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erforderlich (a), ja nicht einmal möglich, weil aus der Urkunde die Person eines bisher Berechtigten, welcher cediren könnte, nicht ersichtlich ist. Daher fallen denn auch die Schwierigkeiten der Cession hinweg, insbesondere die Einwendungen, die bei der Cession aus der Person eines früheren Berechtigten hergeleitet werden können (§ 62. 63. 64).

Die eben aufgestellte Regel ist auch ganz unabhängig von der Streitfrage über die Person des wahren Berech tigten (8 66). Denn wer die Berechtigung, so wie es hier geschehen ist, an das Eigenthum der Urkunde knüpft, muß die Uebergabe für die- wahre Form der Uebertragung des Rechts halten. Eben so muß aber auch Der, welcher nicht den Eigenthümer, sondern den thatsächlichen Bestßer, für den wahrhaft Berechtigten hält, dieselbe Regel annehmen, weil auch der Besiz an sich, unabhängig von dem Eigenthum, dem Anderen durch die Uebergabe verschafft wird.

II. Vindication der Papiere auf den Inhaber. Wir betrachten diese zuerst rein vom Standpunkte des Römischen Rechts aus. Hier kann es keinen Zweifel haben, daß die Vindication eines solchen Papiers, so wie jeder anderen Sache, dem wahren Eigenthümer gegen jeden Besizer unbedingt zusteht, auch gegen den redlichen Besizer,

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$ 401.

Ebenso im Oesterreichi:

(a) Wird ausdrücklich aner- § 401. kannt im Allgem. Landrecht 1. 11 schen Gesetzbuch § 1393.

und ohne Diesem das etwa ausgelegte Kaufgeld zu ersegen (b).

Diese Regel ist auch ganz unabhängig von der Streitfrage über die Person des wahren Berechtigten oder Glaubigers (§ 66). Denn auch Die, welche die Berechtigung gegen den Schuldner an den thatsächlichen Besit, nicht an das Eigenthum der Urkunde, anknüpfen, wollen damit nicht die Möglichkeit dieses Eigenthums, so wie die gewöhnlichen Folgen deffelben, verneinen; sie behaupten nur, daß das Eigenthum an dem Papier für die Stellung des wahren Inhabers, also für die Berechtigung gegen den Schuldner, gleichgültig sey.

Die hier aufgestellte Behauptung hat denn auch mehrere Vertheidiger gefunden (c).

Dagegen haben die meisten Schriftsteller die Anwendung der Vindication auf jene Papiere, der Regel nach, verneint; sie haben sie nur als Ausnahme zugelassen für den Fall, wenn der Beklagte ein unredlicher Besizer ist, wohin auch namentlich der Depositar gerechnet wird, der die Rückgabe der ihm anvertrauten Papiere verweigert (d).

Wir wollen diese Ausnahme am Schluß der Untersuchung noch besonders erwägen, zunächst aber die als Regel

(b) L. 23 C. de rei vind. (3. 32), L. 2 C. de furtis (6. 2). (c) Phillips Deutsches Recht § 73 der 3. Ausg., Mittermaier §. 74 Num. III., KIND quaest. for. T. 3 C. 26.

(d) Mühlenbruch Cession S. 460. 461, Eichhorn Deutsches Recht § 191. d., Gönner §. 70, Bender §. 67, Souchay I S. 149-155, Dunker S. 49, Thōl. § 55.

angenommene Ausschließung der Vindication einer Prüfung unterwerfen.

Die Ausschließung der Vindication wird auf folgenden Grund gestüßt. Der freie und leichte Verkehr mit diesen Papieren soll das überwiegende Interesse aller Betheiligten seyn. Daher sey bei der Ausgabe und der Erwerbung derselben stets die stillschweigende Uebereinkunft aller Theile anzunehmen, daß keine strenge Vindication gelten solle.

Diese Voraussetzung ist zunächst sehr willkürlich und gewagt. Wenn man die einzelnen Glaubiger um ihre Meinung befragen wollte, so würde sich bald das oben (8 66) angegebene entgegengesezte Interesse herausstellen, und es ist sehr zweifelhaft, ob die Mehrzahl die Gefahr, durch unvorsichtigen Ankauf, einer Vindication zu unterliegen, höher anschlagen würde, als die Gefahr, durch Diebstahl den Besiß zu verlieren, und dann die Vindication gegen den dritten Besizer zu entbehren. Oft wird es leichter seyn, durch Vorsicht bei dem Ankauf jeden Schaden abzuwenden, als dem Verlust durch Diebstahl oder Raub vorzubeugen.

Es kommt aber hinzu, daß selbst ein ausdrücklicher Verzicht auf die Vindication (der doch bei der Abfaffung jener Papiere so leicht anzubringen wäre) mit den Regeln des Römischen Rechts über das Eigenthum im Widerspruch stehen würde. Das Eigenthum kann durch gewisse anerfannte jura in re, wie die Servituten, modificirt werden; eine Modification des Eigenthums durch bloße Privatwill

für ist unmöglich, indem sie dem jus publicum widerspricht (e). Das heißt, eine solche Uebereinkunft kann nur eine obligatorische Wirkung haben unter den Contrahenten und ihren Rechtsnachfolgern, aber keine dingliche Wirkung gegen dritte Personen, wie es doch für die Ausschließung der Vindication erforderlich seyn würde.

Hieraus folgt, daß, selbst wenn die Vorausseßung der Gegner richtig und unzweifelhaft wäre (welches ich verneine), doch nach unserem gemeinen Recht die daraus gezogene Folgerung nicht behauptet werden könnte. Es würde dann höchstens als räthlich befunden werden können, die Vindication durch ein neues Gesez auszuschließen.

Die einzige Zuflucht für die Meinung der Gegner würde etwa noch in der Annahme eines allgemeinen Gewohnheitsrechts bestehen, welches die Vindication ausschlöffe; allein diese Annahme erscheint durch die oben angegebenen inneren Gründe höchst bedenklich, und wird auch schwerlich in übereinstimmenden Aussprüchen der Gerichte eine äußere Bestätigung finden.

Ich komme nun zurück auf die Ausnahme, wodurch die Gegner ihre Regel beschränken wollen, indem sie die Vindication gegen den unredlichen Besizer zulassen. Auch diese Ausnahme muß ich als inconsequent, als eine halbe Maaßregel, verwerfen. Wäre die Regel der Gegner richtig, so würde es folgerecht sein, die Vindication unbedingt

(e) L. 17 de R. J. (50. 17), L. 61 de pactis (2. 14). Vgl. System B. 1 § 16 . 58.

auszuschließen, und den Eigenthümer der Papiere auf die persönliche Klage gegen den Dieb, den Depositar u. f. w. zu verweisen, welche ohnehin keinen Zweifel haben kann. — Als Grund für die Ausnahme wird die angeblich allgemeine Regel angeführt, daß Niemand durch seinen Dolus einen Vortheil erlangen dürfe. Allein dieser Saz ist nur allgemein wahr im Obligationenrecht, nicht im Sachenrecht, da der unredliche Käufer einer Sache das Eigenthum, ungeachtet seines Dolus, erwirbt, und auf einen neuen Käufer wirksam überträgt (f). Der wahre Grund jener Ausnahme liegt in einer principlosen Billigkeit. Wenn das Papier bei dem Dieb oder dem Depositar gefunden wird, so soll dem Eigenthümer durch die Vindication sicher geholfen werden, anstatt daß er, bei der persönlichen Klage gegen den Dieb, in dessen Concurs vielleicht ganz oder theilweise ausfallen würde (g).

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Aus den eben ausgeführten Gründen müssen wir uns überzeugen, daß, im Gebiete unseres gemeinen Rechts, die Vindication bei den Papieren auf den Inhaber angewendet werden muß, und zwar ganz in dem Sinne, welchen das Römische Recht mit der Vindication verbindet. Ihre Anwendung ist eben so ausgedehnt, wje die oben dargestellte Natur des wahren Inhabers oder. Berechtigten bei jenen

(f) L. 10 C. de resc. vend. (4.44). NOODT de forma emend. doli mali C. 15.

(g) Vgl. hierüber, bei Gelegen

heit eines Sächsischen Gesezes: KIND quaest. for. T. 3 C. 26. Ferner: Phillips §. 73 Note 7.

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