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alle Personen, in welchen eine gewiffe Eigenschaft sich findet ; ein Verhältniß, welches nicht nur an sich auf die verschiedensten Personen anwendbar ist, sondern auch in der Zeit stets wechseln, also von einer Person auf die andere übergehen kann. Um dieses eigenthümliche Verhältniß gleich hier anschaulich zu machen, will ich den wichtigsten Fall der Anwendung angeben. Es sind die Papiere auf den Inhaber, in welchen das Recht des Glaubigers nicht an eine bestimmte Persönlichkeit geknüpft ist, sondern an ein gewisses Verhältniß zu einer Urkunde. Worin dieses Verhältniß bestehe, ob in irgend einer Art des Besizes, oder in Eigenthum, wird an seinem Ort besonders zu untersuchen seyn, muß also hier vorläufig dahin gestellt bleiben.

Ich wende mich jezt zur Untersuchung der Abweichungen erster Art, welche in der möglichen Einwirkung eines Vertrags auf dritte Personen besteht.

Gleich im Eingang dieser schwierigen und beftrittenen Lehre muß auf den eigentlichen Siz der Schwierigkeit aufmerksam gemacht werden. Es ist hier die Rede von zwei an sich verschiedenen Fällen, deren Verschiedenheit unter zweideutigen Ausdrücken sich verbirgt. Die neueren Schriftsteller haben meist diese zwei Fälle nicht gehörig unterschieden. Auch die Römischen Juristen sind hierin nicht frei von Unbestimmtheit und Verwechselung. Die klare und vollständige Einsicht in das richtige Verhältniß wurde

aber besonders dadurch erschweri, daß beide Fälle eine gewiffe Verwandtschaft mit einander haben, und auf manchen Bunkten in einander übergehen.

Der erste Fall ist der der Stellvertretung. Dieses wichtige Verhältniß kommt nicht blos bei den Verträgen vor, sondern auch bei vielen anderen freien Handlungen, und es ist daher schon anderwärts von mir dargestellt worden (b). Hier aber ist, in Anwendung auf die Verträge, die Einwirkung derselben auf dritte Personen nur scheinbar, und es kann in der That nur die Rede seyn von einer besonderen Form, in welcher die zum Vertrag nothwendige freie Handlung vorgenommen wird. Wenn Titius dem Gajus den Auftrag giebt, in seinem Namen von Sejus ein Haus zu kaufen, und wenn dieser Auftrag vollzogen wird, so sind die wahrhaft handelnden Personen Titius und Sejus, die | Contrahenten und die Parteien sind dieselben Personen, und eine Einwirkung des Vertrages auf dritte Personen kann in Wahrheit nicht behauptet werden. Das Eigenthümliche des Falles besteht vielmehr nur darin, daß Titius, | der seine Willenserklärung durch mündliche Rede oder durch einen Brief aussprechen konnte, zu diesem Zweck einen Dritten als Mittelsperson gebraucht hat, so daß dieser Dritte nur als ein Organ des wahren Contrahenten Titius

(b) System B. 3 § 113. Da selbst ist auch schon eine kurze Uebersicht gegeben worden für die

Anwendung der Stellvertretung auf die obligatorischen Verträge.

in Betracht kommt, und für sich selbst zu der Obligation

in gar keiner Beziehung steht.

Wenn

Der zweite Fall betrifft die Einwirkung eines Vertrags auf dritte Personen ohne Stellvertretung. Gajus mit Sejus einen Vertrag dahin abschließt, daß Titius an Gajus Hundert zahlen, oder daß er von Gajus Hundert empfangen soll, und wenn Titius von diesem Versprechen Nichts weiß, also dazu keinen Auftrag gegeben hat, so sind ganz gewiß Gajus und Sejus allein die Handelnden, die Contrahenten; dagegen soll, nach dem Inhalt des Vertrags, Titius Schuldner (oder Glaubiger) seyn. Daher fallen hier die Contrahenten mit den Parteien nicht völlig zusammen, vielmehr soll der Vertrag auf eine dritte, den Contrahenten fremde, Person einwirken.

So sind also diese beiden Fälle an sich von einander völlig verschieden. Jeder derselben soll nunmehr besonders untersucht werden (c); daraus werden sich dann zugleich ihre Berührungen ergeben, und insbesondere auch die eigenthümlichen Veranlassungen für die Römischen Juristen, sie weniger streng aus einander zu halten, als es wünschenswerth war.

Da jedoch der zweite Fall nur durch seine Beziehung zu dem ersten, und als Gegensaß deffelben, eine gewisse Wichtigkeit hat, so sollen hier, der einfacheren Bezeichnung

(c) Der erste in den § 54-58, der zweite im §. 59.

wegen, beide Fälle unter dem gemeinsamen Gesichtspunkt der Stellvertretung zusammen gefaßt werden.

S. 54.

I. Vertrag. B. Personen. Stellvertretung.

Schriftsteller.

H. GIPHANII lecturae Altorphinae p. 562 sq. (ad L. 11

de O. et A.).

DONELLUS Comm. de j. civ. Lib. 12 C. 16-19.

Comm. ad tit. de V. O. Francof. 1577 f., fol. 76-94 (in L. 38 § 17 de V. 0.).

Mühlenbruch Cesston der Forderungsrechte § 9—14, ́ 3te Ausg. 1836 S. 85 — 147.

Puchta Pandekten, und Vorlesungen, § 273–279.

Cursus der Institutionen B. 2 § 203. n.

Wangerow S. 289-299.

H. Buchka die Lehre von der Stellvertretung bei Eingehung von Verträgen. Rostock und Schwerin 1852.

8.

Hier findet sich zugleich (§ 15 u. fg.) eine sehr reichhaltige Zusammenstellung der Meinungen älterer und neuerer Schriftsteller.

Die Zulässigkeit und Wirksamkeit der Stellvertretung bei obligatorischen Verträgen ist schon an einem anderen Orte, und zwar in größerem Zusammenhange, von mir dargestellt worden (a).

Eine bloße Verweisung auf diese frühere Darstellung genügt aber hier nicht, vielmehr ist jezt eine zweifache Ergänzung nöthig. Erstlich durch die Hinzufügung der einzelnen Momente in der Entwickelung jenes Rechtsinstituts, welche dort nicht an ihrer Stelle gewesen wäre. Zweitens durch die Rechtfertigung der dort aufgestellten Ansichten im Widerstreit gegen die abweichenden Ansichten neuerer Schriftsteller.

Die Hauptsäße der von mir aufgestellten Lehre, die ich noch jezt für völlig richtig halte, sind folgende.

A. Kinder in väterlicher Gewalt, und eben so auch Sklaven, sind fähig, durch die von ihnen geschlossenen obligatorischen Verträge, dem Hausvater Forderungen zu erwerben, also ihn dadurch zu bereichern.

B. Diese Folge ihrer Handlung ist nicht blos möglich, sondern nothwendig. Sie ist unabhängig von ihrem eigenen Willen; unabhängig von dem Bewußtseyn und dem. Willen des Hausvaters (b); unabhängig von den dabei gebrauchten Ausdrücken (c).

(a) System B. 3 § 113. (b) L. 62 de V. O. (45.1) Servus vetante domino si pecuniam ab alio stipulatus

sit, nihilominus obligat domino promissorem."

(c) Es ist gleichgültig, ob der Sclave in der Stipulation sagt:

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