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wenige Minuten entfernt von der Eiswand, über welche wir zur Spitze hätten emporklimmen müssen, sassen, blieb er bei seiner Ansicht und meinte, wenn auch über die Eiswand hinaufzukommen wäre, würde dann das letzte Stück Weges auf den Gipfel über die Schrofen und Platten erst wieder nicht gangbar sein.

Nun, die Wand mag gewiss eine Neigung von 50o haben und erhebt sich über grossartigen Eisbrüchen und breiten Klüften des Wildlahner-Ferners. Dennoch wurden ähnliche Hindernisse schon besiegt und die Frage, ob über die Platten zur Spitze vorzudringen möglich ist, lässt sich, da man einen Ueberblick der Steinpartien aus der Tiefe nicht und noch Niemand den Versuch sie zu überschreiten gemacht hat, zuletzt doch erst an Ort und Stelle lösen. Darin aber stimmten wir alle drei überein, dass der Gang über die Eiswand vernünftigerweise nur bei harter Beschaffenheit des Schnees gewagt werden kann und nicht um die Nachmittagsstunde und bei tiefem Neuschnee, wie diess heute hätte geschehen müssen, indem sich dann bei der so steilen Neigung leicht Lawinen bilden und die ganze Gesellschaft auf den Wildlahner-Ferner hinabstürzen könnten.

Wir brachen desshalb um zwölf Uhr von unserem Ruheund Beobachtungspunkte wieder auf, um zunächst auf den Wildlahner-Ferner hinabzuklettern. Die Führer hatten sich nämlich entschlossen, jetzt bei dem weichern Schnee und da sie gesehen, dass ich mit den Gefahren der Gletscherwanderungen hinlänglich vertraut sei, anstatt des Weges über das Firnkar der Gefrornen Wand und die Felspartien der Hinteren Hölle den näheren durch die Klamm der Hintern Hölle auf den Wildlahner-Ferner einzuschlagen.

Wir drangen nur noch eine kurze Strecke weit auf dem obersten Theile des Unter-Schrammaferners in der Richtung des dort im Kamme gegen das Wildlahner-Thal stehenden Schneekopfes der Hintern Hölle vor und betraten hierauf uns links wendend diese Klamm.

Sie gehört unter die grossartigsten Kamine (Couloirs) und wird häufig so schmal, dass wir zugleich beiderseits die Felsen berühren konnten, die sie eindämmen. Bei der ungewöhnlichen Steilheit mancher Stellen in ihr würde, wenn zugleich ein Umgehen derselben durch Hinausklettern auf die Wände unausführbar war, das Hinabgelangen grossen Gefahren unterlegen sein, wenn der Schnee nicht erweicht gewesen wäre. Doch auch einzelne Felsdurchbrüche in ihr waren schwer zu überwinden. Insbesondere galt diess von einer, ihre ganze Breite zwischen beiderseits unersteigbaren Wänden durchquerenden,

scharfgeneigten Platte von solcher Höhe, dass Hans als der erste am Seile trotz der Länge desselben von ein paar Klaftern zwischen ihm und mir, als er, von mir und Tonig gehalten, über sie hinabrutschte, nicht an ihr Ende gelangen konnte, sondern auf ihr sitzen blieb, bis ich ihm nachgerutscht war und erst, nachdem durch meine Annäherung der Strick lose geworden, an ihren Fuss hinabglitt, wo er bei der dort auch auf dem Schnee sich fortsetzenden steilen Neigung Stellung fasste, um mich und Tonig, wenn es nöthig würde, vor einem Sturz in die Tiefe zu bewahren.

Ich glaube, dass wir in diesem, sich freilich hier und da um ein paar Schuh verbreiternden Schlot mindestens 1500 Fuss tief hinabstiegen, bis wir an seinem untern Ende auf ein gewöhnliches Felsengebiet und bald darnach auf den WildlahnerFerner kamen.

Wir hielten uns nun auf der Ostseite dieses Gletschers und stiessen auf ihr auf wenige Klüfte, wogegen sich weiter westlich ein grosser Absturz und arge Zerschründung bemerklich machte.

In kurzer Zeit langten wir glücklich am Ende des Ferners und in der Vordern Hölle an, über deren wenig rauhe Abhänge wir um halb 3 Uhr wieder bei unserem Nachtquartier eintrafen.

Ich streckte mich auf dem grünen Grunde zum Schlafe hin; doch fand sich alsbald Gesellschaft ein. Der Eigenthümer des Stadels, in dem wir die Nacht zugebracht, war heute von Schmirn heraufgekommen und der Ochsner vom Kaserergrat herabgestiegen. Ersterem dankte ich für die mir unfreiwillig geschenkte Gastfreundschaft. Letzterer versicherte, er wolle versuchen, den Olperer zu ersteigen und zwar über den Wildlahner-Ferner, jedoch nicht von dem Felsen über der Schwarzen Wand, sondern mehr rechts, indem er an den uns bekannten Wänden, welche sich vom Fuss des Fussstein schräg zum Olperer als obere Begrenzung des Gletschers hinanziehen, auf dem Eise aufwärts ginge, bis er hoch oben irgend eine Stelle finde, an der er zum Gipfel emporklettern könne. Ich munterte ihn auf, seinen Vorsatz auszuführen, fürchte aber, dass es, wie in der Regel in ähnlichen Fällen, bei dem blossen Vorsatze bleibt.

Nach etwa einstündigem Aufenthalte machten wir uns auf, nach Schmirn hinabzusteigen. Ich schied bei den Häusern von Wildenlahner von Hans, in welchem ich einen der besten Führer und zugleich einen höchst gefälligen Begleiter gefunden hatte, sowie auch sein Bruder in jeder Beziehung nur Lob

verdient. Letzterer wollte mir sogar noch aus freien Stücken und obwohl er sich schon früher geäussert hatte, er müsse so schnell als möglich nach Kasern, wo er bedienstet ist, zurückkehren, meine Tasche bis zur Kirche tragen und war nicht abzuhalten, mich wenigstens eine Strecke weit thalauswärts zu geleiten.

Im Widum empfing mich der Herr Curat liebenswürdig, wie immer, und freute sich, dass ich trotzdem, dass ich den Gipfel nicht ganz erreicht, mit dem Erfolge der Expedition zufrieden sei.

Dazu hatte ich wahrlich alle Ursache, denn ausser der Spezialkenntniss des so unbekannten Tuxer - Rückens hatte ich, wie ich bemerkt habe, noch einen Ueberblick der Configuration des ganzen westlichen Theils des eigentlichen Zillerthaler Gebirges gewonnen, wie noch nirgends sonst. Allein, selbst abgesehen von diesen Aufgaben, wurden mir auf der Bergfahrt durch den Anblick grossartiger Gletscher und Hochspitzen in unmittelbarer Nähe, durch den Hinausblick in die weiteste Ferne, endlich durch die Gelegenheit zur Besiegung entgegentretender Hindernisse reichlich alle jene Genüsse gewährt, welche freilich nur der echte Hochgebirgsfreund hinlänglich zu würdigen weiss.

Am folgenden Tage verliess ich nach dem freundlichsten Abschiede von meinem würdigen Curaten Schmirn, um nach Innsbruck zurückzukehren.

Hier theilte mir ein Bekannter unseres Altmeisters Thurwieser mit, dass derselbe seiner Zeit die Absicht hatte, den Olperer-Fussstein zu besteigen, dass er aber jeden Versuch dazu unterlassen hat, weil die eingezogenen Erkundigungen dahin lauteten, man komme nicht hinauf. Auch stimmte es mit dem, was ich im Thale Schmirn gehört, vollkommen überein, dass Thurwieser der Ansicht war, Feuerstein sei der alte und wahre Name des Gesammtberges und Fussstein erst später aus Fuistoan entstanden.

Zum Schlusse sei kühnen und vor allem mit Ueberfluss an Zeit ausgestatteten Bergsteigern der Olperer-Fusstein trotz Thurwiesers, dann des bei der Katastralvermessung gemachten und des hier geschilderten Versuches als Aufgabe anempfohlen. War man in alter Zeit wirklich auf der Spitze, so wird man auch jetzt noch irgendwo hinaufgelangen können; es handelt sich nur um das Wo. Ist hingegen die Sage von Ersteigungen in älterer Zeit ungegründet, so wurde ja schon manchem Berge, über dessen frühere Besteigung nicht einmal ein Gerücht laut geworden, der vielmehr bestimmt als unersteiglich galt, dieser

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Dr. A. v. Ruthner. Der Olperer im Tuxer Hauptkamme.

Ruf bei anhaltendem Bemühen, ihm denselben zu nehmen, auch wirklich genommen.

Jedenfalls aber findet ein künftiger Olperer-Ersteiger in Schmirn zwei Factoren vor, welche sein Unternehmen angenehmer machen und es erleichtern: eine freundliche Aufnahme und Förderung des Vorhabens und tüchtige, ihrer Aufgabe als Begleiter auf einer grossen Gletscherexpedition vollkommen gewachsene Führer.

Beiträge zur Orographie und Hydrographie

des Pusterthales.

Vom k. k. Bergrath Jos. Trinker.

Das schöne Pusterthal wird durch den breiten Rücken der Toblacher Höhe in zwei Hälften getheilt, in die westliche und östliche. Die Toblacher Höhe, auch Toblacher Feld, Toblacher Haide, ist wohl einer der interessantesten Gebirgsübergänge in den Alpen. Er zeichnet sich nicht durch seine bedeutende Elevation über dem Meeresspiegel aus, die nach. den zuverlässigsten Angaben nur 3810 W. F. *) beträgt; vielmehr ist es die geringe absolute Höhe, die ihn zwischen der benachbarten bis zu 11090 F. emporragenden Drei-Herrenspitze und den noch näher gelegenen ebenfalls zur ansehnlichen Höhe von 10265 F. sich erhebenden Zinnen des Monte Cristallo so eigenthümlich stellt, dass er selbst in besseren geographischen Werken nicht einmal als Alpenpass zu finden ist.

Das Toblacher Feld bildet sonach das unansehnliche und darum nicht immer genügend gewürdigte Verbindungsglied zwischen den Centralalpen und jenem vom Herrn Paul Grohmann in den letzten Jahren mit so vieler Beharrlichkeit und so glücklichem Erfolge studierten Kalkgebirgsknoten des Ampezzaner und Cadoriner Gebietes, von wo einerseits die Fassaner, andererseits die Carnischen Alpen nach West und Ost sich verzweigen. In dieser Stellung wird die Höhe von Toblach auch die wichtige Scheidewand zwischen Etsch und Donau, zwischen dem adriatischen und schwarzen Meere.

Ob der Glimmerschieferzug, der sich vom inneren Tefferecken-Thale nach Schaubach- über die Gegend von Toblach

*) Siehe meine Höhentabelle in dem Jahrbuche des österreichischen Alpenvereines für 1865.

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