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Schiller und die Alpen.

Von Alois Egger.

Grosse Geister haben das vor gewöhnlichen Menschenkindern voraus, dass sie von neuen Culturströmungen zuerst und am mächtigsten berührt werden. Sie sind die Marksteine, aber auch die Leuchten der Zeit, denn von ihnen strömt das neue Licht über die Millionen.

So können wir das Eintreten und die Ausbildung des Alpencultus im vorigen Jahrhunderte im Leben und Wirken hervorragender deutscher Dichter verfolgen. Was bei Haller*) noch elegische Sehnsucht war, hatte sich bei Göthe**) zu einem titanenhaften Drange, und später zu einem selbstbewussten Forschungstrieb gestaltet. Es wäre auffallend, wenn von Ideen, welche Göthe so tief bewegten, sein Freund und Genosse des Dichterruhmes, wenn Schiller davon ganz unberührt geblieben wäre. Die Wirkung war zu mächtig, und Schillers Geist war zu empfänglich, als dass er nicht hätte ergriffen werden sollen von der Begeisterung für das Hochgebirge. Freilich tritt hier ein eigenthümliches Verhältniss ein. Schiller hat die Alpen nie mit eigenen Augen gesehen, hat nie wie Göthe seinen Fuss auf die Höhe der Furka gesetzt, nie im Hospitz des St. Gotthart gerastet; für ihn existirten sie nur in der Phantasie. Aus der Lectüre und mündlichen Erzählungen wusste sein einbildsamer Geist sich das Gemälde der erhabenen Natur zu entwerfen, mit dem er grosse Ideen verband. Und wie überall in der Dichtung erscheinen die Alpen auch bei Schiller als culturhistorischer Factor, in ihrer Wirkung auf das menschliche Gemüth.

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Die Grundverschiedenheit Schiller'schen und Göthe'schen Geistes offenbart sich auch in diesem Falle. Während der Franke schon früh von einer dunkeln Alpensehnsucht er

*) Sieh Jahrb. des A. V. 1865, S. 344. **) Sieh Jahrb. des A. V. 1866, S. 299.

war

griffen wurde und früh dieselben wirklich aufsuchte, hat der Schwabe erst spät sein Auge auf das ihm nicht ferne Hochgebirge gerichtet; während jener seinen Geist ausschliesslich durch unmittelbare Anschauung nährte, kam dieser auf dem Wege der Reflexion zu seinen grossen Naturbildern. Wohl hat auch Schillern jener Sturm und Drang ergriffen, der, ein bedeutungsvoller Vorbote grosser Weltereignisse, auch auf den Cultus der Alpen einwirkte, aber ihm hat er diese Richtung nicht gegeben. Schiller führte seine Räuber in die böhmischen Wälder, suchte Fiesko in Genua und Philipp II. in Madrid, aber auf die Alpen fiel sein Blick nicht. Die Natur und ihre Wissenschaft lag dem Zögling der Karlsschule überhaupt ferner als Göthe. Geschichte und Philosophie hatten ihn schon in seinen Lehrjahren am meisten angezogen und als er 1789 an die Universität Jena berufen ward, vertiefte er sich in Kant's Abstractionen. Sein ganzes Wesen nicht auf Anschauung, sondern auf Ideen gerichtet, und was die Natur ihm bot, hatte für ihn nur einen Werth durch Beziehung auf Ideen. Bis zum Jahre 1795 findet sich in seinen Dichtungen kaum eine Andeutung, dass ihm die Welt des Hochgebirges irgend ein Interesse abgewonnen. Erst in diesem Jahre brachte die Zeitschrift „Horen" jene Elegie, die heute unter dem Titel „Spaziergang" bekannt ist und in welcher der Dichter zuerst eine alpine Scenerie entwirft. Sie ist aber nicht die Frucht einer Sommertour, sondern das Resultat philosophischer Studien. Indem er an seiner Abhandlung über naive und sentimentalische Dichtung" arbeitete, dachte er viel über die Gegensätze von Natur und Cultur nach, studirte dabei auch Haller's "Alpen", die er mit Wärme rühmt. So kam er dahin, den Eintritt in die freie Landschaft „aus des Zimmers Gefängniss und dem engen Gespräch" als eine Befreiung der Seele von den Fesseln der Gesellschaft zu empfinden; dem von menschlicher Entartung gefolterten Gemüthe aber Trost im Anblicke des Hochgebirges zu bieten.

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Bei Haller und Göthe haben wir die Alpen in einer merkwürdigen Beziehung zur Revolution gefunden, in einer innigen Verbindung mit den Mächten, welche diese Umwälzung menschlicher Dinge herbeiführten. Das frühere Geschlecht sah in den Alpen das Grosse und Freie der Natur im Gegensatze zu dem Kleinlichen und Sklavischen der Cultur. Nun da diese angefochtene Cultur in sich zusammengestürzt war und der Mensch sich selbst in seiner wildesten Freiheit gezeigt hatte, nun da man nicht bloss alte Ordnungen umgebildet, sondern überhaupt alle Ordnung aufgelöst hatte, brachte man dem Hochgebirge eine ganz andere Stimmung entgegen.

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Nicht mehr die Freiheit und Ungebundenheit, sondern die grossartige Ruhe und Gesetzmässigkeit zog den Menschen an und liess ihn den erschütterten Glauben an eine Ordnung in menschlichen Dingen wieder finden. So äussert sich Schiller in einem Briefe: Wie wohlthätig ist uns doch die Identität, das gleichförmige Beharren der Natur! Wenn uns Leidenschaft, innerer und äusserer Tumult lange genug hin und her geworfen, wenn wir uns selbst verloren haben, so finden wir sie immer als die nämliche wieder und uns in ihr.“ Nachdem der Dichter den Stufengang menschlicher Cultur in lebensvollen Bildern vorgeführt, ferner geschildert hat, wie gegen die Unnatur und moralische Entartung der Civilisation aufsteht mit des Verbrechens Wuth und des Elends die Menschheit und in der Asche der Stadt sucht die verlorne Natur", dann sieht er sich auf einmal in eine Alpengegend versetzt, wo seine Seele wieder frei aufathmet.

„Aber wo bin ich?“ ruft er aus. „Es birgt sich der Pfad. Abschüssige Gründe
Hemmen mit gähnender Kluft hinter mir, vor mir den Schritt.
Hinter mir blieb der Gärten, der Hecken vertraute Begleitung,
Hinter mir jegliche Spur menschlicher Hände zurück.
Nur die Stoffe seh ich gethürmt, aus welchen das Leben
Keimet, der rohe Basalt hofft auf die bildende Hand.

Brausend stürzt der Giessbach herab, durch die Ruine des Felsen,
Unter den Wurzeln des Baum's bricht er entrüstet sich Bahn.
Wild ist es hier und schauerlich öd. Im einsamen Luftraum
Hängt nur der Adler und knüpft an das Gewölke die Welt.
Hoch herauf bis zu mir trägt keines Windes Gefieder

Den verlornen Schall menschlicher Mühen und Lust.
Bin ich wirklich allein? In Deinen Armen, an Deinem
Herzen wieder, Natur? Ach, und es war nur ein Traum
Der mich schaudernd ergriff mit des Lebens furchtbarem Bilde,
Mit dem stürzenden Thal stürzte der finstre hinab.
Reiner nehm' ich mein Leben von Deinem reinen Altare,
Nehme den fröhlichen Muth hoffender Jugend zurück.
Ewig wechselt der Wille den Zweck und die Regel, in ewig
Wiederholter Gestalt wälzen die Thaten sich um.

Aber jugendlich immer, in immer veränderter Schöne
Ehrst Du, fromme Natur, züchtig das alte Gesetz!

Immer dieselbe, bewahrst Du in treuen Händen dem Manne,
Was Dir das gaukelnde Kind, was Dir der Jüngling vertraut,
Nährst an gleicher Brust die vielfach wechselnden Alter;
Unter demselben Blau, über dem nämlichen Grün

Wandeln die nahen und wandeln vereint die fernen Geschlechter,
Und die Sonne Homers, siehe! sie lächelt auch uns."

Eine ähnliche Stimmung liegt dem Chorgesange in der „Braut von Messina" (1802) zu Grunde, welcher mit den Versen schliesst:

,,Auf den Bergen ist Freiheit! Der Hauch der Grüfte
Steigt nicht hinauf in die reinen Lüfte,

Die Welt ist vollkommen überall,

Wo der Mensch nicht hinkommt mit seiner Qual."

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