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8. Bei den Sueben tragen die principes das haar noch besonders aufgeschmückt, und zwar namentlich wenn es in den krieg geht (adituri bella), offenbar zu dem zweck, sich als anführer kennbar zu machen, ein beweis, daß die principes auch anführer des heers sind.

Die vorsteher wurden in der großen volksversamm

beschönigung ihrer ungerechten übergriffe weidlich ausgebeutet, und juristen-facultäten in rechtsstreitigkeiten darnach erkannt. Hier eins von vielen beispielen. Als in der mitte des 18. jahrhunderts die bauern zu Büdesheim in der Wetterau begannen, das brachfeld mit kartoffeln, hopfen, bohnen, gelben rüben zu bepflanzen, so sprach der inhaber des zehntrechts, herr Schütz von und zu Holzhausen, auch von diesen erträgnissen den zehnten an. Die gemeinde bestritt ein recht hierzu; und es wurde hierauf von der juristen-facultät zu Marburg ein rechtliches gutachten darüber verlangt, welches diese im märz 1758 von sich gab, dahin lautend: „daß die gemeinde Büdesheim zur abstattung des kartoffel-, hopfen-, bohnen- und gelbenrüben-zehntens nicht verbunden seye." Die facultät kam zu diesem resultat durch die aufstellung, daß ein wesentlicher unterschied zu machen sei zwischen geistlichen und weltlichen zehnten. Der weltliche zehnte sei eine abgabe, welche der bauer für vom hohen und niederen adel erhaltenes gelände, also als eine art von pacht, entrichte, wie laut c. 15 der Germania des Tacitus schon im Deutschen heidenthum üblich gewesen. Dieser abgabe habe man erst später unschicklicherweise den namen zehnten gegeben, weil sie ebenfalls in garben bestanden. Was die geistlichen rechte von dem pfarrzehnten verordneten, könne also auf den laien-zehnten nicht angewandt werden; ersterer werde auch decimae, letzterer dagegen decimatio genannt. Der weltliche zehntherr könne also nichts fordern, als was die gewohnheit mit sich bringe. (Für diese sätze werden Just. Henning Böhmer, Tom. 1. consultat. IV nr. 47; J. L. Böhmer und andere citirt.) Dabei wird, zu welchem ende ist nicht recht klar, ausgeführt, der geistliche zehnte sei gar nicht überall in Deutschland durchgedrungen; z. b. wisse man in dem großen Fuldischen gericht Nieder-Aula noch jetzt nichts davon.

1 In den alten Schweizerischen democratieen, die freilich zum theil nichts mehr als alte zenten, also stücke großer gaue sind, wurden alle beamten jährlich in der ordentlichen landesgemeinde gewählt. Blumer 1, 274. Noch jetzt wird zu Appenzell alljährlich eine landesversammlung gehalten, wobei alle landleute", die 18 jahre alt sind, mit seitengewehr

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lung, dem concilium, gewählt 1, und zwar vermuthlich so, daß jede hundertschaft über seite trat und ihre zent- und dorfvorsteher für sich ernannte. Das amt dauerte wohl ? nur ein jahr lang, wie ja auch die Aeduen und ehedem die Belgen ihre obersten beamten nur auf ein jahr wählten 5 und es in einem staat, wo jährlich die äcker neu

bewaffnet erscheinen, und die obersten beamten gewählt werden. Nach erledigung der allgemeinen angelegenheiten treten die 7 rhoden oder nachbarschaften auseinander, und wählen für sich ihre hauptleute und ihre abgeordneten zum großen und kleinen rath (Ed. Osenbrüggen, im Deutschen Museum" von Prutz, 1855. nr. 40). In ähnlicher Weise wählten auch die 9 dörfer des freien gerichts Kaichen ihre dorfgrefen beim ungebotnen ding zu Kaichen (s. meine geschichte des genannten gerichts s. 60).

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1 Germ. c. 12 und ferner c. 22 de asciscendis principibus in conviviis consultant. Gerade diese stelle beweist unwidersprechlich, daß princeps ein beamter, nicht ein adeliger ist (Roth, 8).

2 So auch v. Sybel, 78.

9 Caesar, 1, 26 und 7, 22.

4 Strabon 4, 4: „Die meisten verfassungen (der Belgen) waren aristokratisch; vor alters (rozalarov) wählten sie jährlich einen führer (ěva nyeuóva) und desgleichen wurde für den krieg von der menge ein feldherr (els oroarnyós) ernannt; jetzt aber richten sie sich meistens nach den anordnungen der Römer." Die berichte Strabons sind etwa 80 jahre jünger als die kriege Caesars in Gallien, welche diesen Römischen einfluß begründeten.

5 Noch im späteren mittelalter wählten die Friesen und bis in die neueste zeit die Schweizer ihre richter nur auf ein jahr. Bei märkermeistern und gemeindebeamten blieb dies allgemein in ganz Deutschland üblich. Dies schloß eine verlängerung des amtes keineswegs aus. So bekleidete der ritter Dietrich von Rosenbach das obermärkermeisteramt in der Altenstädter mark 47 jahre lang, von 1609 bis 1656, obgleich auf jedem märkerding eine neuwahl erfolgte (Altenstädter markbuch). In den Schweizerischen democratieen wurde der landammann jährlich neu gewählt, und auch hier kam es nicht selten vor, daß einzelne ausgezeichnete männer ihrem lande ein ganzes menschenalter hindurch ununterbrochen vorstanden. Blumer, 1, 275. Doch war es zu zeiten auch gesetz in manchen cantonen, daß niemand länger als ein oder zwei jahre im amt bleiben durfte. Die merkwürdigen bestimmungen s. bei Blumer, 2, 1, s. 110.

ausgetheilt, sogar die wohnsitze gewechselt wurden, gar nicht anders sein konnte.

Zwar halten nicht wenige Germanisten dafür, daß die principes auf lebenszeit gewählt worden seien. 1 Allein dies läßt sich mit gründen nicht stützen, geschweige erweisen. Wohl aber spricht folgendes dagegen. Ein wahlrecht, welches nur höchst selten, nach jahrzehnden ausgeübt wird, ist kein wahlrecht mehr; es würde keine drei generationen gedauert haben, bis es in erblichkeit umgeschlagen wäre. Lebenslängliche ämter vertragen sich mit einer aristocratie, einer senatorenherrschaft, aber nicht mit theilnahme des ganzen volks an der ämterbesetzung. 2 Aber noch ein anderer grund fällt in die wagschale. Die principes waren nicht blos richter und leiter der gemeindeangelegenheiten, sondern auch anführer im heere. Vertraute man dies amt daher auch ohne zweifel erfahrenen männern an, so ließ man es doch schwerlich in ihren händen über ein alter hinaus, wo ihnen noch die nöthige thatkraft und ausdauer in beschwerden eigen war.

1 Waitz, 1, 102; Wilda, 130 (jedoch mit einschränkungen); v. Bethmann-Hollweg, 44, welcher meint, daß Caesars worte,,magistratus ac principes inter suos jura reddunt" auf ein persönliches und dauerndes band deuten. Allein inter suos heißt doch wohl unter ihren landsleuten, wo sie zu haus sind und gewählt wurden. Der princeps regionis spricht inter suos, d. h. in der regio, der princeps pagi inter suos, d. h. im pagus, recht. Vgl. auch Tac. Germ. c. 6: idque ipsum inter suos vocantur. Cicero pro Flacco, c. 22: homines apud nos noti, inter suos nobiles.

2 Es mag hier an folgende treffende bemerkung Mösers in seiner Osnabrücker geschichte 1, 219 erinnert sein: „Vorher hatten die Sassen jährlich den richter erwählt, und es damit wie die bürger in einigen städten mit ihren rathsgliedern gehalten, welche sie am ende des jahrs nicht absetzen, sondern aufs neue nicht wieder wählen. Zum ersten verfahren werden ursachen erfordert; zum letztern aber nicht, weil ihr amt mit dem jahre von selbst ausgeht, und es auf den freien willen der bürgerschaft ankommt, ob sie ihn von neuem wählen wolle."

Aus dem gesagten erklärt sich, warum eine verfassung, welche blos principes kennt, republikanisch ist und einen gegensatz gegen das königthum bildet, welches als eine herrschaft (regnum) erscheint, wobei das volk gehorsam leistet (Tac. Agric. 12 : olim regibus parebant. Germ. 43: erga reges obsequium), während die principes nach Caesar „inter suos", unter ihren landsleuten, recht sprechen. So setzt Caesar 1, 3 dem ein jahr lang dauernden obersten amt, principatus, bei den Aeduen (vgl. 1, 26 und 7, 22) sehr deutlich das regnum entgegen. Den ersteren erwirbt man durch wahl, zum letzteren will dem Dumnorix ein ausländischer emporkömmling mit seiner truppenmacht verhelfen. In etwas ähnlicher weise heißt es 7, 4 vom Arvernen Celtillus principatum Galliae totius obtinuerat et ob eam causam, quod regnum appetebat, ab civitate erat interfectus. Vellejus Paterc. 2, 108 : Maroboduus genere nobilis non tumultuarium neque fortuitum, neque mobilem et ex voluntate parentium constantem inter suos occupavit principatum, sed certum imperium vimque regiam complexus animo, statuit etc. 1 Er begnügte sich also nicht mit der dem wechsel unterworfenen und nur mit willen der gehorchenden fortdauernden vorstandschaft, sondern wollte ein für alle mal uud zwar mit königlicher gewalt herrschen. Bei Tacitus, Agric. 12, heißt es von den Britannen: olim regibus 2 parebant, nunc per principes factionibus et studiis trahuntur", d. h. ehemals gehorchten sie königen, jetzt werden sie von vor

1 Wörtlich: Maroboduus, vornehm von geschlecht, nahm nicht eine unruhige, zufällige, bewegliche und auf dem guten willen der gehorchenden beruhende vorstandschaft unter den seinen ein, sondern eine sichere herrschaft und königliche gewalt in den sinn fassend, beschloß er u. s. w.

2 Annal. 2, 24 werden sie reguli genannt,

stehern in parteiungen und sonderbestrebungen hineingezogen, 1 Augustus nahm den titel princeps an (Annal. 1, 1), nicht rex, um wenigstens den schein der republik nicht zu verscheuchen. 2 Dagegen wird Arminius, weil er nach der herrschaft trachtete (regnum adfectans) getödtet (Annal. 2, 88). Germ. c. 25: exceptis iis gentibus quae regnantur. Hist. 1, 16: neque enim hic, ut gentibus quae regnantur, certa dominorum domus ceteri servi.

Die gegenüberstellung der verfassung mit principes und derjenigen mit reges kommt auch in c. 10 und 11 der Germ. zum vorschein : quos pressos sacro curru sacerdos ac rex vel princeps civitatis comitantur." Hier ist „vel princeps civitatis" nicht als glosse aufzufassen, als wolle Tacitus damit das amt und die stellung des königs als spitze des staats erklären; sondern es soll ausgedrückt sein, daß in den republikanischen staaten neben dem priester der, oder wie ebensogut verstanden werden darf, ein vorsteher des staats dem heiligen wagen folge, sowie es in monarchischen der könig thue. In gleichem sinne. steht c. 11: „mox rex vel princeps . . . audiuntur.“ 3

Die einst von Eichhorn und von Savigny 4 aufgestellte ansicht, daß die principes eine bevorrechtete adels

1 Trahuntur steht keineswegs für distrahuntur, wie Orelli meint.

2 In republikanischem sinn steht princeps auch bei Caesar, 1, 44 : principes populi Romani. 1, 19 per C. Valerium Procillum principem. Galliae provinciae.

3 In dieser weise fassen auch G. H. Walter 4, 30, v. Sybel, 50, Waitz, 1, 59, Roth, beneficialw. 2 und 5. und andere diese stellen auf.

4 Beitrag zur rechtsgeschichte des adels im neueren Europa, in den Abhandlungen der Berliner akademie v. j. 1836.

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