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II.

Beiträge zur Kritik und Erklärung verschiedener Schriftsteller.

Tibull 1, 4, 43 f. finden wir in der neuesten verdienstlichen Ausgabe Hillers (1885) so wiedergegeben:

quamvis praetexens picea ferrugine caelum

venturam admittat nubifer eurus aquam.

Die Stelle ist bekanntlich längst und auch in unserer Zeit viel besprochen und umstritten, vgl. z. B. Bährens Tibull. Blätter S. 87, Leo in den philolog. Untersuchungen von Kiessling und Wilamowitz-Möllendorff II, 18, Leonhard de codicibus Tibullianis S. 64. Ich stimme im Ganzen zu Hiller's Fassung, vgl. meine Bemerkung über das picea der Itali (statt picta A) in der Zeitschrift f. österreich. Gymnas. 1879 S. 347 und für das zuerst von Balbus hergestellte eurus (statt arcus A) könnte man ausser dem bereits von M. Haupt Opusc. I, 346 Beigebrachten auch formell im Versschlusse ähnliche Stellen vergleichen, wie Ovid Heroid. 7, 42:

aspice ut eversas concitet eurus aquas.

Einen Heilungsversuch möchte ich hier nur für admittat in der tibull. Stelle vorschlagen, worüber Hiller selbst im philolog. Anzeiger XIV, S. 32 sich äusserte, dass eine wirklich passende Parallelstelle dafür in solchem Gebrauche noch Niemand beigebracht habe und dass auch die kurze Bemerkung Leonhard's hierüber ohne Belang sei. Und in diesem

Punkte schien mir auch schon Bährens 1. c. berechtigte Zweifel ausgesprochen zu haben. A überliefert bekanntlich amiciat statt admittat; daraus würde sich paläographisch noch einfacher und leichter alliciat ergeben, welches auch für den Sinn so ziemlich oder wol besser dasjenige enthalten dürfte, was die meisten Erklärer nach Scaliger z. B. Heyne, Huschke, Dissen in dem durch ,concitare" oder, accelerare" erklärten admittat suchten. Der Wolken oder Sturm bringende Wind lockt ja den kommenden Regen herbei, d. h. beschleunigt seinen Ausbruch. Bei Ovid locken Bewegung und Wein den Schlummer herbei; vgl. Fast. VI, 681 alliciunt somnos tempus motusque merumque.

Im Panegyricus Messalae 175 f. (Tibull IV, 1, 175 f.) möchte ich für die von L. Müller (1870) und Bährens (1878) bevorzugte, neuestens aber mehrfach wieder in Zweifel gezogene Fassung:

ergo ubi per claros ierint tua facta triumphos,
solus utroque idem diceris magnus in orbe

eine Bemerkung einfügen. Auszugehen ist an dieser viel umstrittenen Stelle wol noch immer davon, dass ierint Lesart des alten fragmentum Cuiacianum ist, während die Variante poscent der erhaltenen vollständigen Handschriften nicht über das 14. Jahrhundert hinauf verfolgt werden kann. Es ist nun bei so verschiedenen Buchstabenverhältnissen schon an sich schwer denkbar, dass das ierint des älteren und geschätzten Fragmentes 1) einfach eine Corruptel des erst seit dem 14. Jahrhundert für uns nachweisbaren poscent sein sollte; noch klarer aber dürfte die Sache werden, wenn wir das unmittelbar Vorhergehende heranziehen. Da lautet die Ueberlieferung praeclaros und per claros stellte erst Scaliger mit Rücksicht auf die ohnehin häufige und bei den Verhältnissen dieser tibullischen Ueberlieferung doppelt erklär

1) Vgl. darüber nun auch Hiller in seiner Ausgabe p. VI.

liche Verwechslung zwischen prae und per wieder her. War nun aber einmal praeclaros in den Handschriften vorherrschend geworden, so ist es leicht begreiflich, wie dann allmählich dem in solcher Verbindung auffallenden ierint Erklärungen und Erleichterungen der Construction beigefügt wurden und auf diese Weise dürfte wol das auffallende poscent gegenüber ierint entstanden und in die Texte gedrungen sein, so dass sich im ersten Verse dann die Lesart bildete:

ergo ubi praeclaros poscent tua facta triumphos. Zu Allem aber kommt noch und das ist mir hier die Hauptsache, dass die auffallende ältere Lesart ierint mit der bei den tibullischen Ueberlieferungsverhältnissen, wie gesagt, doppelt annehmbaren vorangehenden Herstellung Scaligers per claros auch durch die römische Sitte selbst erklärt und gerade dadurch erst so recht beleuchtet wird, wie bei dem Vergessen derselben an einer durch kleine paläographische Versehen ohnehin schon einmal angetasteten Stelle Erleichterungsversuche von selbst sich weiter entwickeln konn

ten.

Erinnern wir uns nämlich an die oft erwähnte Sitte, dass im Triumphe auch Abbildungen der berühmtesten Thaten des Triumphators mitgeführt wurden, so werden wir uns bei einem Dichter dieser Art die Phrase ubi per claros ierint tua facta triumphos leicht erklären können.

Man vergleiche zur Sache beispielshalber nur die Stellensammlung in Pauly's Real-Encyclopädie VI2, 2150. Dissen, der im Commentar S. 420 sich auch bereits zu der hier vertheidigten Lesart neigte, hat in auffallender Weise den eigentlichen Kernpunkt der Erklärung vermieden und mit allgemeinen Phrasen operirt und darum ist es begreiflich, dass auch in neuester Zeit derselbe übersehen wurde, z. B. in der früher genannten, sonst trefflichen Abhandlung von Leonhard.

Ovid Heroid. 4, 137 liest die Ueberlieferung mit cod. P an der Spitze:

nec labor est. celare licet. pete munus ab illa.

Die Lesart, welche mit obiger Interpunction auch noch in Merkel's Ausgabe sich findet, wird jetzt mit Recht als unhaltbar bezeichnet. Der verdiente neueste Herausgeber Sedlmayer, bei dem man im krit. Commentar (Wien 1880 S. 19) und in der grösseren Ausgabe (Wien 1886 S. 26) das Wichtigste zusammengestellt findet, hat Palmers Conjectur (London 1874 S. 35) aufgenommen :

nec labor est celare, licet peccemus, amorem.

Die Herstellung peccemus aus pete munus wird Jedem als eine wahre Emendation erscheinen müssen, das schliessliche amorem aber will mir gegenüber den Schriftzeichen des cod. P. etwas zu frei vorkommen. Ich denke an leichte paläographische Herstellung auch im Schlusse, im engsten Zusammenhange mit dem folgenden Pentameter:

nec labor est celare, licet peccemus, et illa
cognato poterit nomine culpa tegi.

Dabei vergleiche ich noch Metam. IX, 558, welche Partie auch sonst mehrfach Verwandtes mit der unserigen zeigt, namentlich in den Worten: tandem ut sit causa timendi, Dulcia fraterno sub nomine furta tegemus. Nachdem an der Heroidenstelle peccemus zu pete munus verderbt war, lag es nahe in Erinnerung an A. A. II, 575 (pete munus ab ipsa) das et illa in ab illa zu verwandeln. Die Entwicklung des Verderbnisses wäre so gewiss einfacher zu erklären; die Ergänzung des Objectes zu celare ist hier so selbstverständlich, dass ein Bedenken in dieser Beziehung gegenüber allem Anderen nicht Ausschlag geben kann.

Ovid Heroid. 5, 68

femineas vidi corde tremente genas

genas ist im Zusammenhange dieser Stelle allerdings überraschend und kaum richtig, wie nach Bentley auch Riese und

Sedlmayer hervorhoben; aber mit einer Aenderung in comas, woran man in neuester Zeit unter Anderem dachte, schiene mir auch nicht viel gewonnen. Die Liebende hatte schon beim Erblicken des Schiffes des Geliebten aus der Ferne einen Purpur bemerkt, der nicht dessen eigener Schmuck sein konnte, und daraus schlimme Ahnung geschöpft; jetzt kommt das Schiff näher und sie soll femineas genas oder comas sehen? Man erwartet nach dem ganzen Zusammenhange doch vielmehr, dass der früher erwähnte verdächtige Purpur, den der Geliebte nicht zu tragen pflegte, sich jetzt wirklich als ein weibliches Kleid entpuppte. Dieser Erwartung würde etwa entsprochen durch die Herstellung

femineos vidi corde tremente sinus,

die sich nach manchen Verhältnissen in dieser Ueberlieferung auch paläographisch nicht zu schwer erklären dürfte. Und verglichen könnte werden Heroid. 14, 51 purpureos laniata sinus, wo eben purpureos sinus auch durch Purpurgewänder erklärt werden muss. Vgl. auch Magnus zu Metam. I, 267.

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Ovid Heroid. 7, 45 ist es schwer, aus den Schriftzeichen des cod. P non ego sum tanti quid non censeris inique eine sichere Emendation herzustellen und man findet darum den Vers trotz mancher Versuche noch in neuester Zeit mit dem Zeichen des Verderbnisses versehen. (Vgl. Sedlmayer Wien 1886 S. 45). Deshalb wird eine weitere Vermuthung um so mehr auf billige Beurtheilung rechnen dürfen. Ich erinnerte mich bei dieser Stelle wiederholt an den eigenthümlich ovidianischen Gebrauch der Phrase censeri de aliquo , als zu Jemand gehörig betrachtet werden" ex P. II, 5, 73; III, 1, 75. Letzterer Passus scheint mir besonders bezeichnend:

hoc domui debes, de qua censeris, ut illam

non magis officiis quam probitate colas.

A. Zingerle, philolog. Abhandl. 1V.

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