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chen werden, welche die Aufhebung des Interdictenverfahrens in dem Charakter des Uti possidetis herbeiführen mussten.

Die heutige Ansicht geht dahin, dafs nach Wegfall der Sponsionen und der fructus licitatio das Uti possidetis zu einer einseitigen Klage geworden sei, die, hervorgegangen aus dem Cascellianum, theils auf Restitution des Besitzes und Ersatz des Interesse oder bei blofser Störung des Besitzes auf letzteres allein, theils auch auf blofse Anerkennung des Besitzes gerichtet werden kann1).

Wenn wir damit die frühere Bestimmung des Cascellianum zusammenhalten dem Meistbieter der fructus licitatio den Besitz und die seit der Licitation gezogenen Früchte abzunehmen, so muss es, um zu der obigen Klage zu werden, auf eine ganz andere Grundlage gestellt worden sein. Dafs diese Umwandlung schon vor Justinian begonnen, liefse sich nur dann mit Sicherheit behaupten, wenn feststände, dafs die fructus licitatio mit den Sponsionen weggefallen wäre. Dahingegen stand dem nichts im Wege, für die zweiseitige Natur des Uti possidetis, insbesondere also für die Defensionspflicht ganz die früheren Grundsätze zur Anwendung zu bringen.

In den Justinianischen Quellen ist das secundarium interdictum gestrichen; dabei konnte die Stellung des Beklagten nicht die frühere bleiben; wie die Compilatoren sich dieselbe dachten, lässt sich aus der Art und Weise erkennen, wie sie die Schriften der klassischen Juristen auszogen. Wird bei Störung des Besitzes ohne Besitzentsetzung die Zuständigkeit des Uti possidetis ausgesprochen, so ist damit die Pflicht des

1) Auf die erstere Function beschränkt das Interdict Schmidt, Interdictenverfahren S. 331, beide Functionen nehmen Eck, Doppelseitige Klagen S. 62 ff. und die dort genannten an.

Beklagten, eignen Besitz zu behaupten, aufgehoben; im Justinianischen Recht kann das interdictum Uti possidetis nicht mehr als duplex gelten. Doch behält die Besitzklage mit der Vindication das gemeinsame, dafs der Beklagte sich durch Ueberlassung der Sache von dem Processe freimachen kann. Würde freilich mit dem Interdict ein Ersatz für erlittenen Schaden eingefordert, so müfste wie in der Vindication die volle Defensionspflicht eintreten. Ob das aber bei dem Uti possidetis der Fall sein kann, ist noch sehr die Frage. Dafs im Verlaufe der Zeit die Sponsionsklagen an Bedeutung verloren hätten, während das Cascellianum immer mehr in den Vordergrund trat, ist doch keine Erklärung dafür, wie das quanti ea res est des Cascellianum von da an neben dem Interesse wegen der Restitution des Besitzes und der Früchte seit der fructus licitatio auch das Interesse wegen der Besitzstörung umfafst hätte. Und selbst ein dringendes Bedürfniss zu einer solchen Aenderung ist nicht anzuerkennen; in der actio legis Aquiliae und den interdicta recuperandae possessionis war der Hauptsache nach ausreichend gesorgt.

Wenn nun auch das Interdict jetzt auf die secutoria actio beschränkt ist, so gilt doch diese nicht als reine Klage auf Restitution und Früchte, wie vordem; sie hat die Function der Sponsionen, die Präjudicialentscheidung, mit übernommen1), und diese Richtung tritt allein hervor in den Fällen, wo nur eine Besitzstörung Anlass zur Klage giebt, welche

1) Insofern zeigt sich also äufserlich die Verwandtschaft mit der Vindication noch klarer als bisher; den Fortschritt, welchen letztere beim Uebergang aus den legis actiones in den Formularprocefs gemacht hatten, macht jetzt das Uti possidetis nach.

nicht wie z. B. in l. 3 § 4. 9 D. uti possidetis durch einen zu beseitigenden Bau oder sonstige Anstalt ausgeübt wird.

Damit ist übrigens noch nicht die Möglichkeit gegeben die Klage ohne jeglichen Anlafs Seitens des Gegners anzustellen. Selbst eine blofse Erklärung, dafs man den Besitz streitig zu machen gedenke, kann nicht als genügender Grund angesehen werden, so dafs hierbei das Provocationsverfahren erspart würde. Dafs in früherer Zeit das Interdict ohne jeden. Anlafs Seitens des Beklagten erlassen wurde, ist bereits als nicht glaublich zurückgewiesen worden. Nach der Vorstellung, die man bisher von dem Verfahren nach erlassenem Interdict hatte, wäre das ohne Nachtheil für den Beklagten in der Sache selbst verlaufen. Sobald man dies aber auf die actio ausdehnte, durfte man nicht verkennen, dass dem Beklagten dadurch das Recht genommen wird mit seinen Ansprüchen in dem ihm am günstigsten scheinenden Augenblick hervorzutreten1); dasselbe gilt nach der hier gegebenen Auffassung auch für das frühere Interdictenverfahren.

Wollen hingegen beide Theile ohne vorhergegangene Stö

1) Dafs der von Eck (Doppelseitige Klagen S. 64 f.) angeführte praktische Gesichtspunkt eine solche Abnormität rechtfertige, lässt sich nicht zugeben. Will man deswegen, weil ein Kaufgeschäft durch den Einspruch des Gegners vereitelt worden, diesen zur Verantwortung ziehen, so müsste z. B. auch derjenige belangt werden können, der denselben Erfolg dadurch herbeiführt, dafs er als Nachbar alle möglichen Chicanen anzuthun droht, oder weil er dem Käufer eingeredet hat, die Besitzer des betreffenden Grundstückes seien alle früh gestorben. Das zweite Beispiel von der Verfügung des Strafrichters passt nicht; wenn der Denunziant die Besitzklage ablehnt, weil er den andern im Besitz nicht gestört habe, mufs der Strafrichter eben seine Verfügung zurückziehen.

rung eine Entscheidung über den Besitz haben, so steht dem nichts entgegen; das Erfordernifs der Besitzstörung geltend zu machen oder nicht, liegt ebenso in der Hand des Beklagten, wie es bei der Vindication dem Beklagten freisteht, ob er der Entscheidung über das Eigenthum des Klägers durch den Einwand nicht zu besitzen aus dem Wege gehen will.

Was endlich noch die recuperatorische Wirkung betrifft, so lässt sich nicht absehen, inwiefern die Aenderung des Verfahrens auf die Beseitigung derselben hingearbeitet hätte. Insoweit aber das Interdict auf Rückforderung eines verlorenen Besitzes hinausläuft, müssen darauf selbstverständlich die allgemeinen Grundsätze der Klagverjährung angewendet werden1).

1) Eck, Doppelseitige Klagen S. 67 widerlegt Witte's Auslegung der 1. 1 § 5 D. uti possidetis (43, 17), ohne der Frage näher zu treten, ob hier, ganz abgesehen von jener Stelle, die Verjährung Platz greife oder nicht.

Vorschläge zu den Institutionen des Gaius.

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Das neue Apographum des Gaius, welches wir der aufsergewöhnlichen Begabung und der aufopfernden Gewissenhaftigkeit Studemund's verdanken, enthält, wie nicht anders möglich, eine Reihe lückenhafter Stellen, deren Ausfüllung theils unmöglich, theils in hohem Grade schwierig ist. Vorschläge für die letzteren sollen in der neuen Textausgabe gemacht werden, welche der Veröffentlichung des Apographum nachfolgen wird; nur drei derselben sind hier ausgewählt, die, weil sie mit den heutigen Ansichten im Widerspruch stehen, einer ausführlichen Rechtfertigung bedürfen. Gemeinsam für alle ist zu bemerken, dafs bei Angaben aus dem Apographum der Unterschied zwischen den dort als sicher oder zweifelhaft bezeichneten Buchstaben bei Seite gelassen ist, und dafs aufserdem, wo im letzteren Fall mehrere verwandte Buchstaben als gleich möglich hingestellt sind, diese nicht alle wiedergegeben werden, sondern diejenigen ausgewählt sind, auf welche sich die folgenden Vorschläge stützen; für selbständige Forschungen mufs nach beiden Seiten hin auf das Apographum verwiesen werden.

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