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Gesetzbuch, findet sich diese Anerkennung des Hauptgrund

saßes auch im Französischen (m).

S. 61.

I. Vertrag. B. Personen. Unbestimmte Personen.

Es ist oben bemerkt worden (§ 53), daß bei den Verträgen zweierlei Fälle vorkommen, in welchen die Personen, durch welche der Vertrag entsteht, eine andere als die einfachste und natürlichste Stellung einnehmen, wodurch dann ein tieferes Eingehen in das persönliche Verhältniß nothwendig wird.

Der eine dieser eigenthümlichen Fälle betraf die Stellvertretung, und was mit ihr zusammenhängt; davon ist bisher gehandelt worden (§ 53-60).'

Der andere Fall bezieht sich auf diejenige eigenthümliche Gestalt einer Obligation, in welcher das obligatorische Verhältniß, nach Einer Seite hin, nicht (wie gewöhnlich) an eine individuell bekannte Persönlichkeit angeknüpft wird, sondern vielmehr an eine allgemeine Eigenschaft, die gleich Anfangs in ganz verschiedenen Personen sich finden, und im Laufe der Zeit durch verschiedene andere Personen hindurch gehen kann (a).

(m) Code civil art. 1997. schränkung von Juftinian aufge1998.

(a) Nach dem Römischen Erbrecht sollte eine incerta persona in einem letzten Willen nicht be dacht werden dürfen, welche Be

hoben worden ist, § 25-27 J. de legatis (2. 20). Es ist ganz derselbe Begriff der incerta persona, welcher hier auf die Obligationen angewendet wird.

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Diese eigenthümliche Beschaffenheit mancher Obligationen ist von mir schon an anderen Orten erwähnt worden (b). Es gehören dahin im Römischen Recht die Obligationen, die in Folge eines Nießbrauchs und anderer dinglicher Rechte zwischen dem Inhaber und dem Eigenthümer der Sache, als bloße Folgen des Eigenthums und der jura ́ in re, entstehen und übergehen; ferner die aus dem Colonat durch die bloße Geburt entspringenden Obligationen. Im Deutschen Recht gehören dahin die Reallasten, die Bannrechte, die Leibeigenschaft.

Von dieser ganzen, nicht unwichtigen, Claffe von Obligationen soll an dem gegenwärtigen Orte nur eine einzelne, sehr beschränkte, Anwendung in Erwägung gezogen werden. Es soll die Frage beantwortet werden, ob und mit welchen Wirkungen es zulässig ist, durch Vertrag, also durch Privatwillkür, in eine Obligation mit einer solchen unbestimmiten Person einzugehen. Diese Frage kommt blos in der Art vor, daß eine bestimmte Person, als Schuldner, mit einer unbestimmten Person, als dem Glaubiger, einen Vertrag schließen will, woraus dann die gewöhnlichen Folgen einer Obligation hervorgehen sollen.

Die Möglichkeit eines solchen Vertrages wird von mehreren Schriftstellern allgemein behauptet, oder wenigstens stillschweigend vorausgesezt. Ich muß diese Möglich

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keit, vom Standpunkte des gemeinen Rechts aus, verneinen (c), und zwar aus demselben Grunde, nach welchem das Römische Recht dem Vertrag zum Vortheil eines Dritten, der dazu keinen Auftrag gab, die Wirkung versagt; nämlich weil die Obligationen, als Beschränkungen der nas türlichen Freiheit, nicht zu solchen Zwecken eingeführt sind, so daß wir, durch diese Anwendung derselben, ihre natürliche Bestimmung willkürlich überschreiten würden (S 59 c).

Ich will sogleich einige, nicht seltene, aber wenig erhebliche, Anwendungen namhaft machen, worin diese Frage vorzukommen pflegt.

Wenn Jemand auf die Anzeige oder Rücklieferung einer verlorenen øder gestohlenen Sache, oder auf die Entdeckung des Diebes, in öffentlichen Blättern oder durch öffentliche Anschläge, einen Preis ausseßt, so ist der Sinn einer sol chen Bekanntmachung der, daß der Urheber derselben zur Bezahlung des Preises sich verpflichtet gegen die unbekannte Person, die ihm zu seinem Zweck verhelfen möchte. Ju diesem Fall kann ich gemeinrechtlich nicht annehmen, daß der Finder oder Anzeiger eine Klage auf den Preis habe (d). Damit ist aber nicht gesagt, daß die Ausseßung des Preises ohne Folgen seyn werde; in den meisten Fällen

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(c) Stahl Philosophie des Rechts B. 2 S. 316. Auch die bestimmte Person des creditor gehört zum Wesen einer Forderung. Hievon giebt es allerdings eine Ausnahme an un

sern Obligationen au porteur, das ist aber auch ein Institut von publicistischem Charakter.“

(d) Unterholzner B. 1 § 26 N. I. nimmt eine Obligation

an.

wird der ausgesezte Preis freiwillig bezahlt werden, so wie die meisten Spielschulden regelmäßiger, als viele andere Schulden, bezahlt zu werden pflegen, auch wo sie geseglich (wie im gemeinen Recht) für nichtig erklärt sind. Nur wenn der Finder oder Anzeiger, in Folge der Bekanntmachung, Kosten aufgewendet hat, kann er diese, wenn der Ersag verweigert wird, mit einer doli actio einflagen (e).

Eine ähnliche Bewandniß hat es mit den Preisen, die für nüßliche Entdeckungen, Preisschriften u. s. w. ausgesezt werden. Auch hier kann ich ein gemeinrechtliches Klagrecht nicht annehmen, aber es wird hierbei thatsächlich noch weniger, als in dem ersten Fall, eine Verweigerung vorkommen. - Das Preußische Landrecht hat für diesen Fall das Daseyn einer Verpflichtung zur Zahlung des Preises anerkannt, und darüber nähere Bestimmungen gegeben (f).

Unter die Verträge mit unbestimmten Personen ist wohl ́auch, aber mit Unrecht, der sehr häufige und wichtige Fall

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der Versteigerungen gezählt worden. Allerdings ist es für diesen Fall streitig, mit welchem Zeitpunkt und durch welche Thatsache der Vertrag als abgeschloffen anzusehen ist (g). Aber, wie man auch diesen Abschluß feststellen möge, so ift doch in jedem Fall, zur Zeit dieses Abschlusses, der Käufer eine bestimmte, bekannte Person. Alle Unbestimmtheit also, die in diesem Fall vorkommt, bezieht sich nur auf die Zeit der Vorbereitungen zu dem Vertrag, nicht auf den Abschluß felbft.

Alle diese Fälle sind von keiner Erheblichkeit für den Verkehr im Großen. Sie sind hier erwähnt worden, um als Einleitung zu dienen zu dem einzig wichtigen Fall dieser Art, welcher einer ausführlichen Darstellung bedarf. Dieser betrifft die Papiere auf den Inhaber, von welchen nunmehr gehandelt werden soll.

S. 62.

1. Vertrag. B. Personen. Papiere auf den Inhaber.

Schriftsteller.

Gönner von Staats-Schulden Abth. 1. München 1826. Bender Verkehr mit Staatspapieren, 2te Ausg. Göttingen 1830.

(g) Vgl. Unterholzner B.1 und Vorlesungen § 252. § 26 N. V. Puchta Pandekten

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