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Es ist aber gar kein Grund vorhanden, bei diesem höchst beschränkten Fall stehen zu bleiben. Wenn ich dem Boten sage, wovon die Rede ist, so daß er nicht das bloße Ja-Wort, sondern den vollständigen Inhalt meiner Willens erklärung überbringt, so ist derselbe nicht mehr ein bewußtloses Werkzeug (wie der Brief), wohl aber noch immer willenlos. Niemand wird zweifeln, daß dieser Vertrag noch immer als von mir selbst geschlossen gelten muß. Gesezt aber, ich trage dem Boten auf, den Preis wo möglich auf Neunzig herunter zu handeln, im Nothfall jedoch auf Hundert einzuwilligen, so ist der Bote schon nicht mehr völlig willenlos, da ihm eine gewisse Freiheit der Wahl eingeräumt ist. Dieser Fall nun steht, wenn auf Hundert abgeschloffen wird, völlig auf gleicher Linie mit dem vorhergehenden Fall; bei dem Abschluß auf Neunzig ist eine gewiffe Selbstthätigkeit des Vertreters sichtbar; dennoch wird schwerlich Jemand einen Unterschied beider Fälle zu behaupten versuchen, so daß in dem ersten Fall der Vertreter als bloßer Bote erschiene, mit directer Einwirkung auf den Vertretenen, im zweiten Fall aber als Bevollmächtigter, mit der Begründung von utiles actiones für und wider den Ver

tretenen.

Wir wollen nun noch einen Schritt weiter gehen. Ge= sezt, ich habe bei einem Pferdehändler mehrere Pferde gesehen, deren Jedes besondere Vortheile und Bedenken zu haben scheint. Ich gebe nun einem Bekannten, der mehr von Pferden versteht als ich, den Auftrag, für mich dasjenige Pferd

auszusuchen, das er für das passendste hält, und es in meinem Namen zu kaufen, wobei ich ihm auch mehr oder weniger Freiheit in der Bestimmung des Preises überlasse. Hier hat der Vertreter einen sehr freien Spielraum für sein Urtheil und seinen Willen. Schließt er nun für mich den Vertrag ab, so muß er dennoch unbedenklich eben so angesehen und beurtheilt werden, wie der bloße Bote in den vorigen Fällen, welchen Namen wir ihm übrigens beilegen mögen. Denn mein, auf manichfaltige Entschlüsse gerichteter Wille, zwischen welchen der Stellvertreter die Wahl haben soll, ift ja noch immer mein Wille, und der Stellvertreter selbst erscheint in allen diesen Fällen, der anderen Partei gegenüber, als der bloße Träger meines Willens.

Die Vergleichung dieser verschiedenen Fälle führt zu der Ueberzeugung, daß sie alle, juristisch betrachtet, eine ganz gleiche Natur haben. Es ist gleichgültig, ob der Stellvertreter der anderen Partei meinen einfachen Entschluß überbringt, oder vielmehr einen unter mehreren, von mir gefaßten, Entschlüssen, nach seiner eigenen, freien Auswahl. Es ist also gleichgültig, ob der Stellvertreter in dem Geschäft mehr oder weniger selbstthätig erscheint. Eine scharfe Gränze zwischen diesen höchst mannichfaltigen Fällen zu ziehen, ist ganz unmöglich, und es ist auch kein innerer Grund für den Einfluß einer solchen Gränze vorhanden. Denn in eben diesen Fällen wird der Vertrag von mir, durch meinen Willen, geschloffen, und der Stellvertreter ist blos der Träger dieses meines Willens. Daher entstehen für ihn aus

dem Vertrag weder Rechte noch Verpflichtungen (e), wohl aber entstehen dieselben unmittelbar für mich; und zwar ist Dieses ganz die Lehre des Römischen Rechts. Wenn also meine Gegner in diesem Sinn einen Unterschied zwischen dem Boten und dem Bevollmächtigten machen wollen, fo muß ich ihre Lehre entschieden verwerfen (f).

Dagegen muß allerdings von anderer Seite ein wichtiger Unterschied in den Fällen der Stellvertretung anerkannt werden, und die Verwechselung der beiden hier vorliegenden Gegenfäße erscheint mir als der wahre Grund der in dieser Lehre wahrnehmbaren Verschiedenheit der Meinungen.

Wenn ich überhaupt mit Hülfe eines Stellvertreters einen Vertrag abschließen will, so ist Dieses auf zweierlei Art möglich.

(e) Ich sage: aus dem Vertrag, so daß also die andere Partei den Stellvertreter weder verklagen, noch von ihm verklagt werden kann. Denn mir haftet allerdings der Stellvertreter aus dem Mandat, welches er redlich und mit gehöriger Vorsicht zu vollziehen hat.

(f) Ich drücke mich absichtlich problematisch aus: Wenn meine Gegner u. s. w., denn keiner unter ihnen hat den Begriff des nuncius, den sie sich gefallen laffen (weil er im Römischen Recht über

all zugelassen wird) genau bestimmt. Puchta's Ausdruck („Träger der Willenserklärungen“) ist mit meiner Auffassung völlig vereinbar. Dagegen scheint die geringschäßige Art, womit sie überall den nuncius nur beiläufig erwähnen und abfertigen, vielmehr auf die unrichtige Auffassung hinzudeuten, die ich oben im Tert zu widerlegen versucht habe. Buchka S. 206 drückt unter Allen am bestimmtesten die Gränze zwischen dem Boten und dem Stellvertreter aus, die ich hier bekämpfe.

Es kann geschehen erstlich in der Art, daß der Vertreter in meinem Namen auftritt, unterhandelt und abschließt. Das ist der bisher von mir vorausgeseßte Fall, wobei es ganz gleichgültig ist, ob ich dem Vertreter mehr oder weniger Freiheit und Selbstthätigkeit überlasse. Dann ent stehen gegenseitige Klagen unmittelbar zwischen mir und der Gegenpartei, so daß diese Gegenpartei mit dem Stellvertreter in gar kein Rechtsverhältniß kommt (g). Der Grund liegt darin, daß die Gegenpartei nur mich als ihren Contrahenten ansieht, den Stellvertreter nicht (h).

Es kann aber auch geschehen zweitens in der Art, daß der Stellvertreter in seinem eigenen Namen unterhandeln und abschließen soll, so daß, unserer Absicht nach, erst die späteren Folgen des Vertrags auf mich übergehen sollen.

(g) Es wird vorausgeseßt, daß sich der Vertreter in den Gränzen des ihm gegebenen Auftrags hält. Nach diesen Gränzen hat die Gegenpartei, wenn sie sicher gehen will, sich zu erkundigen, ganz wie bei den Verträgen mit einem magister øder institor (§ 54i.o.). (h) So wird es sich fast immer verhalten bei der Stellvertretung für ein einzelnes Rechtsgeschäft, wobei die wahren Contrahenten nicht daran denken werden, dem Stellvertreter Rechte einzuräumen, oder Verpflichtungen aufzulegen. Wenn in einzelnen, seltenen, Fällen die Gegenpartei den Stellvertreter mit in die Obligation hereinziehen will, so kann Dieses durch die

Uebernahme einer Correalschuld oder einer Bürgschaft geschehen. Bei einer viele Geschäfte umfassenden Vertretung, wie die des institor ist, wird es sich oft ganz anders verhalten. Hier wird vielleicht der dritte Contrahent nur den institor kennen, und ihm persönlich vertranen; das Eigenthum des Geschäfts kann unbekannten, entfernten Personen, vielleicht einer Societät, zustehen. Darum ist es hier der Natur des Instituts an= gemessen, daß der Dritte die Wahl hat zwischen der institoria gegen den Eigenthümer, und der Contractsflage gegen den institor. (Vgl. jedoch oben § 56.q.)

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Hier entstehen gegenseitige Klagen nur zwischen dem Dritten und dem Vertreter, nicht zwischen dem Dritten und mir, weil der Dritte gar nicht an mich dachte, nicht mit mir ein Geschäft eingehen wollte. Der Vertreter hat dann das eingekaufte Pferd an mich zu übertragen, das Kaufgeld von mir zu empfangen u. s. w.

Dennoch können auch in diesem zweiten Fall indirecte Klagen zwischen mir und dem Dritten entstehen. Ich klage gegen den Dritten mit der Contractsflage, die mir mein Stellvertreter cedirt und cediren muß; daher auch ohne wirkliche Cession mit einer utilis actio (i). - Der Dritte klagt gegen mich mit einer utilis actio, nach der Analogie der institorischen Klage; der Grund liegt darin, daß er mit feiner Contractsklage den Stellvertreter hätte zwingen können, ihm seine Regreßklage gegen mich (die actio mandati contraria) zu cediren.

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Will man den Gegensaß dieser beiden Fälle durch die Ausdrücke nuncius und procurator bezeichnen, so wäre dagegen an sich Nichts einzuwenden, nur ist damit nicht viel gewonnen, da diese Ausdrücke schwankend sind, und schwerlich eine allgemeine Anerkennung in diesem Sinn finden werden.

Bevor ich Stellen des Römischen Rechts anführe, die mit der hier aufgestellten Lehre übereinstimmen, muß ich aber noch die Bemerkung ergänzend hinzufügen, daß in den

(i) Vgl. oben B. 1 § 23 Nr. IV. S. 239 fg.

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