußtsein brachte; denn da beide, Sprache und Recht, gleich ursprüngliche, vernünftig nothwendige Productionen des Volkslebens sind und das Wort eben nur der zur Erscheinung gekommene Begriff ist, so muß aus dem Worte vornehmlich das Wesen des damit bezeichneten Rechtsinstituts erkannt werden können und es dient zum sichersten Beweise, daß man das Wesen der Sache noch nicht erkannt habe, wenn der gefundene Begriff in dem Worte nicht vollkommen aufgeht.

Um uns nicht bei den völlig sprachwidrigen Etymologien, welche das Wort nexum mit nec suum, nectere mit negotium zusammenstellen, aufzuhalten, so heißt nectere in der Lateinischen Sprache zweifellos so viel als binden, von ligare hauptsächlich darin verschieden, daß es den relativen Begriff des völligen genauen Abhängigmachens von einem Andern, zu dessen Gunsten es in

1) J. J. Bachofen, das Nexum, die Nexi und die Lex Petillia. Basel 1843. In einer Recension derselben im Leipz. Repert. 1843. Heft 43. werden folgende zum Theil erst gleichzeitig erschienene Schriften als unberücksichtigt geblieben angeführt: Heimbach de Aelio Gallo p. 49-59. Das Rechtslexicon s. v. Aes et libra Bd. 1. S. 181. Puchta, Cursus der Institutionen Bd. 2. S. 209–215. Asverus, die Denunciation S. 102–113. — Långst nach Vollendung dieser Schrift kommt mir noch eine sehr werthvolle Recension der drei neuesten Monographien über diese Materie (von Sell, Heusde und Bachofen) zu Gesicht von v. Glöden in den Krit. Jahrb. f. deutsche Rechtswissenschaft. 1845. S. 385–417. In dem Urtheil über die Ansichten dieser Schriftsteller darf ich mich einer fast volligen Uebereinstimmung mit dem Verf. dieser Recension freuen, auch da, wo ich das meinige nicht zu *äußern für gut gefunden habe. Die vorangeschickte eigene Ansicht des Ncc. ist der von Puchta verwandt, wie er auch selbst bekennt.

seiner Freiheit behindert ist, einschließt 2). Von der äußern Natur auf das Rechtsgebiet übertragen, steht es im Gegensatz zu solvere und liberare 3) und bezeichnete also in der alt Römischen Sprache etwas Aehnliches wie in der Rechtssprache der Kaiserzeit obligare, obligatio, mit welchem Wort es auch die Grammatiker erklären 4). Mit eben diesem Worte wird auch nectere noch in der Kaiserzeit synonym gebraucht, aber mit der bemerkenswerthen Eigenthums lichkeit, daß nectere wenigstens in der bessern Zeit nicht leicht von der persönlichen Privatobligation des Schuldners, sondern hauptsächlich von dem Pfandnerus gesagt wird 5), ein klarer Beweis, daß selbst nach dem damaligen Sprachgefühl nur ein völliges strenges Verpflichtetsein, welches zu einer körperlichen Besißnahme

2) Wir berufen uns auf die Lexikographen und Synonymiker. Etymo logisch führt das Wort unmittelbar auf den Ausdruck für die lebendige (concrete) Negation ne, nec zurück und ist außer mit neo (aus dem solutum esse, zusammendrehen, spinnen) auch mit neco, nego, necesse verwandt, welche alle eine völlige Aufhebung und Negation nur in verschiedenen Anwendungen bezeichnen. Wie also jene die physische Aufhebung des Lebens, die logische einer Behauptung, die metaphysische des fréien Daseins bedeuten, so necto eine völlige Aufhebung des Losseins, der freien Bewegung oder Handlung.

3) Varr. de L. L. 7, §. 105. (s. Anm. 7.) Fest. v. Nexum: aes apud antiquos dicebatur pecunia, quae per nexum obligatur.

4) Liv. 8, 28. Ita nexi soluti. Cic. de rep. 2, 34. omnia nexa civium liberata. Und wie man sagte nexum aes, so in der nexi liberatio: SOLVO LIBEROQVE HOC AERE AENEAQVE LIBRA HANC TIBI LIBRAM PRIMAM POSTREMAMQVE. Gai. 3, 174.

5) Man vergleiche die Wörterbücher von Brissonius und Dirksen unter nectere und nexus. Von Personen gebraucht, kommt das Wort vor, wenn sie in Criminalprocesse verwickelt (crimine nexi) oder dem Fiscus oder sonst dem Staat verpflichtet sind, wo die Verpflichtung auch unmittelbar oder doch viel leichter als sonst in Arrest übergehen kann, von der Unterwerfung unter die Gewalt des Vaters oder Herrn, von der strengen Obstriction der Curialen an ihre Amtspflicht, der Colonen an ihr Grundstück, auch selbst von Verhafteten. Eine nicht unpassende Anwendung machten die Christen von dem Wort auf den Zustand der Verhaftung durch die Sünde oder durch den Glaus ben gegen Gott. Mai Collect. nov. script. vet. Tom. 5. p. 22. Ipse tua,

berechtigte, mit dem Worte ausgedrückt zu werden schien. Diesen Begriff und diese Verschiedenheit von dem spåtern obligare, welches nur die damals allein noch vorkommende allgemein-rechtliche Verpflichtung der Person, kraft deren man höchstens eine Klage anstellen kann, bezeichnet, müssen wir also für das alte nectere um so mehr in Anspruch nehmen, als die Bedeutung des Worts selbst darauf führt und eine zahlreiche Menge von Stellen zeigt, daß das nexum den Leib der Schuldner ergriff, mit andern Worten, daß diejenigen, welche durch nexum verpflichtet waren, von ihren Creditoren in die Haft abgeführt und darin mittelst Fesseln festgehalten werden konnten. In dem Worte liegt dann auch noch das, daß nur eine vermögensrechtliche Verpflichtung, nicht etwa auch ein persönliches officium damit bezeichnet werden konnte; denn nur eine solche konnte die Grundlage für ein in körperliche Festhaltung, also in ein fast dingliches Verhältniß, übergehendes Verpflichtungsrecht sein. Und diese Auffassung wird auch dadurch bestätigt, daß man im alten Rechte eine solche Schuld nexum aes nannte, also nicht sowohl die Person ansah, als das geschuldete dem Gläubiger dermaßen obligatorisch-gehörige Geld, daß um seinetwillen die Person selbst gleichsam dinglich behandelt werden konnte.

Wie war nun aber eine derartige Verpflichtung nach den Grundsägen des alten Rechts möglich? Jedenfalls nicht iure gen

Petre, disrumpi vincula iussit, Qui te constituit mundanos solvere nexos. Ibid. n. 2. His solidata fides, his est tibi, Roma, catenis Perpetuata salus: harum circumdata nexu Libera semper eris. Quid enim non vincula praestent, Quae tetigit, qui cuncta potest absolvere vincta? Ibid. p. 19,6. Ic celum terris iunguntur et ima supernis. Nexa relaxantur ic et non nexa ligantur. Einige Beispiele des Gebrauchs im allgemeinen Sinne, von einem obligatorischen Verhältnisse überhaupt; L. 1. D. de acceptilat. (46, 4.) (Modestin) L. 5. C. de obl. et act. (4, 10.) L. ult. C. quo quisque ord. (11, 35.) (Diocletian).

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tium, sondern nur iure civili 6); denn das ius gentium kennt zwar schon die obligatorischen Verhältnisse als wirkliche Rechte, aber erst das ius civile vermag ihnen kraft seiner in der Staatsgewähr liegenden concentrirten Geistigkeit eine solche äußerste Energie zu verleihen, wie sie uns in dem Recht des Gläubigers, den Schuldner selbst gleichsam zu pfånden, entgegentritt. Wie also das natürliche Elternverhältniß durch das ius civile zur patria potestas, das eheliche Verhältniß zur manus gesteigert erscheint, so konnte auch das dare oportere der gewöhnlichen Obligation zu dem nexum esse erhoben werden. Fragen wir nun aber weiter, warum das Civilrecht gerade dem nectere diese außerordentliche Kraft beilegte (denn nicht alle vom Civilrecht eingeführten Obligationen haben ja eine solche Kraft), so führt uns dieses auf den Entstehungsgrund des nexum zurück, über den uns folgende Betrachtungen nåhern Aufschluß geben werden.

Erstens erklären die Alten das nexum mit quod per aes et libram geritur und Aelius Gallus sagte, daß eben dieses das necti sei 7). Uber was heißt per aes et libram? Das ist von selbst ein

6) Daß das nexum, wie das mancipium, iuris civilis sei, bedarf zwar kaum eines Beweises. Doch vergleiche man Cic. de rep. 1, 17. Quam est hic fortunatus putandus, cui soli vere liceat omnia non Quiritium sed sapientium iure pro suis vindicare, nec civili nexo, sed communi lege naturae, quae vetat ullam rem esse cuiusquam, nisi eius, qui tractare et uti sciat. Paradox. 5, 1. §. 35. quae sunt... facta nexu aut aliquo

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7) Varr. de L. L. 7, 5. §. 105. Nexum Mamilius scribit, omne quod per libram et aes geritur, in quo sint mancipia. Mutius, quae per aes et libram fiant ut obligentur, praeter quae mancipio dentur. Hoc verius esse, ipsum verbum ostendit, de quo quaerit; nam idem quod obligatur per libram neque suum fit inde nexum dictum. Fest. p. 165. Müll. Nexum est, ut ait Gallus Aelius, quodcunque per aes et libram geritur, idque necti dicitur. quo in genere sunt haec: testamenti factio, nexi dando (1. datio), nexi liberando (1. liberatio). — Cic. de orat. 3, 40. nexum, quod per libram agitur.

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