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müssen, so daß die eine nur um der anderen Willen, und mit ihr zugleich bestehend, zu denken ist, weshalb beide nur zwei Hälften eines und desselben Rechtsgeschäfts bilden. Diese Art des Vertrags erscheint in dem Kauf, der Miethe, der Societät.

In der Mitte zwischen beiden Arten stehen einige Verträge, die zunächst, nach ihrer allgemeinen Natur und Bestimmung, nur einseitig sind, worin aber zufällig eine gegenseitige Obligation, die außer dem Zweck des Vertrages liegt, hinzutreten kann. Die Römer bezeichnen diesen Fall durch eine verschiedene Benennung der beiden Klagen, indem die wesentliche Klage als directa, die zufällige als contraria actio, bezeichnet wird. Sogar das Bedürfniß einer contraria actio ist von zufälligen Umständen abhängig, indem der Zweck derselben oft ohne Klage, durch bloße Abrechnung, also durch eine Erception, erreicht werden kann (k). Fälle der Anwendung dieses in der Mitte stehenden Falles finden sich in dem Commodat, Depositum, Mandat.

Der Vollständigkeit wegen kann noch bemerkt werden, daß die hier angegebene Verschiedenheit nicht blos bei den Verträgen, sondern auch bei anderen Geschäftsobligationen (den Quaficontracten), vorkommt.

3. Auf den beabsichtigten äußeren Zweck, also auf die nicht juristische Seite des Geschäfts, bezieht sich die Unterscheidung der Verträge, welche dazu bestimmt sind, aus

(k) L. 18 § 4 commod. (13. 6).

schließend den Vortheil Eines Theiles zu befördern, von den Verträgen, welche den Vortheil beider Theile bezwecken.

Ein Vertrag der ersten Art muß immer zugleich ein einseitiger Vertrag sein. Der einseitige Vortheil wird meist in einer Bereicherung, d. h. einer Erweiterung des Vermögens, bestehen, so wie bei dem Schenkungsversprechen (1); doch ist diese Art des einseitigen Vortheils nicht die einzig mögliche. Bei dem Depositum z. B. wird der ursprüngliche Geber nicht reicher, aber er erhält den Vortheil der sicheren und bequemen Aufbewahrung durch einen Anderen (m).

Ein Vertrag der zweiten Art (mit beabsichtigtem Vortheil nach beiden Seiten) kann seyn ein einseitiger, wie das verzinsliche Darlehen, oder auch ein zweiseitiger, wie der Kauf und der Miethvertrag.

Zur Bezeichnung dieser zwei Arten der Verträge ge= brauchen neuere Schriftsteller nicht selten die Ausdrücke : conventio lucrativa (auch gratuita) und onerosa, Allein diese Ausdrücke sind durch Römischen Sprachgebrauch nicht zu rechtfertigen. Wir können blos umschreibend sagen, daß die erste Art der Verträge auf Wohlwollen oder Liberalität beruht, jedoch nur unter besonderen hinzutretenden Bedingungen, also nicht allgemein, die Natur einer Schenkung an sich trägt (n).

(1) Vgl. System B. 4 § 157.
(m) Vgl. System B. 4 § 143.

(n) Vgl. System B. 4 § 143.

Folgende Eintheilungen der Verträge sind zwar an sich richtig und erheblich, ihre Erörterung aber gehört nicht an diese Stelle.

So die Eintheilung in stricti juris und bonae fidei contractus. Diese bezieht sich lediglich auf die Unterscheidung der aus den Contracten entspringenden Klagen, fällt also völlig zusammen mit der an einem anderen Orte vollständig dargestellten Lehre von den actiones stricti juris (condictiones) und bonae fidei (0). Hier muß nur gewarnt werden vor einer möglichen Verwechselung dieser Eintheilung der Verträge mit der so eben (unter Nr. 1) dargestellten Eintheilung in legitimae und juris gentium conventiones. Diese beiden Eintheilungen sind durchaus nicht als identisch zu betrachten, da sie auf ganz verschiedenen Gründen beruhen. Auch gehört z. B. das Darlehen entschieden dem jus gentium an (Note d), und es ist eben so gewiß ein stricti juris contractus, indem es eine Condiction • erzeugt (p).

Eine fernere Eintheilung der Verträge in förmliche (formelle) und formlose kann erst weiter unten, bei der Wirkung der Verträge, ihre wahre Stelle finden (§. 72 u. fg.); der allgemeinere Grund zu dieser Eintheilung ist

(0) System B. 5 § 218–220, und Beilage XIII. XIV.

(p) Die so eben gerügte Verwechselung kann eine verführende Unterstüßung finden in der sehr verbreiteten, aber unbegründeten,

Meinung, nach welcher die b. f. actiones einer neueren Rechtsbildung angehören sollen, als die stricti juris. Vgl. System B. 5 S. 116, 489. 638.

bereits an einem anderen Orte (in der Lehre von den Willenserklärungen) gelegt worden (q). Von dieser Eintheilung aber kann schon hier bemerkt werden, daß sie allerdings in einem inneren Zusammenhang steht mit der oben erklärten Unterscheidung der legitimae und juris gentium conventiones.

Die Röntische Unterscheidung der Verträge, welche contractus oder bloße pacta sind, kann nicht hier, sondern erst bei den Wirkungen der Verträge, erklärt werden.

S. 53.

I. Vertrag. B. Personen. Einleitung.

Die Rechtsregeln, welche die in den obligatorischen Verträgen auftretenden Personen betreffen, sind großentheils so allgemeiner Natur, daß sie über die Lehre von diesen Verträgen weit hinaus reichen, und daher schon an anderen Orten dargestellt werden mußten (a). Einige dieser Rechtsregeln beziehen sich jedoch ganz eigentlich und ausschließend auf die obligatorischen Verträge, und für die Darstellung derselben ist eben hier die richtige Stelle.

Um die Natur dieser Regeln, und zugleich das Bedürfniß derselben, anschaulich zu machen, ist es nöthig, den obligatorischen Vertrag in seiner einfachsten Gestalt, die zugleich die häufigste ist, aufzufassen. Wenn Gajus von

(q) System B. 3 § 130. (a) System B. 2 (Rechtsfähigkeit), System B. 3 § 106-112 (Handlungsfähigkeit). Einige

Ergänzungen der Lehre von der
Rechtsfähigkeit in Beziehung auf
Obligationen finden sich in dem
Obligationenrecht B. 1 § 6.

Sejus ein Haus kauft, so erscheinen als handelnd gerade dieselben Personen, unter welchen die Obligation bestehen soll; eben so, wenn Gajus, Sejus und Mevius (oder auch noch Mehrere) eine Societät schließen. Die in dem Vertrag thätigen Personen also sind völlig dieselben, welche in der Obligation als Parteien auftreten. Die Contrahenten und die Parteien sind dieselben Personen.

Ferner sind alle diese Personen bestimmte, bekannte, einzelne Menschen; sie erscheinen nach beiden Seiten als Individuen bestimmt, nicht blos vermittelst irgend einer allgemeinen Eigenschaft, die an sich in ganz verschiedenen Individuen wahrgenommen werden könnte.

In beiden Beziehungen aber giebt es Fälle, in welchen der obligatorische Vertrag von der so eben bemerkten einfachsten Gestalt abweicht.

Eine Abweichung der ersten Art wird darin bestehen, daß die Contrahenten und die Parteien nicht durchaus dieselben Personen sind. Gehen wir dabei aus von den sichtbar thätigen Personen, die wir vorläufig als die Contrahenten betrachten, so können wir diesen Fall so bezeichnen, daß der Vertrag seine Wirkungen auf dritte Personen äußere, so daß diese dritte Personen dadurch Glaubiger oder Schuldner werden.

Eine Abweichung der zweiten Art besteht darin, daß der Vertrag und die daraus entspringende Obligation nicht nach beiden Seiten auf individuell bestimmte Personen zu beziehen ist, sondern vielmehr nach der einen Seite auf

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