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NOTIZEN.

Ersteigung der Schneebigen Nock. Unter den Expeditionen des Jahres 1866 in den österreichischen Alpen nimmt die Ersteigung der in den Hohen Tauern, und zwar in der Antholzer Gruppe gelegenen, vom Kataster mit der Höhe von 10.726 W. F., von Sonklar aber, welcher sie das Ruthnerhorn nennt, 10.672 W. F. hoch gemessenen, und, so viel bekannt, vor dem Jahre 1866 noch nicht erstiegenen, Schneebigen Nock durch den durchlauchtigsten Protector unseres Alpenvereines, Seine kaiserliche Hoheit Herrn Erzherzog Rainer von Oesterreich, einen hervorragenden Platz ein.

Seine kaiserliche Hoheit unternahmen, nachdem Hochdieselben wenige Tage früher die höchste Spitze des Gross-Glockners von Kals aus erstiegen hatten, die Besteigung am 6. October 1866 aus dem Rainthale, begleitet vom k. k. Major Herrn Grafen Heinrich Wurmbrand und geführt von den zwei Führern Georg Weiss und Johann Oberarrbacher, denen sich der Wirth von St. Wolfgang im Rainthale, Georg Auer, anschloss.

Der Aufbruch erfolgte mit Tagesanbruch. Es wurde zuerst eine kurze Strecke auf der Sohle des südlichen Armes des Rainthales, des Bachernthales, fortgewandert, um dann an der südlichen Lehne desselben hinanzusteigen.

In anderthalb Stunden waren die ziemlich steilen, grösstentheils bewaldeten und mit Rhododendron ferrugineum bewachsenen Abhänge erstiegen und das Ende des Grasbodens erreicht. Da die Führer der Ansicht waren, dass mit Rücksicht auf den, nach einem Abends zuvor gefallenen Strichregen, eingetretenen Frost der Anstieg vom unteren Theile des Ferners aus, wegen der Steilheit der Lehne, zu viel Zeit in Anspruch nehmen würde, ward, statt in gerader Richtung gegen den nicht mehr ferne liegenden Gletscherrand hinanzuklettern, eine mehr südliche Richtung eingeschlagen, über rauhes Gestein eine Mulde durchschritten und dann der, jenseits derselben emporragende Felskamm erklommen.

Dieser Theil der Wanderung nahm anderthalb Stunden in Anspruch; denn abgesehen davon, dass die losen Schieferstücke stets das Ansteigen erschwerten, waren dieselben diessmal auch mit einer dünnen Eislage überzogen. Schon von diesem Grate, welcher steil in das Geltthal abfällt, eröffnete sich eine herrliche Fernsicht, namentlich in westlicher Richtung.

Nun galt es über den Felskamm an den oberen Theil des Ferners zu gelangen. Theils auf seiner Höhe selbst, die wieder stellenweise aus losen Steintrümmern besteht, kletternd, theils an schmalen Felsbändern längs der Wände fortschreitend, kam man in weiteren anderthalb Stunden an den oberen Gletscherrand.

Nach kurzer Rast begann hierauf die Wanderung über den hart gefrorenen Schnee, wobei die Steigeisen und das Gletscherseil in Anwendung

gebracht wurden. Trotz der Steilheit der Lehne ging es ziemlich rasch gegen den letzten, wenig aus der blendend weissen Decke hervorragenden Fels und an diesem vorüber, wurde der, nur noch sanft ansteigende Kamm betreten, dessen Schluss eine gegen Norden überhängende Schneeanwehung, ein sogenanntes Schneegewecht, in der beiläufigen Länge von 50 Schritten bildete; und schon nach fünf viertelstündigem Steigen von der früher erwähnten Rast standen Seine kaiserliche Hoheit auf der höchsten Spitze der Schneebigen Nock.

Kein Nebel beirrte die Fernsicht, die durch keine Strömung bewegte Luft war, wie immer an hellen Tagen im Spätherbste, äusserst klar und durchsichtig und die Wärme der Mittagssonne so intensiv, dass während des beinahe zweistündigen Aufenthaltes auf dem Gipfel die mitgenommenen Ueberröcke nur als Sitzpolster verwendet wurden.

Die vorzüglichsten Punkte, welche die Fernsicht begrenzen, sind vom Norden und zwar vom Krimmler Tauern an: die Dreiherrnspitze mit dem davor liegenden Umbalkeese und der Rödtspitze, die Venediger Gruppe und der Grossglockner mit den ihm zunächst stehenden Spitzen. Zwischen ihm und dem Hohen Narren war die Dachsteingruppe sichtbar; dagegen deckte den Schober die Spitze und die Pyramide des Hochgall.

In weiterer Ferne zeigten sich die nicht zu verkennenden Spitzen des Terglou und des Mangert. Jenseits des tief eingeschnittenen Pusterthales, in welches das am Fuss des Standpunktes dem Blicke aufgeschlossene Antholzer Thal mündet, erhoben sich die Dolomite von Ampezzo und an der venezianischen Grenze, darunter vor allem ausgezeichnet, die Marmolata, dann die Berge von Fassa und von Cröden, die Sellaspitzen und der Rosengarten bei Botzen.

Jenseits des klar gezeichneten Eisack- und Etschthales stieg die Adamello-Gruppe über den Gebirgen des Nonsberges auf, während der Ortler die vorliegenden Bergreihen weit überragte.

In der Oetzthaler Gruppe traten zwei Spitzen besonders hervor, davon die nördliche wahrscheinlich die Venter Wildspitze. Die Gletscher von Stubai erschienen zum Theil durch jene des Zillerthales und deren Ausläufer gedeckt, wogegen diese, den Zillerthaler Gebirgsstock, sich in ihrer ganzen Ausdehnung vom Thale Pfunders bis zum Krimmler Tauern deutlich überblicken und in ihren Einzelnheiten leicht erkennen liessen.

Ueberragt wird die höchste Spitze der Schneebigen Nock von den zunächst liegenden Spitzen nur durch jene des noch unerstiegenen Hochgall.

Zum Abstiege wurde bis zum Rande des obern Rückens der im Heraufsteigen getretene Steig verfolgt, dann aber in nördlicher Richtung in dem bereits erweichten Schnee über die steile Lehne gerade hinabgestiegen, welche jener zwischen der Adlersruhe und der Kleinen Glocknerspitze wohl nur an Höhe, nicht an Steilheit nachstehen dürfte; und dadurch ward schon in drei Viertelstunden von der Spitze aus der unterste Fernerrand erreicht.

Nach Ablegung der Steigeisen ging es jetzt Anfangs über Felsen und Gerölle, dann über die bereits Morgens überstiegenen Lehnen rasch dem Bachernthale und St. Wolfgang zu, woselbst Seine kaiserliche Hoheit nach weiteren zwei Stunden eintrafen.

Nach dem Ausspruche des durchlauchtigsten Ersteigers bereitet die Ersteigung der Spitze der Schneebigen Nock geübten Bergsteigern keine namhaften Schwierigkeiten, bietet ihnen dagegen den reichlichsten Lohn durch den Anblick des herrlichen Panorama's, welches im Voranstehenden in seinen Hauptumrissen geschildert worden ist.

Steyr und seine Umgebung. Steyr, mit der einstigen Residenz der traungauischen Ottokare, am Zusammenflusse der beiden Flüsse Steyr und

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