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auf das wirkliche Leben nachgewiesen werden. Unabhängig davon aber werden sich mehr oder weniger zufällige Mängel oder Hindernisse denken lassen, deren Daseyn, da wo sie sich finden, auch unter Vorausseßung jener positiven Bedingungen, die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts ganz oder theilweise ausschließt. Man könnte die Abwesenheit solcher denkbaren zufälligen Hindernisse als negative Bedingungen der Rechtsgeschäfte bezeichnen. Es würde jedoch unlogisch seyn, und die gründliche Einsicht in die wahre Natur der Rechtsverhältnisse mehr stören als fördern, wenn man diese negativen Bedingungen, die eine ganz erceptionelle Natur_haben, mit jenen positiven zusammenstellen, und beide als gleichartig behandeln wollte. Ein solches unlogisches Verfahren muß ich den Vertheidigern der hier vorliegenden Lehre vorwerfen, indem sie die möglichen Condictionen (indebiti u. f. w.) gegen eine Stipulation als Grund geltend machen, weshalb die Stipulation, als ein blos formales Geschäft, nur unter Vorausseßung einer causa als vollständig und vollgültig angesehen werden könne.

B. Die causa, als Erforderniß der Stipulation, wird von den Vertheidigern dieser Lehre auf die formale Natur der Stipulation bezogen, so daß sie eine Eigenthümlichkeit dieses formalen Geschäfts bilden soll. Die hierin liegende Behauptung aber wird dadurch völlig widerlegt, daß die causa, als angebliche Bedingung der Stipulation, welche in der Anfechtbarkeit der Stipulation durch die Condictionen, und durch die doli exceptio, bestehen soll, genau eben so

bei den materiellen Geschäften des älteren Rechts, nament lich bei den Consensualcontracten, vorkommt. Die alten Juristen stellen diese hierin mit der Stipulation durchaus auf gleiche Linie, ohne irgend einen Unterschied zwischen beiden zu machen (s). Damit fällt also auch die causa, als angebliche Eigenthümlichkeit des in der Stipulation enthaltenen formalen Geschäfts, hinweg, und so verschwindet auch noch der lezte Anhaltspunkt für die hier besprochene Lehre.

Manche haben noch eine besondere Unterstüßung derselben hernehmen wollen aus den in einer Stelle des Paulus enthaltenen Regeln über den Beweis der condictio indebiti, und zwar besonders aus dem lezten Stück dieser Stelle, welches für die cautio, quae indiscrete loquitur, vorschreibt, daß der klagende Glaubiger das Daseyn des der cautio zum Grunde liegenden Rechtsgeschäfts beweisen müsse (t). Dieses soll als ein Zeugniß dafür gelten, daß die Stipulation nur durch eine außer ihr liegende, besonders erweisliche, causa vollgültig werde. - Allein der größte Theil dieser, dem Paulus zugeschriebenen, Stelle gehört in der

(s) L. 5 $1 de act. emti (19. 1),, Sed et si falso existimans, se damnatum vendere, vendiderit, dicendum est, agi cum eo ex emto non posse, quoniam doli mali exceptione actor summoveri potest: quemadmodum, si falso existimans, se damnatum dare, promisisset,

agentem doli mali exceptione summoveret. Pomponius etiam incerti condicere eum posse ait, ut liberetur“.

(t) L. 25 de probat. (22. 3). Das im Tert angeführte lezte Stück dieser Stelle ist der $4 derselben.

That nicht dem Paulus an, sondern ist vielmehr als eine Justinianische Verordnung über den Beweis anzusehen, welche von den Compilatoren an diesem Orte eingerückt worden ist. Insbesondere das legte Stück (der $4) ist entnommen aus einer Constitution von K. Justin (u). Dieser Ursprung ist nun freilich für die geseßliche Kraft der hier niedergelegten Beweisregeln sehr gleichgültig, da die Stelle, so wie wir sie hier lesen, als unzweifelhafter. Bestandtheil der Justinianischen Rechtsbücher anzusehen ist. Dagegen ist jener Ursprung sehr zu beachten, wenn die Stelle über ihren unmittelbaren Inhalt hinaus (der blog den Beweis, also das Prozeßrecht, betrifft) so benut werden soll, wie es neuerlich versucht worden ist, um aus derselben ein Argument für das materielle Recht herzunehmen, nämlich eben für die hier besprochene Lehre von der für die Stipulation erforderlichen causa. Für eine solche Benußung würde die Stelle, wenn sie in der That von Paulus herrührte, eine ganz andere Autorität in Anspruch nehmen, als wenn wir sie, ihrem größten Theile nach, für eine zusammengesezte Interpolation, also für ein Werk der Compilatoren, halten müssen (v).

(u) L. 13 C. de non num. pec. (4.30).

(v) Die Meinungen über die hier besprochene Digestenstelle haben fich neuerlich so gestellt. Die Aechtheit derselben, als von Paulus herrührend, sucht zu vertheidigen: Gneist formelle Verträge

E. 198-209. Die Aechtheit wird bestritten von Windscheid Lehre von der Vorausseßung S. 192 — 202, und von Rudorff in den oben (Note a) angeführten Stellen. Die älteren Schriftsteller über diese Frage sind verzeichnet bei Gneist S. 205.

Zum Schluß dieser Untersuchung aber muß dem Urheber der hier angefochtenen Lehre von der causa, als einer nothwendigen Ergänzung der Stipulation (und unseres nudum pactum) das Zeugniß gegeben werden, daß er durch diese Lehre zu irrigen Rechtsregeln nicht geführt worden ist. Denn die rein praktische Seite der Lehre ist die Anfechtbarkeit der Stipulation wegen einer irrigen, oder überhaupt mangelhaften causa; diese nun ist ganz richtig, und wird auch von keiner Seite in Zweifel gezogen. Der ganze Streit hat also einen lediglich theoretischen Charakter, indem er die Stellung und Ableitung der Begriffe und Rechtsfäße betrifft. Damit soll aber keinesweges gesagt seyn, daß die hier besprochene Frage gleichgültig, oder auch nur von geringer Erheblichkeit wäre, da es voraus nicht zu übersehen ist, wie weit ein irrig eingeschlagener Weg, wie der hier vorliegende, führen kann.

§. 79.

I. Vertrag. D. Wirkung.

Verstärkte Wirkung.

Die regelmäßige Wirkung des Vertrags, als der nor male Zustand deffelben, ist bisher dargestellt worden (§ 72 bis 78). Es bleibt nun noch übrig, nach zwei Seiten hin

die Abweichungen von diesem normalen Zustand hinzu zu fügen, welche theils in einer Verstärkung, theils in einer Schwächung der regelmäßigen Wirkung des Vertrags bestehen können (§ 72),

Eine verstärkte Wirkung kann erzeugt werden durch folgende Zusäße, die dem Vertrag willkürlich beigegeben werden können.

1. Arrha.

2. Conventionalstrafe.

3. Eid..

4. Pfand.

5. Accefforische Verträge.

1. Arrha.

Nicht selten wird bei dem Abschluß eines Vertrages von Einer Partei an die Andere etwas darauf gegeben, meist in Geld bestehend, möglicherweise auch in irgend einer anderen Sache (a). Dieses ist in der Regel als ein Zeichen des völlig abgeschlossenen Vertrages zu betrachten, hat also durch Privatwillkür in einzelnen Fällen dieselbe Bestimmung, welche im Allgemeinen die Römische Stipulation, als ein formeller Vertrag, hatte (b).

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