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tene aus dem Vertrag klagen und verklagt werden; ob Dieses durch eine directa oder utilis actio geschieht, ist ja für das heutige Recht völlig gleichgültig. Ein erheblicher Unterschied liegt nur darin, daß, nach Puchta, auch der Stellvertreter von der Gegenpartei verklagt werden kann, welches ich nicht annehme, und welches wichtig werden könnte, wenn inzwischen der Vertretene insolvent geworden wäre. Aber gerade dieser Erfolg ist auch am entschiedensten zu verwerfen, da, nach unserer Vorausseßung, der Stellvertreter von allen Betheiligten gar nicht als Partei, sondern nur als der Träger eines fremden Willens, angesehen wurde.

Wenn wir noch zum Schluß die sehr weit verbreitete Meinung von der neueren Praris, die das Römische Recht abgeändert haben soll, mit der Meinung von Puchta vergleichen, so muß ich dieselben für ganz unvereinbar erklären. Denn wenn es wahr ist, welches Puchta behauptet, daß die unmittelbare Beziehung des durch einen Stellvertreter geschloffenen Vertrages auf den Vertretenen unmöglich sey, nicht blos nach einer Sagung des positiven Rechts, sondern nach dem Wesen des obligatorischen Vertrages selbst, so kann diese Unmöglichkeit auch nicht durch die heutige Praris weggeräumt worden seyn. Ueber das Wesen des Vertrages hat die Praris keine Macht. Auch erwähnt Puchta eine solche abändernde Praris nicht.

$. 59.

I. Vertrag. B. Personen. Stellvertretung (Fortseßung). Zur Ergänzung der hier vorgetragenen Lehre von der Stellvertretung ist nun noch der davon wesentlich verschiedene, obgleich äußerlich ähnliche, Fall abzuhandeln, in welchem zwei Personen einen Vertrag schließen, aus welchem ein Recht oder eine Verpflichtung für einen Dritten dergestalt entstehen soll, daß dieser Dritte zu keinem der unmittelbar Handelnden in einem Verhältniß der Stellvertretung steht (§ 53).

Dieser Fall muß demnach so gedacht werden, daß Gajus dem Titius verspricht, Sejus folle eine Summe Geldes erhalten, oder umgekehrt, er solle eine Summe zahlen. Hätte nun Sejus Auftrag zu diesem Geschäft gegeben, so wäre der oben abgehandelte Fall der Stellvertretung vorhanden. Wir sehen aber jezt voraus, daß er keinen Auftrag gab, ja daß er Nichts von dem Geschäft wußte; hat dennoch dieser Vertrag Wirkungen? und welche Wirfungen?

In der einen Gestalt dieses Falles pflegt diese Frage nur in beschränkter Weise aufgeworfen zu werden, wenn nämlich der Dritte eine Verpflichtung übernehmen, etwa Geld zahlen foll; denn daß ihn dazu fremde Personen, ohne seinen Willen, nicht verpflichten können, versteht sich so sehr von selbst, daß dagegen gar kein Zweifel aufkommen kann. Darum wird dieser Sag nicht einmal erwähnt. Wohl aber

wird ausdrücklich bemerkt, daß auch Der, welcher die Handlung des Dritten versprach, nicht selbst verpflichtet sey (a). Der natürliche Grund liegt darin, daß er eine eigene Leistung gar nicht versprechen wollte, noch versprochen hat.

Anders verhält es sich mit der zweiten Gestalt jenes Falles. Wenn der Dritte ein Recht erhalten, wenn er 1 Geld empfangen soll, so könnte man wohl geneigt seyn, den Vertrag für gültig zu halten zum Vortheil des Dritten, also diesem Dritten ein Klagrecht einzuräumen. Die beiden = Contrahenten haben eingewilligt, und von dem Dritten könnte man wohl annehmen, daß er sich den ihm zugedachten Vortheil gern gefallen lassen werde.

Dennoch finden wir gerade für diesen Fall in unseren Rechtsquellen die entschiedene Regel, daß der Vertrag · schlechthin ungültig seyn soll; und zwar ungültig für den Handelnden, der dem Dritten den Vortheil zuwenden wollte, und ungültig für den Dritten, dem der Vortheil zugedacht war. Keiner von beiden soll aus dem Vertrag ein Klagrecht erwerben; nicht der Handelnde, weil er für sich kein Recht erwerben wollte, nicht der Dritte, weil Dieses nicht

(a) § 3 J. de inut. stip. (3.19), L. 38 pr. L.83 pr. de V. O. (45.1). Indessen kann ein solcher Vertrag auf zwei indirecten Wegen Wirksamkeit erhalten: 1) Wenn ich eine Strafe verspreche für den Fall, daß der Dritte die Handlung nicht vornehmen werde. § 21 J. de inut. stip. (3. 19), L. 38 § 2 de V. O.

(45. 1). 2) Wenn ich die Handlung des Dritten zu bewirken verspreche. Daraus entspringt gegen mich eine Klage auf das Interesse der unterbliebenen Handlung. §3 J. de inut. stip. (3.19), L. 14 §2 de pec. const. (13.5), L. 81 pr. L. 83 pr. de V. O. (45. 1), L. 19 ratam rem (46.8).

rechtlich möglich ist (b). Allerdings giebt es nicht wenige Ausnahmen von dieser Regel, aber die Regel selbst steht darum nicht weniger fest.

Wir wollen zuvörderst den Grund der Regel aufsuchen, von welcher so eben eingeräumt worden ist, daß leicht die entgegenstehende Regel erwartet werden könnte. Der Grund liegt darin, daß die Obligationen überhaupt, als Beschränkungen der natürlichen Freiheit, nur insoweit einen Rechtsschuß erhalten, als das Bedürfniß des Verkehrs denselben nothwendig erfordert; dieses Bedürfniß aber führt nur darauf, für den Handelnden, nicht auch für einen Dritten, Rechte zu begründen (c). Dieser Grund ist also wesentlich verschieden von der im älteren Recht höchst beschränkten Stellvertretung, so wie von der geschichtlichen Entwickelung, welche späterhin bei dieser Beschränkung eingetreten ist ($ 54).

Die Regel selbst ist in mehreren Stellen unserer Rechts

(b) L. 26 C. de j. dot. (5. 12) ,,nec sibi, cessante voluntate, nec tibi, prohibente jure, quaerere potuit actionem." L. 6 C. si quis alt. (4.50)...,,emti actionem nec illi, nec tibi quaesisti: dum tibi non vis, nec illi, potes."

(c) L.38 $ 17 de V. O. (45.1) ,,Alteri stipulari nemo potest

inventae sunt enim hujusmodi obligationes ad hoc, ut unusquisque sibi adquirat, quod

sua interest: ceterum, ut alii detur, nihil interest mea.“ (Die Stelle ist auch aufgenommen in den § 19 J. de inut. stip. 3. 19). Es steht dieses in Verbindung mit dem schon oben aufgestellten Sag, daß die Obligationen überhaupt feine Begünstigung genießen, f. o. B. 1. § 2. g. - Sehr ausführlich handelt von diesem rationellen Grunde unserer Regel DONELLUS Lib. 12 C. 16 § 9. 10.

quellen anerkannt (d). Die wichtigste derselben ist folgende Stelle des Paulus (e):

Quaecumque gerimus, cum ex nostro contractu originem trahunt, nisi ex nostra persona obligationis initium sumant, inanem actum nostrum efficiunt: et ideo neque stipulari, neque emere, vendere, contrahere, ut alter suo nomine recte agat, possumus.

Entscheidend für die Erklärung dieser Stelle ist die Auffassung der Worte: ex nostro contractu. Diese können nur heißen: wenn ich, in meiner eigenen Person, nicht als Stellvertreter eines Anderen, einen Vertrag schließe; denn wenn ich im Namen und Auftrag des Anderen handle, so ist es nicht noster contractus, da ich in diesem Fall nur minister oder nuncius des Anderen bin (f). Von solchen

(d) $4 J. de inut. stip. (3.19), GAJUS III. § 103, L. 38 § 17 de V.O. (45.1), L. 9 § 4 de reb. cred. (12. 1), L. 73 § 4 de R. J. (50. 17).

(e) L. 11 de O. et A. (44.7). (f) Vgl. § 57. b. c. Die Schriftsteller, welche die Möglich keit einer directen Stellvertretung überhaupt verneinen, beziehen diese gerade umgekehrt auf den Fall der Stellvertretung ($ 58. d.), und sehen darin einen Beweis, daß auch für die formlosen Verträge die Stellvertretung ausgeschlossen gewesen sey. So Mühlen bruch S 10, Puchta Vorlesungen

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