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nur allein auf eine Geldsumme, die der Verleger dem Verleßten zahlen mußte, wodurch also jener ärmer, dieser aber reicher wurde, als beide vor der Verlegung waren. Mehrere Gründe mögen zusammen gewirkt haben, diese Einrichtung zu treffen, und ihr eine bedeutende Ausdehnung zu geben. Der Geldgewinn sollte dem Verleßten den Antrieb geben, die Klage anzustellen, und so die Strafe im öffentlichen Interesse der Gerechtigkeit zu bewirken. Die Privatrache sollte dadurch sicherer abgewendet werden.

Die Popularklagen hatten mit den eben erwähnten Fällen die Aehnlichkeit, daß der Beklagte dem Kläger eine Privatstrafe in Geld entrichten mußte (d). Sie beruhten aber nicht auf einer Obligation, indem in ihnen nicht zwei individuelle Personen, als Verlegter und Verlezer, gegen einander standen (e), sondern der Kläger eine allgemeine Bürgerpflicht ausübte, um irgend ein öffentliches Interesse (politisches, polizeiliches, sittliches) durch die Strafe zu schüßen (f). Wenn in einem Fall solcher Art eine einzelne

auf Talion, also ganz ohne Bereicherung (FESTUS v. Talio). Allein diese Strafen wurden sehr frühe abgeschafft, und nun waren nur noch Privatstrafen in Geld übrig.

anderen Fall kommt die ganze Strafe an den Staat. L. 3 de term. (47. 21).

(e) L. 11 L. 12 pr. de V. S. (50. 16). Wer eine actio ex delicto hat, ist deshalb Creditor des Gegners, wer eine Klage ex populari causa hat, ist es nicht, wird es jedoch durch die Litiscontestation, weil diese eine Obligation erzeugt.

(d) Es kommt jedoch ein Fall vor, worin die Strafe von Hundert aurei halb an den Kläger, halb an die Staatscaffe, gezahlt wurde, nämlich bei der Verleßung des Sc. Silanianum. L. 25 § 2 (f) L. 1 de pop. act. (47.23) de Sc. Silan. (29. 5). In einem ,,Eam popularem actionem

Person besonders verlegt und betheiligt war, so blieb die Klage dennoch eine Popularklage, und es hatte nur der Betheiligte das Recht, jedem nichtbetheiligten Kläger, der sich gleichzeitig zur Klage meldete, vorgezogen zu werden (g).

Ueber die Richterbehörden ist für unseren gegenwärtigen Zweck nur Folgendes zu bemerken. Für Verbrechen und öffentliche Strafen hat im Römischen Staat das Richteramt nach und nach sehr verschiedene Formen angenommen, und häufig gewechselt. Zur Zeit der ausgebildeten Republik bestand eine Anzahl von Volksschlüssen, welche für einzelne Verbrechen die Form des Verfahrens unter besonderen Prätoren, und großentheils auch die Strafe, festsezten. Diese Gerichte hießen publica judicia, die an fie gewiesenen Verbrechen publica crimina. Neben denselben aber stand eine stets wachsende Zahl von Verbrechen, deren freiere Behandlung durch den Ausdruck extraordinaria crimina bezeichnet wurde.

Völlig verschieden waren in dieser Hinsicht die Strafklagen, und zwar sowohl die aus den Delictsobligationen, als die Popularklagen. Beide wurden vor den gewöhnlichen Civilgerichten verhandelt, also vor denselben Gerichten, wie die Streitigkeiten über Eigenthum und Contracte.

dicimus quae suum jus populi tuetur“. L. 43. § 2 de proc. (3. 3.).,, In popularibus actionibus, ubi quis quasi unus ex populo agit"... Es kommen davon folgende Fälle vor: L.7—9 de jurisd. (2. 1), L. 5 § 6. 13

de his qui effud. (9. 3), L. 3 pr. § 10. 12 de sep. viol. (47. 12), L. 3 pr. de term. (47. 21), L. 40-42 de aedil, ed. (21.1).

(g) L. 3 § 1 L. 6 de pop. act. (47.53).

Sie standen daher unter der Leitung der Civil-Prätoren, und in dem Verfahren derselben traten weit weniger Veränderungen ein, als in dem Verfahren über öffentliche Verbrechen und Strafen.

Noch wichtiger für unseren Zweck, als die Richterbehörden, sind diejenigen Personen, welchen der Anstoß zum Strafverfahren zusteht. Dabei läßt sich im Allgemeinen eine zweifache Einrichtung denken. Jener Anstoß kann in die Hände öffentlicher Beamten gelegt werden (so wie es sich in neueren Zeiten gestaltet hat), er kann aber auch den Privatpersonen überlassen bleiben (h). Dieses Lezte war die alte Römische Einrichtung. Sie bestand für die Anklage wegen der öffentlichen Verbrechen und Strafen, welche als gemeinsame Bürgerpflicht angesehen wurde, jes doch so, daß in manchen Fällen ein bei dem Verbrechen bes theiligter Ankläger vor jedem nichtbetheiligten den Vorzug verlangen konnte, wenn sich beide gleichzeitig zur Anklage meldeten. Dieselbe Einrichtung bestand um so mehr bei den Strafklagen aus Delictsobligationen, welche natürlich nur von dem Verlegten erhoben werden konnten. Sie bestand aber eben so auch bei den Popularklagen, und auch hier wieder mit einem Vorzug des betheiligten Klägers vor dem nichtbetheiligten (Note g).

Allerdings finden sich im neueren Römischen Recht auch schon Fälle vor, in welchen die Bestrafung von Ver

(h) Vgl. System B. 1 § 9 Note c.

brechen durch öffentliche Beamte veranlaßt werden konnte; jedoch erscheint diese Einrichtung nur in beschränkter Weise, und nur als Ausnahme von der Regel (i).

Wenn wir das hier dargestellte Verhältniß der Privatstrafen aus den Delictsobligationen, zu den öffentlichen Strafen aus Verbrechen, mit einem Gesammtblick überschauen, so liegt der wesentliche Unterschied nicht in der Geldstrafe, da diese auch bei manchen öffentlichen Verbrechen, vorkommt (k); auch nicht in der Bereicherung des Klägers, die sich eben so bei den Popularklagen findet, welche außerdem mehr Verwandtschaft haben mit den Anklagen wegen der öffentlichen Verbrechen. Der wesentliche Unterschied liegt vielmehr darin, daß der Anstoß zum Strafverfahren bei den Delictsobligationen nicht auf eine gemeinsame Berechtigung und Verpflichtung aller Bürger gegründet wird, sondern auf den freien Entschluß des Verlegten, in dessen Willkür es steht, die Strafe einzuklagen oder fallen zu laffen, der darin also eine Art von Begnadigungsrecht ausüben kann.

(i) Biener Beiträge zur Geschichte des Inquisitions - Processes Cap. 2.

(k) Beispiele: L. 2 § 2 de L. Julia de ann. (48. 12), L. 4 § 5 ad L. Jul. pecul. (48. 13), L. 6 $2 eod., L. 13 eod.

Unter der Kaiserregierung trat eine wichtige Veränderung in dem System der Privatstrafen ein, und zwar scheint dieselbe schon ziemlich frühe angefangen zu haben, indem sie zur Zeit der classischen Juristen schon als abgeschlossen erscheint. Die Privatstrafen mußten oft als unzureichend erscheinen, wenn nämlich der Verleher eine ehrlose und unbemittelte Person war (1); zugleich mußte ein Beweggrund derselben, die Verhütung der Privatrache, als vermindert erscheinen, je mehr sich die Staatsanstalten entwickelten, und mildere Sitten allgemeiner wurden. Daher trat nun folgende neue Einrichtung an die Stelle der bisher dargestellten, die von alter Zeit her bestanden hatte. Jeder, der eine Privatstrafe aus einem Delict fordern konnte, sollte nunmehr die Wahl haben, entweder diese Klage, so wie bisher, vor dem Civilrichter geltend zu machen, oder vor dem Criminalrichter als Ankläger für ein extraordinarium crimen aufzutreten. Wählte er diesen leßten Weg, so mußte ihm in jedem Fall der Criminalrichter zunächst den Ersatz des zugefügten Schadens (z. B. die Rückgabe der gestohlenen Sache) verschaffen; es stand aber ganz in dem Ermessen des Richters, welche öffentliche Strafe er außerdem verhängen wollte. Der Weg der Strafflage vor dem Civilrichter war nunmehr ausgeschloffen (m).

(1) L. 35 de injur. (47.10). ,, Si quis injuriam atrocem fecerit, qui contemnere injuriarum judicium possit ob infamiam suam et egestatem: prae

tor acriter exequi hanc rem debet, et eos, qui injuriam fecerunt, coercere".

(m) L. 56 $1 de furtis (47.2.)

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