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dar. Alle diese Kammtheile stehen auf den dahin gerichteten Sehlinien senkrecht und zeigen alle ihre höhern Spitzen und ihre Gletscher. Das Virgenthal liegt der Länge nach offen.

35. Der Stanziwurdi bei Döllach ist ein 8555 W. F. hoher, zwischen dem Möllthale und der Zirknitz liegender Alpenkopf, den man auf einem leichten und anmuthigen Wege in 4-5 Stunden erreichen kann. Die Rundsicht ist sehr reizend. Am weitesten greift sie gegen Süden aus, wo sie von den Bergen des Gailthals und von den prachtvollen Kalkgebilden südlich der Drau: Laserzwand, Kreuzkofel u. a., begrenzt wird. Im Südwesten und Westen thürmt die Schobergruppe ihre rauhen, zackigen, unruhig auf- und niedersteigenden Schiefermassen auf, und nur der Petzeck erhebt mit ruhiger Würde sein rundes, silbergraues Haupt, während noch andere, weit höhere und gleich silbergraue, der Venediger Gruppe angehörige Häupter aus grösserer Ferne über die Schultern der Schoberberge herüberschauen. Nun folgt in der Richtung gegen Nordwest, schnurgerade auf den Stanziwurdi alignirt, die Riesengallerie des Pasterzenthales, mit vielen Wunderdingen im Thal und auf den Höhen ausgestattet. Da liegt zuerst, tief zwischen den Bergen eingebettet, auf grünem Kissen das Dörfchen Heiligenblut sammt gothischer Kirche und hohem Spitzthurm; dann kommt das Schönste von Allem, der Grossglockner, wie ein an das Himmelsgewölbe angesetzter silberner Bohrer, neben ihm die Glocknerwand, der Romariswandkopf, der Schneewinkel, dann etwas abseits, doch entfernter als alle, der prächtige, auf allen Seiten in tadelloses Weiss gehüllte Johannisberg. Was ist das, von hier aus gesehen, für ein ganz anderer Geselle als jenes kleine Schneehäuptchen, wie es sich unter obigem Namen von Heiligenblut aus präsentirt; je höher du steigest, desto höher hebt sich auch der Johannisberg aus seiner Umgebung heraus, und nun steht er da, erhaben und prächtig wie ein Herrscher. Noch weiter gegen Norden folgen die hohe Riffel, der grosse Bärenkopf, die Glockerin und das Wiesbachhorn, dann etwas näher der Fuscherkarkopf, das Sinewelleck, die Racherin, der Spillmann und der Brennkogel. Mitten zwischen diesen Bergen aber steigt ein breites, aus reinstem Silber getriebenes Amphietheater ins Thal nieder, und setzt sich hier noch eine Strecke weit als Pasterzengletscher fort. Und alle seine Felsen und Schründe, und alles was ihn umgibt wird dir der Stanziwurdi zeigen: den grossen, kleinen und hohen Burgstall, die Franz-Josephshöhe, den Eissturz nebenan, den unteren Boden, u. s. f. Diesseits des Brennkogels sind dann noch alle andern Gipfel des centralen Hauptkammes bis zum

Goiselspitz hinaus sichtbar; der hohe Narr mit seiner Kuppelform liegt ganz nahe vor dir, und auch der Schlapperebenspitz und der thurmartige Muranerspitz steigen weiter östlich über die vorliegenden Kämme auf. Im Osten endlich gebietet der die Thäler von Fragant und Malnitz scheidende Oscheniggkamm dem Blicke Halt, obwol noch der Schneescheitel der Hochalpenspitze über ihn hinwegragt. Und bist du dann Abends etwas ermüdet heimgekehrt, so ist weit und breit Niemand besser im Stande, deine Kräfte wieder zu sammeln, als die biedere Wirthin in Döllach.

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36. Der Lonzaberg, nördlich von Ober-Vellach im Möllthale, liegt am Ende des Oscheniggkammes, d. h. in der Ecke, die das Möll- mit dem Malnitzthal bildet und die auch die Stelle bezeichnet, an der ersteres seine bisherige östliche Richtung in eine südöstliche verändert. Der Blick vom Lonzaberge longirt demnach das Möllthal bis zu seiner Mündung bei Möllbrucken, und da von hier ab das weitgeöffnete Drauthal genau im Alignement des unteren Möllthales bis Villach fortsetzt, so reicht die Aussicht von der erwähnten Berghöhe bis zu den Karavanken hinaus. Dieser Umstand ist in hohem Grade anziehend und macht ein bemerkenswerthes geographisches Factum ersichtlich. Wendet man das Auge nach Osten, so erblickt es aus fast unmittelbarer Nähe beinahe den ganzen Hochalpenkamm vom Ankogel bis zum Reisnock und die Hochalpenspitze selbst, so wie das Säuleck; der Zwenbergerthörlkopf und der Reisnock sind schöne und stattliche Gipfelbauten. Aber auch der centrale Hauptkamm der hohen Tauern zeigt sich in seiner Erstreckung von der schönen Eispyramide des Ankogels bis zum Goiselspitz. Westlich ist dann der Sadnigg mit seinen Nachbargipfeln und im Südwesten und Süden ein grosser Theil der Kreuzeckgruppe, vom Polinigg bis zum Sandfeld, sichtbar. Der Vorgipfel, der mir als hypsometrischer Standort diente, ist 6834 W. F. hoch, und kann von Obervellach in 4 bis 4 Stunden leicht erstiegen werden. Der Hauptgipfel liegt etwas nördlicher, ist um circa 1000 F. höher und hat aller Wahrscheinlichkeit nach ein noch viel umfassenderes Gesichtsfeld.

37. Die Lobbia ist eine in der Val Genova in Südtirol zwischen dem Bedole- und Matterotgletscher stehende, 9350 W. F. hohe Felsenspitze, die von der Bedole-Alpe, über die Mandron-Alpe, in 5 Stunden nicht ganz leicht zu ersteigen ist. Die Aussicht ist auf den hintersten Theil jenes Thals beschränkt, zeigt aber alle höchsten Gipfel des Adamellostockes: Caré alto, M. Levade, M. Rumo, M. Adamello, die Cima del Mandron, Brusazza, Cima di S. Giacomo und

Cima di Nardis oder Presanella, so wie die genannten zwei Gletscher bis in ihre letzten Details.

38. Der M. Spinale, 6384 W. F. hoch, steht östlich neben dem Uebergange von Pinzolo im Rendenathale nach Dimaro in der Val di Sol und ist von S. Maria di Campiglio in anderthalb bis zwei Stunden ganz leicht zu ersteigen. Die Aussicht ist für die relativ geringe Höhe des Gipfels gross und schön genug, und umfasst im Norden und Nordwesten die Berge von Pejo und Rabbi bis zur Cima di Vios, zum Zefalspitz, zum Pizzo Venezia und zum Eggenspitz, während über die Kämme, die das Ultenthal nördlich und südlich einschliessen, die höheren Schneespitzen des Oetzthals mit mattem Glanze herüberscheinen. Im Südwesten liegt plateauartig und viele Meilen weit unter Eis der gewaltige Granitstock der Adamellogruppe, im Süden endlich erscheint die weisse Dolomitmasse der Brentagruppe, in zwei Spitzen bis zu 10000 F. absoluter Höhe aufsteigend, mit ihren Wänden, Thürmen und Sägezähnen, wie ein steingewordenes Märchen, phantastisch, fremdartig und fesselnd.

Aus den obersteirischen Alpen.

Von Wilhelm Schleicher.

Die vielen Freunden grossartiger Naturscenen bereits bekannte und immer besuchte Admonter Gegend hat den besonderen Reiz für sich, dass sich hier auf engem Raume hohe Gebirge dreier verschiedener Formationen zusammendrängen, die sowohl in ihrer Gestaltung als in ihrer Fauna und Flora auffallend verschieden sind. Die folgenden, auf Autopsie beruhenden Skizzen umfassen alle hervorragenden Punkte dieses sogenannten Admonter Gebietes, das Wort im weiteren Sinne . genommen. Da die Vollständigkeit dieser Zusammenstellung, bei dem bisherigen Mangel einer ähnlichen von gleicher Specialisirung, ein wesentliches Moment ihrer Eignung für die Zwecke des österreichischen Alpenvereins und seines Jahrbuches bilden dürfte, so wird es wohl keinem Bedenken unterliegen, auch einzelne Schilderungen, welche vor zwölf Jahren durch die Wiener Zeitung veröffentlicht wurden, in abgekürzter Form hier zu wiederholen. Nur in dieser Weise liess sich eine möglichst lückenlose Monographie jenes höchst interessanten Erdabschnittes herstellen.

1. Der grosse Buchstein.

Allen Wanderern, die von Admont nach Hieflau durch das Gesäuse kommen, so wie allen Besuchern des Ennsthales von Admont bis Lietzen fällt gewiss dieser Berg auf, dessen massige Gestalt den östlichen Abschluss des offenen Thalbodens vor dem Eintritt der Enns in das Gesäuse zu bilden scheint, während er von anderen Höhen gesehen, wegen seiner

charakteristisch breiten Form, mit dem weiten Kare oben, einem riesigen, hohlen Zahne ähnlich, immer die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Als es sich um seine Besteigung handelte, liessen mir die eingezogenen Erkundigungen die Wahl zwischen der Südseite vom Gstatterboden im Gesäuse aus, und der Nordseite mit dem Ausgangspunkte St. Gallen. Ich zog den letztern vor; obwohl man von der Schwierigkeit einer solchen Vieles zu erzählen wusste, hinderte das nicht, dass sich zu dieser Partie mehrere Theilnehmer vereinigten.

Bei klarem, viel versprechendem Wetter verliessen wir Gresten und fuhren über Ipsitz, Waidhofen und Weyer nach Altenmarkt, hatten aber bald die unerfreuliche Wahrnehmung zu machen, dass das Ziel unserer Wünsche, der von mehreren Punkten dieser Route sichtbare grosse Buchstein, immer dichter in Nebel sich hüllte. Erst als wir nach St. Gallen kamen, wurde es abermals freundlicher, so dass wir uns des herrlichen Anblickes vollständig erfreuen konnten, welchen das Thal von St. Gallen gewährt. Eine überraschend schöne Partie in demselben bildet die Ruine Gallenstein, überragt von den grossartigen Formen der hohen Felsenhäupter, die sich vom Tamischbachthurm über die Tieflimauer hinüberziehen zu dem kühn geformten kleinen, und der breiten Masse des grossen Buchsteines, und als Gegenbild hiezu das schöne, üppig grüne Thal, mit dem freundlichen Orte.

Von St. Gallen geht es nun längs des Buchau-Baches an der Admonter Strasse aufwärts, bis man nach einer Fahrt von einer Stunde das Eisenzieher- Wirthshaus in der Buchau erreicht, welches am Fusse des Buchsteines liegt. Nachdem wir einen kundigen Führer aufgesucht hatten, wanderten wir, obwohl das Wetter wieder sich zum Schlimmen neigte, noch in der Abenddämmerung bis zu einer etwa eine kleine Stunde entfernten, aber noch niedrig gelegenen Alpe.

Des andern Tages wurde zeitlich früh aufgebrochen, obgleich Wolken und Nebel die Finsterniss erhöhten. Am Rande eines Baches, öfters diesen durchschreitend, kamen wir zu einer zweiten Alpenhütte, wo wir uns mit mehr Beleuchtungsmateriale versahen, dessenungeachtet aber noch eine Zeit lang arg herumtappten, weil der Weg jetzt steil anstieg. Bei beginnendem Morgen erreichten wir die Eisenzieher-Alpe, eine unbewohnte Hütte, wo wir Rast hielten und dann im Nebel weiterstiegen. Der lehmige Pfad war schlüpfrig geworden, auch geriethen wir zeitweise in Krummholz und mussten uns mühsam durcharbeiten. Der Aufstieg wurde immer steiler; wir umgingen oder überstiegen verschiedene Felsvorsprünge, welche im Nebel kolossal aussahen, und lang

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