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eine so entscheidende Bedeutung beilegen könnte, mit denselben vorsichtig sein werden. In der Aufwallung denkt niemand an Rechtsvorschriften, am wenigsten an solche, die einem natürlichen Gefühl widersprechen. Ein Widerspruch liegt aber darin, dafs man, und mit vollem Recht, die Aufstellung letztwilliger Verfügungen an feste Formen bindet, die eine Bürgschaft für den ernsten und endgültigen Willen des Verfügenden bieten, und für die Zurücknahme derselben unter Preisgebung dieser Sicherheit die Schranken fallen läfst. Es ist dem jedenfalls noch vorzuziehen, wenn die neueren Gesetzbücher in Anlehnung an das ius civile der Römer den Grundsatz aufstellen, zur Aufhebung des Testaments sei dieselbe Form nöthig, wie zur Begründung; doch wird derselbe um so bedenklicher, je mehr man die Form der Testamentserrichtung erschwert'). Es läfst sich viel eher rechtfertigen, dafs jemand ab intestato beerbt werde, weil er die Formen der Testamentserrichtung nicht beobachten konnte, als dafs sein Nachlafs an einen Erben komme, dessen einziges Anrecht auf die Erbschaft, der Wille des Erblassers, weggefallen ist.

Die ausgesprochenen Bedenken richten sich hauptsächlich gegen den mündlichen Widerruf; sie lassen sich auch bei diesem durch besonnene Urtheilsfindung einigermassen beseitigen. Will man als genügende Form des Widerrufs jede selbständige schriftliche Erklärung (nicht etwa briefliche Aeufserungen, die ja mit den mündlichen auf gleicher Stufe stehen) und Zerstörung der Testamentsurkunde gelten lassen, so wird

1) Darum ist die obige Bestimmung im Code civil 1035 passender, als im preufsischen allgemeinen Landrecht I, 12 § 587.

dagegen kaum etwas einzuwenden sein. Die Zweifel, welche die letztere Form mit sich bringt, ob die Zerstörung vom Testator und ob sie absichtlich vorgenommen worden, sind Fragen des Beweises, die zwar bisweilen Schwierigkeiten mit sich führen können, aber doch nicht geeignet sind einer so allgemeinen und natürlichen Rechtsanschauung die Anerkennung zu versagen, wie der, dafs die Zerstörung der Urkunde auch die Wirkung derselben beseitige. Neben dem schriftlichen Widerruf würde aber auch der mündliche vor Zeugen anerkannt werden müssen, mögen dies nun zwei oder fünf sein; nur das Erfordernifs ist festzuhalten, dafs die Zeugen rogati im Sinne des römischen Rechts seien; damit wird die Möglichkeit einer nicht ernstlichen Willenserklärung abgeschnitten.

Eine mancipatio fiduciae causa.

r dem Titel „ein pactum fiduciae" ist von Emil Hübner zuerst im Hermes 3, 283 ff. und dann im Corpus Inscriptionum Latinarum II p. 700 n. 5042 eine kürzlich in Spanien aufgefundene Erztafel publicirt worden, die unsere Kenntnisse über mancipatio und fiducia um ein gutes Stück bereichert. Ihren juristischen Interpreten hat sie in Degenkolb gefunden, der ihr nach der summarischen Erläuterung hinter Hübners Veröffentlichung jetzt noch im neunten Bande der Zeitschrift für Rechtsgeschichte (S. 117 ff.) eine eingehende und geistvolle Besprechung gewidmet hat1). Dafs die Urkunde hier noch einmal erörtert werden soll, hat seinen Grund in einer abweichenden Auffassung der Hauptpuncte selbst; die übrigen Theile der Inschrift, für welche der Arbeit Degenkolbs gegenüber nichts neues beigebracht werden konnte, sollen nur kurz berührt werden.

Die Inschrift, bestehend aus einer etwa 6 Zoll hohen und 10 Zoll breiten Erztafel, ist im südlichen Andalusien

1) Neuerdings hat auch Camillo Re im Giornale di Giurisprudenza teorico-pratica Roma 1870 fasc. 2 die Inschrift abgedruckt und erläutert; einige Proben aus dieser Abhandlung sollen unten mitgetheilt werden.

an der Mündung des Guadalquivir, nicht weit von Bonanza, dem Hafenplatz der Stadt Sanlucar de Barrameda gefunden. Die Tafel hat in der Mitte des oberen Randes und des linken Seitenrandes je ein, am unteren Rande zwei Löcher; in dreien derselben stecken noch die bronzenen Nägel, mit denen sie an irgend eine Wand genagelt war. Hübner setzt die Inschrift um der Form des LMP und des im ganzen quadraten, plumpen Characters willen in die Mitte des ersten Jahrhunderts n. Chr. So sichere Bestimmungen aus den Schriftzügen herzunehmen ist doch bedenklich; man wird nicht mehr zugeben können (und darin stütze ich mich auf Th. Mommsens Zustimmung), als das über das zweite Jahrhundert n. Chr. nicht hinausgegangen werden darf; für diese Grenze ist der apex über dem o in Titio (Zeile 12) entscheidend.

Die Lesung ist durchaus sicher; in dem hier folgenden Text sind einzelne der Abkürzungen und die Fehler der Tafel beseitigt; die Abweichungen derselben sind dafür sämmtlich in den Noten angeführt.

Dama L. Titi servus') fundum Baianum, qui est in agro qui | Veneriensis vocatur, pago Olbensi, uti optumus maxumusque) | esset, sestertio nummo uno3) et hominem Midam sestertio nummo uno3) fidi fiduciae causa mancipio accepit ab L. Baianio libripende') antestato). adfines 5 fundo) || dixit L. Baianius L. Titium et C. Seium et populum et si quos dicere oportet. | Pactum comventum factum est inter Damam L. Titi servum') et L. Baianum3): |

1) SER.

5) ANTEST.

2) MAXVMVSQ 3) HS.N.I. 4) LIBRIPENDL

6) AD FINES EVNDO 7) SER.

8) BAIAN..

quam pecuniam L. Baiano dedit dederit credidit crediderit expensumve tulit tulerit sive quid pro eo promisit promiserit spopondit spoponderit') fideve quid sua esse 10 iussit iusserit, usque eo is fundus || eaque mancipia fiducia essent, donec ea omnis pecunia fides ve persoluta L. Titi soluta liberataque esset. si pecunia sua qua que die L. Titio heredive 2) eius data soluta non esset, tum uti eum fundum eaque mancipia sive quae mancipia ex is vellet L. Titilus heresve") eius vellet, ubi et quo die vellet, 15 pecunia praesenti || venderet; mancipio pluris sestertio nummo uno1) invitus ne daret neve satis secundum mancipium daret neve ut in ea verba, quae in verba satis secundum mancipium) dari solet, repromitteret neve simplam neve.

Ueber die Bedeutung der Inschrift kann kein Zweifel sein. Sie enthält eine mancipatio fiduciae causa als Pfandbestellung in der Weise, wie wir sie aus Gai. 2, 60 kennen. Bestritten ist hingegen, ob sie Schema oder Urkunde eines wirklich vor sich gegangenen Rechtsgeschäfts sei. Degenkolb hat sich, obgleich zweifelnd, für das letztere erklärt; seine Gründe sind folgende: die Häufung von Fehlern, die Auslassung der Namen des libripens und antestatus (Zeile 4), während sonst die Urkundspersonen benannt sind, und der fundus Baianus an Stelle der sonst gebräuchlichen Corneliani und Semproniani.

1) spoponderit fehlt. 2) TITIÓ. H. VE 3) H⚫VE. 4) HS.N.I. 5) SATIS.S.M.; die Auflösung dieser Abkürzung fand Mommsen aus der voraufgehenden Zeile und der Lindenbrogschen Note s.S.M. = satis secundum mancipium (Grammatici Latini ed. Keil IV p. 300), vgl. Cic. ad Att. 5, 1, 2.

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