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Menschen nöthige Festigkeit erlangen; nach einigen heiteren Tagen, während welcher die Mittagssonne den Schnee schmelzen und die Nachtfröste denselben wieder frieren machten, glaubte ich den Erfolg gesichert.

Der Berg, dem es galt, war der Hochschwab, und zwar wollte ich ihn von Buchberg aus besteigen, und auch dorthin zurückkehren. Die Partie ist von dort aus am schnellsten auszuführen, da an ein Uebernachten oben, bei dem Umstande, dass die meisten Hütten verschneit sind, und der Ungewissheit, ob in denselben Holz vorhanden, nicht zu denken ist.

Jedoch der December 1866 und der Januar 1867 vergingen, ohne das ersehnte Wetter zu bringen. Fortwährendes Schneegestöber, dann wieder Regen und Sirocco erweckten schon Besorgnisse in mir, ob es in diesem Winter überhaupt noch möglich sein werde, meinen Plan auszuführen.

Endlich gegen die Mitte Februar schien es besser werden zu wollen; das Barometer stieg bedeutend; ein paar wolkenlose Tage, an denen es selbst im Mürzthale unter Tags stark thaute, und das Thermometer in der Frühe 7 bis 80 Kälte zeigte, mussten den Schnee oben in die gehörige Verfassung versetzt haben.

Leider waren zwei Mitglieder des Alpenvereines aus Bruck an der Mur, welche die Absicht gehabt hatten, die Partie mit mir zu unternehmen, eben daran verhindert, und so sah ich mich am Abende des 15. Februar 1867 allein in Buchberg beim Jäger Berger, welcher schon früher seine Bereitwilligkeit, als Führer zu dienen, erklärt hatte. Auch er war vom Erfolge überzeugt, ja sogar von der Idee begeistert, der Erste zu sein, welcher zu dieser Jahreszeit seinen Stock auf das Haupt des Schwaben setzen werde. Von anderer Seite erhielt ich wenig Aufmunterung. Die meisten Personen meinten, es wäre ein Unsinn, oder wir würden nicht weit kommen, oder mit erfrornen Gliedern und Nasen zurückkehren.

Noch am Abende des 15. Februar holte Berger aus einem benachbarten Bauernhause einen Knecht, welcher uns begleiten und für den Fall eines Unwetters einige Kotzen u. dgl. tragen sollte.

Nach einigen Stunden der Ruhe und einem ausgiebigen Frühstück von Caffee und Sterz brachen wir am 16. Februar nach drei Uhr Morgens auf. Es war empfindlich kalt, der Schnee knirschte unter den Füssen; allein am Himmel zeigte sich keine Wolke, also die beste Aussicht auf glücklichen Erfolg.

Ich

Das im zweiten Jahrbuche des österreichischen Alpenvereines von Herrn Johann Füster so schön geschilderte Buchbergthal` machte in der hellen Winternacht einen ganz eigenthümlichen imposanten Eindruck. beneidete keinen derjenigen, die sich vielleicht im nämlichen Augenblicke, in dem glänzenden Staube und Dunste eines mit tausend Kerzen erleuchteten Diana- oder Sofiensaales befanden. Die Lichter, welche hier brannten, waren schöner, und was sie beleuchteten, noch viel tausendmal bewunderungswerther, als die Decorationen der Wände und der Schmuck der Menschen in jenen Räumen.

Am Jagdhause des Stiftes Lambrecht vorüber, wendeten wir uns beim Bodenbauer rechts in das Traunwiesenthal; durch das sogenannte Gehackte aufzusteigen wäre jetzt, wo viele schlechte Stellen durch Glatteis noch gefährlicher sein mussten, Tollkühnheit gewesen. Sind ja doch einmal bei einer Jagd im Herbste selbst fünf Gemsen, welche eben durch das Gehackte entkommen wollten, auf dem Eise abgestürzt, eine willkommene Beute den damaligen Jagdbesitzern, welchen es nur um Gewinnung von möglichst viel Fleisch mit den geringsten Mühen und Kosten zu thun war. Glücklicherweise erfreut sich das Gemswild jetzt auf dem ganzen Schwabenstocke einer vernünftigen Hege, wie zahlreiche Rudeln der schönen Thiere beweisen, welche wir sahen.

Beiläufig in der Hälfte des Traunwiesenthales erhebt sich links eine steile Schutthalde, das Rauchthal zwischen Beilstein und Stangerwand. Im

Sommer ist der Anstieg beschwerlich, wegen des groben Gerölles und dichten Krummholzgestrüpps; jetzt lag dieses tief unter dem Schnee, auf dessen glatter, festgefrorner Oberfläche wir mit einiger Vorsicht und Steigeisen leicht die Höhe des Plateau's erreichten.

Bevor wir noch ganz oben waren, ging die Sonne auf; es wird nicht leicht sein, im Sommer eine solche Beleuchtung und solche Pracht der Färbung zu sehen, als wir sie bei diesem Sonnenaufgang zu schauen hatten.

Oben angekommen, blies uns ein scharfer Nordwind entgegen; doch bald machte die Sonne ihre wohlthuende Wirkung fühlbar. Wir wendeten uns rechts, um hinter der Stangerwand über den Kasten dem Hochschwab selbst zuzusteuern. Nun kamen einige Stellen, an denen das Glatteis, womit die schiefe Schneefläche bedeckt war, das Weiterkommen erschwerte; der Weg, welchen wir verfolgten, zieht sich an der Lehne von einigen unregelmässig geformten, aber ziemlich steilen und tiefen trichterförmigen Vertiefungen hin, welche am ganzen Plateau des Hochschwab ziemlich häufig sind und demselben ein eigenthümliches Aussehen verleihen; wenn nun auch nicht geradezu gefährlich, so wäre ein Hinabrutschen in eine derselben doch unangenehm gewesen. Desshalb war Vorsicht nöthig.

Um 912 Uhr war der Gipfel erreicht; der Schnee war nicht sehr tief und steinhart, stellenweise seine Oberfläche mit einer Eiskruste bedeckt, die vollkommene Wellen, wie ein vom Winde leicht gekräuseltes Wasser, bildete; das Thermometer zeigte im Schatten -8°, in der Sonne in geschützter Lage12° Reaumur. Die Aussicht war nach allen Seiten vollkommen rein, nicht eine Wolke zu sehen, und der Himmel blau-schwarz, wie ich ihn nie zuvor, selbst nicht vom Vesuv gesehen hatte. Nach viertelstündigem Aufenthalt ging es heimwärts; Anfangs ganz gut. Später fingen wir an immer tiefer und tiefer in den Schnee einzusinken; sehr mühsam war das Hinabkommen vom Plateau auf die Sohle des Traunwiesenthales; die Sonne brannte lästig heiss, wie im Sommer (+ 27° R. an der Wand eines Felsens), und hatte den Schnee so durchweicht, dass wir bis zu den Hüften, öfter auch bis zu den Achseln einsanken und uns gegenseitig heraus helfen mussten. In der Thalsohle war es ganz fest gefroren.

Um 3 Uhr waren wir wieder in Buchberg, höchst befriedigt und auch ein Bischen stolz auf den glücklichen Erfolg unserer Expedition.

Eines schönen Anblickes muss ich noch erwähnen, welchen Niemand haben kann, der die Berge nur in ihrem Sommerkleide kennt. Es sind diess die Eiszapfenbildungen; freilich in etwas anderem Maassstabe als sie an unseren Dächern erscheinen.

Ein im Sommer unscheinbar herabsickerndes Wässerchen wird jetzt die Quelle des grossartigsten Naturschauspiels; der schmelzende, von den Wänden niedertropfende Schnee trägt das Seine dazu bei, um grosse Flächen von Felswänden mit den schönsten Eisgebilden, Tropfsteinen gleich, zu verzieren. Ich sah ganze zu Eis erstarrte Wasserfälle von riesigen Dimensionen, an deren Basis sich die herabgefallenen Eistrümmer viele Klafter hoch aufgethürmt hatten. Die grossen Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht, Sonne und Schatten, erzeugen diese Erscheinungen, welche sich den schönsten Naturbildern an die Seite stellen lassen.

In wissenschaftlicher Beziehung wäre es vielleicht interessant, wenn derlei Besteigungen im Winter öfter ausgeführt würden, um über die Verhältnisse der Teinperatur, die Ab- oder Zunahme derselben nach der Höhe auch in dieser Jahreszeit Aufschlüsse zu erhalten. Vielleicht findet im Winter ein umgekehrtes Verhältniss, als im Sommer statt, nämlich Zunahme der Temperatur nach aufwärts, während des Tages, Abnahme während der Nachtzeit. Die neuen Glaisher'schen Versuche scheinen diess auch darzuthun (vid. Petermann's geographische Mittheilungen, XI. Heft 1866).

Robert Baron Walterskirchen.

Die Raducha in den Sulzbacher Alpen. Es war der 7. October 1864, als ich den Kurort Neuhaus bei Cilli in Untersteiermark verliess, um das höchst interessante Raducha-Gebirge, welches vereinzelt sich erhebt und zu dem Sulzbacher Stock gehört, zu ersteigen. Der Weg führt durch liebliche Weingärten über St. Johann, dessen Pfarrhof auf einem mächtigen Felsen von Kalksinter erbaut ist, in das herrlich gelegene Schallthal, weiterhin passirt man den nett gelegenen Marktflecken Schönstein und durchwandert das kleine Packthal, nach Prassberg, links geniesst man die Ansicht von Boskovetz oder der Golding-Alpe, rechts schaut man den Dabrol und GrossRagacz, sowie den Sannfluss entlang, bis zur Ausgang-Station Laufen, wo von weitem die Raducha schon hervortritt. Zwei Wege führen auf den Rücken der Raducha, der eine von Leutschdorf, der andere von Laufen aus; ich wählte den letzteren, weil am kürzesten und bequemsten; er ist daher künftigen Besteigern zu empfehlen.

Nach einer Strecke von einer Stunde am linken Sannufer verliess ich mit meinem Führer das Sannthal; nach zweistündigem Marsche erreicht man den letzten Bauer Michael Kleuntz unter der Raducha, wo zugleich auch Nachtstation gehalten wird; hat man keine Nahrungsmittel mitgenommen, so ladet der freundliche Wende den Wanderer zu seinem frugalen Nachtessen ein, das grösstentheils das ganze Jahr hindurch aus Kraut, Rüben, Milch und Erdäpfel besteht, denn Fleisch wird bloss dreimal des Jahrs gegessen; nach beendetem Mahle winkt eine einfache Ruhestätte, die auf einer Leiter erklommen werden muss, denn sie ist nichts Anderes als der Heuboden, wo sich's nach einem zehnstündigen Marsche recht gut ruhen lässt. Früh 6 Uhr verliess ich die Alpenwirthschaft; nach einer einstündigen Fahrt erreicht man die letzte Halterhütte, die einzige auf dieser Seite; dicht neben der Hütte rieselt eine kleine Quelle hervor, welche klar und frisch im Juli, vielleicht im August schon wieder versiegt ist.

Umsonst würde der lechzende Wanderer auf der ganzen Südostseite des Gebirges nach einem Tropfen Wasser spähen. Oberhalb der Halterhütten hört jeder Fusssteig auf, schroffe Guttensteiner Dolomitfelsen liegen wie durcheinander geworfen umher und versperren den Weg, dass man nur mühsam weiter kommt; die Vegetation wird gleichzeitig so spärlich, dass nur hier und da frisches Pflanzengrün das Auge erfreut. Nach anderthalbstündigem Klettern erreicht man den weit gestreckten Rücken der Raducha, oder wie die Bauern hier gemeiniglich sagen, der Radko, dessen höchster Punkt 6489 W. F. hoch ist. Die Aussicht, welche man hier oben geniesst, umfasst ein weites Gesichtsfeld: in Westen die Karavankenkette mit dem Mittagskogel, Obir, Petren und als Ausläufer den Ursulaberg; im Norden die hohe Rinka mit ihren Abzweigungen, Kotschna, Grintouz; im Süden die Oistriza, Scherbina und Podvesha; im Osten aber das herrliche Sannthal; die Tauernkette, die ebenfalls von hier manchmal sichtbar, war heute in Wolken gehüllt. An Alpenpflanzen war nichts mehr zu finden, da die Jahreszeit zu weit vorgerückt war, obgleich sonst der Botaniker auf diesem Gebirge eine reiche Ausbeute machen könnte; nur ein Exemplar des herrlichen Edelweiss, Gnaphalium leontopodium, kam mir unter. Dennoch fühlte ich mich reichlich belohnt für die Mühen des Weges; leider hatte ich die Aussicht vor mir, einen vierstündigen Rückweg zu nehmen, der bei dem Umstande, als schon frischer Schnee gefallen, nicht besonders angenehm zu werden versprach. Den Rücken entlang gelangt man zu einer Senkung, wo ebenfalls ein Weg herunterführt, der aber in Folge des Schneefalles nicht mehr zu passiren war; ohngefähr 20 Klafter von der Senkung liegt das sogenannte Thörl zur Abfahrt; die Steigeisen wurden angelegt, über loses Gestein ging es thalabwärts, der Abstieg wurde merklich gefährlich, bis mein Führer mir Halt gebot, er konnte keinen festen Fuss mehr fassen; das ganz mit Schnee bedeckte Gestein kollerte die Thalwand hinab bei jedem Einsetzen des Berg

stockes; so musste ich mich zur Umkehr entschliessen, mühsam krochen wir dieselbe Strecke auf allen Vieren hinauf um sie südöstlich zu umgehen. Kurz darauf verlässt man Steiermark und betritt das benachbarte Land Kärnten, denn ein Theil der Westseite des Gebirges gehört zum Bleiburger Bezirk in Kärnten; der Fussweg war sehr beschwerlich, denn eine ziemliche Strecke entlang muss man sich gebückt unter den Zweigen der Erlen, die der frische Schnee tief bis zur Erde niederbeugt, selbst den Weg bahnen. Mühsam erreicht man endlich das Thal, wo das Auge wieder freundlichen Gehöften und Weilern begegnet. Nach einer kurzen Rast und mit der frohen Aussicht, in 21/2 Stunden Sulzbach zu erreichen, verliessen wir die Mittagstation und pilgerten fort, bis wir wieder auf heimatlichen Boden gelangten; vor uns erhebt sich in ihrer ganzen Pracht die weit hin gestreckte Raducha, gegenüber aber die vielgezackte Oushova oder der Schafberg; keine ihrer Seitenansichten nimmt hier sich so imposant aus, als eben die Westseite mit ihren senkrecht abstürzenden Wänden; in heller Mondnacht erscheint sie geisterbleich in faltigem Silbertalare, einem Riesenpriester gleich, der im Schweigen. der Einsamkeit dem Herrn sein stilles Opfer bringt.

Nach Uebergang eines kleinen Sattels erblickt man in der Ferne die Thurmspitze von Sulzbach, das Eldorado der Touristen; bald darauf sitzt man im Stübchen bei der netten Wirthin Frau Sturm und vergisst die Mühen des Tages bei einem wohlbesetzten Mittagstisch. Paul Weszther.

Streifzug durch Nordtirol. Jenen Freunden und Freundinnen der Alpenwelt, die nicht den Willen oder die Kraft haben, himmelaufragende Berge zu erklimmen oder Gletscher zu überschreiten, möchte ich eine Tour empfehlen, die ich voriges Jahr mit meiner Frau machte, und die, meist auf gebahnten Wegen, doch des Schönen, Lieblichen und Grossartigen gar Vieles bietet.

Der Ausgangspunkt ist Innsbruck, die freundliche Hauptstadt Tirols. Man fährt durch das Oberinnthal entweder über Zirl, Telfs, Silz, Imst, oder über Zirl, Telfs und Obermiemingen an dem prächtigen Kalkgebirgszuge des Solsteins und der Hohen Mundi vorbei nach dem in enger Schlucht düster daliegenden Nassereit. Bald hinter dieser Station beginnt eine Reihe der lieblichsten Bilder, die bis zur nächsten Station Lermoos über den Fernpass (3918 nach Schaubach) in buntem Wechsel einander folgen. Man thut wohl, bis auf die Höhe des Passes der alten verfallenen Strasse nachzugehen. Da ist zuerst das alte Schloss Fernstein, dessen Thorbogen und Hof man passirt, ihm gegenüber liegen auf einem, von zwei kleinen lieblichen Seen umflossenen, bewaldeten Hügel die Trümmer der alten Sigmundsburg. Dann weiter zwei grössere grünblaue Gebirgsseen, und auf einmal tauchen gespensterhaft die weisslichen Zacken des grossartigen Kalkgebirgszuges, des Wettersteins mit der Silberleiten, dem Waxenstein, Sonnenspitz etc. und der Zugspitze auf, die, als wir den hübschen Ort Bieberwier, in dessen Nähe der Silberund Bleibergbau, Silberleiten noch in gutem Betriebe steht, passirt hatten, und in Lermoos, mit seinem guten Gasthause zur Post. ankamen, im herrlichsten Roth der untergehenden Sonne glühten. Wahrlich ein unvergessliches Bild! Denn dieser Kalkgebirgsstock ist durch seine Höhe einer der bedeutendsten der Kalkalpen, durch seine kühnen, bizarren Formen einer der schönsten und prächtigsten, die ich kenne, und dürfte seinen Rivalen, der Dachstein- und Berchtesgadner-Gruppe, der Gruppe der übergossenen Alpe, der Reitalpe, des Loferer Steinberges etc., beinahe den Rang ablaufen, obgleich die Zugspitze sich von hier aus nicht so schön präsentirt wie von Partenkirchen. Von Innsbruck bis hieher ist es eine bequeme Tagreise. Die ziemlich weite Thalmulde zwischen Lermoos und dem gegenüberliegenden Ehrwald ist offenbar der ganzen Configuration nach ein ehemaliges Seebecken.

Von dem Wege zwischen Lermoos und der nächsten Station Reutte kann ich wenig sagen, da es regnete; er scheint ganz hübsch, jedoch ohne bedeutende Bilder zu sein. Als wir gegen die Ehrenberger Klause kamen. die mit den Trümmern ihrer oft bestürmten Burg äusserst malerisch auf einem Felsenhügel liegt (die neue Strasse passirt nicht mehr die Klause), klärte sich der Himmel, und gar lieblich lag in dem weiten Thale, dessen freundlicher Anblick nur durch die häufigen Kiesbänke, welche der nicht genug regulirte Lech bildet, etwas gestört wird, der stattliche Markt Reutte, wo der Reisende in dem Gasthause zur Post mit seinen fabelhaft billigen Preisen treffliche Aufnahme findet. Reutte ist als Standquartier für mehrere Ausflüge zu empfehlen. Der interessanteste ist der nach dem weltberühmten Schlosse Hohenschwangau. Man thut gut, den Weg dahin auf der sogenannten Königsstrasse, zu deren Befahrung der sehr gefällige Bezirksvorsteher von Reutte die Erlaubnisskarte gibt, und den Rückweg über das nette bairische Städtchen Füssen, in dessen Nähe der Lech am sogenannten Magnussprung einen hübschen Wasserfall bildet, zu machen. Eine nähere Beschreibung Hohenschwangau's ist hier wohl überflüssig, man findet dieselbe in allen Reisehandbüchern. Jeden, der das Schloss gesehen hat, über welchem der Zauber der Sage und der Geschichte schwebt (das grossartigste Kaisergeschlecht, das über Deutschland geherrscht, das der Hohenstaufen, weilte öfter in seinen Mauern, und der letzte der Hohenstaufen, Konradin, der Märtyrer des Geschlechtes, nahm hier Abschied von seiner Mutter, der Königin Elisabeth, deren irdische Hülle im tirolischen Kloster Stams ruht, vor seinem verhängnissvollen Zuge nach Neapel) das von dem leider zu früh verstorbenen Könige Max II. von Baiern in einen Sitz der Kunst und der Musen verwandelt wurde, und alle Steige der Natur, Flur, Wald, Berg und See mit den Steigen der Kunst in seltenem Maasse vereint, wird gestehen, wohl nicht leicht einen lieblicheren und herrlicheren Punkt gefunden zu haben. Ein weiterer lohnender Ausflug von Reutte ist der nach dem nicht grossartigen aber recht malerischen Stuibenfällen, und dem einsamen, melancholischen Plansee am Fusse eines Berges, der sonderbarer Weise soweit von seinen Gefährten entfernt, die sonst meist nur im Salzburger Lande diesen stolzen Namen führen Tauern heisst. Auch hier, am sog. Kaiserbrunnen, einer köstlichen Quelle, begegnen wir wieder den Spuren eines deutschen Kaisers, Ludwigs des Baiern. Und noch ein dritter deutscher Kaiser weilte in der Nähe, aber nicht zu guter Stunde es starb in dem Reutte ganz nahen Breitenwang, das man auf dem erwähnten Ausfluge berührt, Kaiser Lothar II., der Vorgänger der Hohenstaufen. Südlich von Reutte erhebt sich ein hoher schön geformter Berg, der Thaneller, dessen Besteigung sehr lohnend sein soll.

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Von Reutte setzten wir die Reise das Lechthal aufwärts fort bis Weissenbach, wendeten uns dann rechts, stiegen den nicht uninteressanten Engpass die Gacht oder Gaicht genannt hinan, durchwanderten über Nesselwängle, an dem blauen Haldensee vorüber, das Thannheimer Thal, erstiegen die Höhe das vordere Joch genannt welche dieses Thal von dem bairischen Allgäu, speciell dem Illerthal, trennt, und kamen über Hindelang und Sonthofen nach Immenstadt an der München-Lindauer Bahn, welche wir bis Oberstaufen benützten. Auch dieser Weg, den man, freilich mit Benützung von Fahrgelegenheiten und der Eisenbahn bequem in einem Tage macht, bietet viel des Schönen. Besonders angenehm ist mir die Erinnerung an unsere Wanderung durch das hochgelegene (über 3500') Thannheimer Thal nach Schattwald, einem kleinen Bade, deren es in Tirol so viele gibt, mit recht freundlichen Wirthsleuten und gutem Unterkommen. So bald man Nesselwängle hinter sich hat, zieht sich der ziemlich breite Thalboden grösstentheils ganz eben und schnurgerade hin, zu beiden Seiten des Weges die schönsten grünen Wiesen und bis auf die Spitzen bewachsene Berge, dazu der blaue Himmel und eine so duftige, würzige Luft, dass es eine wahre

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