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genstand des Vertrags einen höheren Geldwerth hat, als Fünfzig Thaler, ist eine schriftliche Abfassung erforderlich (p). Für viele einzelne Fälle wird die gerichtliche Eingehung des Vertrags erfordert. Die Vorschrift der schriftlichen Abfaffung ist darin strenger, als die der Römischen Stipulation, daß von derselben weder die Consensualcontracte ausgenommen sind, noch auch, in allgemeiner und durchgreifender Weise, die Realcontracte.

Das Oesterreichische Gesezbuch enthält keine so allgemeine Vorschrift, wie das Preußische Recht, wohl aber die Vorschrift von Formen für manche einzelne Geschäfte (q).

Aehnlicher dem Preußischen Recht ist das Französische bürgerliche Gesetzbuch, indem es für alle Verträge, welche einen höheren Geldwerth, als Hundert und Fünfzig Franken, zum Gegenstand haben, eine schriftliche Urkunde erfordert, also den Zeugenbeweis ausschließt (r).

Wenn wir diese formellen Vorschriften neuerer Geseze mit dem Römischen Recht vergleichen, so finden wir darin großentheils die Vortheile wieder, welche oben der Römischen Stipulation zugeschrieben worden sind ($ 74). Sie ge währen auf der einen Seite noch mehr Vortheil, indem sie

(p) Allg. L. R. Th. 1 Tit. 5 S 131, genommen aus einem Edict vom J. 1770.

(q) So z. B. erfordert das Schenkungsversprechen eine schriftliche Urkunde. Oesterr. Gefeßbuch S. 943.

(r) Code civil art. 13411348. Nur bei einem commencement de preuve par écrit ist eine Ergänzung durch Zeugenbeweis zulässig.

den leichten und sicheren Beweis des Vertrags befördern, auf welchen die Römische Stipulation nicht berechnet war.

Auf der anderen Seite aber ist ihr Vortheil geringer, indem sie die Natur willkürlicher Vorschriften an sich tragen, also nicht so, wie die Römische Stipulation, mit der lebendigen Sitte und dem Bewußtseyn des Volkes im Zusammenhang stehen.

Darin aber ist besonders ein großer Vorzug des Römischen Rechts zu behaupten, daß in demselben die Folgen der fehlenden Form der Stipulation, also die Wirkungen des nudum pactum, durch die ausgebildete Lehre der naturalis obligatio genau bestimmt sind, anstatt daß in den neueren Gesezen dieser Fall meist schwankend und unbestimmt gelassen ist.

§. 78.

I. Vertrag. D. Regelmäßige Wirkung.

(Fortseßung).

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Heutiges Recht

Durch die hier angestellte Untersuchung über die formellen und formlosen Verträge, die Römische Stipulation und den Ersaß derselben im heutigen Recht (§ 72-77), könnte der Gegenstand an sich als erledigt angesehen werden. Es ist aber über denselben neuerlich eine, großentheils abweichende, Lehre aufgestellt worden, deren scharfsinnige und gelehrte Vertheidigung ihr nicht wenig Aner

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kennung zugewendet hat (a). Dadurch wird hier ein literarischer Anhang zu der eben beendigten Untersuchung nöthig, zu welchem ich mich nunmehr wende.

Die erwähnte neue Lehre läßt sich in folgenden Grundzügen darstellen.

Die Stipulation, als ein blos formales Geschäft, kann zwar an sich schon eine Klage begründen; für ihren praktischen Erfolg aber, der in der Zuwendung einer Forderung an das Vermögen des Glaubigers besteht, bedarf ste der Ergänzung durch eine causa, das heißt durch einen Rechtsstoff, welcher sie an irgend ein materielles Rechtsverhältniß anknüpft. So mag es in der älteren Zeit noch nicht gewesen seyn, sondern erst seit der Zeit, in welcher man die rein formale Richtung verließ, und anfing, sich mit dem materiellen Bestande der Rechtsverhältnisse zu beschäftigen; Dieses geschah theils durch die Juristen, in der Ausbildung der Condictionen, theils durch den Prätor, vermittelst der doli exceptio.

Was hier von der Behandlung der Stipulation bei den Römern gesagt ist, muß völlig eben so auf den formlosen Vertrag im heutigen Recht gelten, da dieser für uns

(a) Liebe die Stipulation Verträge, zweite Abtheilung S. 113 Braunschweig 1840 § 7. 8. 29. Ihm haben sich mehr oder weniger vollständig angeschlossen: Puchta Pandekten § 257, Vorlesungen § 257, Institutionen B. 3 § 271 Num. 4, und Gneist die formellen

-230. Rudorff in den Anmerkungen zu beiden Stellen von Puchta hat sich gegen diese Lehre erklärt. Eben so Windscheid Lehre von der Vorausseßung

S. 198.

die Stelle der Römischen Stipulation eingenommen hat, und deshalb gleichfalls die Natur eines rein formalen Rechtsgeschäfts an sich trägt (b).

Fragen wir nun ferner, worin die causa, oder der Rechtsstoff bestehen kann, der zur Ergänzung der Stipulation (und eben so unseres nudum pactum) hinzutreten muß, so haben wir denselben in einer der drei Classen zu suchen, auf welche sich alle Vermögenszuwendungen zurückführen lassen. Diese heißen: donare, solvere, credere, und jede Stipulation muß daher, um völlig gültig und wirksam zu seyn, geschloffen werden: donandi causa, solvendi causa, oder credendi causa (c).

Was nun zuvörderst die hier aufgestellte Classification der Vermögenszuwendungen betrifft, so ist diese schon früher zu anderen Zwecken versucht worden. Unterholzner hat fie aufgestellt, um die Arten der justa causa aufzuzählen, wodurch die Tradition fähig werde, als Grundlage einer Ersizung zu dienen (d). Dann hat sie Meyerfeld be

(b) Hierüber ist zu vergleichen: System B. 5 § 224 Note f. Die im Text bemerkte Ausdehnung jener neuen Lehre auf den formlosen Vertrag des heutigen Rechts, veranlaßt mich, die gegenwärtige kritische Prüfung zum heutigen Recht zu stellen, obgleich die Ver

theidiger jener Lehre zunächst von der Stipulation zu reden pflegen.

(c) Ueber das credere in Verbindung mit der Stipulation ist zu vergleichen: System B. 5 Beilage XIV. Num. X. b.

(d) Unterholzner Verjäh rungslehre B. 1 § 108.

nuzt, um der Lehre von der Schenkung eine gehörige Stelle in dem gesammten Rechtssystem anzuweisen (e.) Liebe zuerst hat sie angewendet, um sie als Begründung und Bedingung des formalen Vertrags, als unentbehrliche causa der Stipulation, dienen zu lassen.

Indem ich mich jezt zur Prüfung der eben erwähnten neuen Lehre wende, muß ich an eine Bemerkung erinnern, die ich vor längerer Zeit an einem anderen Orte vorgetragen habe (f). Es gehört unter die wichtigsten Mittel, eine gründliche Einsicht in das Rechtssystem zu fördern, wenn der innere Zusammenhang, die Verwandtschaft, erforscht und dargelegt wird, worin die Rechtsbegriffe und Rechtsregeln zu einander stehen; diese Art der Forschung ist um so ergiebiger, je verborgener oft solche Verwandtschaften sind, und je länger sie sich daher dem Bewußtseyn der Rechtslehrer entzogen haben. Auf der anderen Seite aber giebt es auch nicht selten einen täuschenden Schein solcher Verwandtschaften, welcher nothwendig irre führt; einen solchen Schein aufzudecken, und dagegen zu warnen, fördert gleichfalls die richtige Einsicht, wenngleich nur in negativer Weise.

Für die vorliegende neue Lehre nun, deren Prüfung jezt unternommen werden soll, finden sich drei Punkte der

(e) Meyerfeld die Lehre von (f) System B. 1 Vorrede den Schenkungen B. 1 S. 29. G. XXXVI. XXXVII. 425. Vgl. System B. 4 §143 Note o.

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